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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Schäfer, Wilhelm: Ketzerei im Heimatschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0144

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mehr genügt, >st das
gcringstc; man könnte
an einem andern
Platz ein neucs Rat-
hauS bauen und das
alte Bauwerk mit
irgend einem Iweck
erhaltcn. Auch wenu
diese Erhaltung aus
einem tcurcn Bau-
grund scliwer zu recht-
scrtigen wärc; aber
cs gibt in Düsseldors
sür das rwtwendige
neuc Rathaus keineu
andern Platz, er ist
der gegebene, wenn
daö RathauS im Zen-
trum bleiben soll und
ist geeigneter als jeder
andere. Nicht nur dadurch, daß cr am alten Markt-
platz liegt, stmdcrn durch die scltcn günstige Lage dieses
Marktes. Wie unser Plan zeigt, bildet er ein fast
quadratischcs Viereck, das von der Marktstraßc in dcr
Ostscite angeschnittcn wird, und in das die Bolkerstraße
(die alte Geschäftsstraße) mündet. Mittcn darauf steht
daö schöne Reiterdcnkmal des kupsergrüncn Jan Willcm.
Der wirkliche Verkehr geht durch dic Marktstraße an
dem stillcn Platz vorbei, der wie ein abgeschlossener
Vorhof dalicgt. Wcnn alles an ihm noch alt und schön
stände, viclleicht, daß man ihn ehrsürchtiger betrachtete
als heute, wo seiu Bauzustand ein schrccklicher ist:
Nach Westen an daö alte
Rathauö angebaut eiu stadt-
baumcisterlicher Neubau in
sranzösischcr Renaissanee
vom Jahre 1884, nach Sü-
den eine entsetzliche ziuk-
ornamentierte Markthalle.

Jn diesem Durchcinander
verliert sich alle Freude an
der schlichten Erscheinung
des alten Rathauses; hier
hilft kcin Flickwerk, hier ist
am bcstcn: Luft zu macheu
für eine neuc und ganze
Leistung.

Daß die Anflickerci zu
nichts Rcchtcm führt, hat
der Römcr-Anbau in Frank-
surt bewiesen; und hicr
in Düfseldorf ist kciuc ge-
schloffeuc Fassadenbildung zu
retten wie dort am Römer-
berg. Es wäre schwächlich,
senti'mental ein schlichtes
Stück zu schützen uud da-
durch etwaö Ganzes zu ver-
hindcrn. Eine modcrne
Großstadt kann sich nicht mit
dem Verwaltungögebäude

einer srühercn Klein-
stadt behelsen. Und
dcm neucn Rathaus
aus falscher Pietät
einen schlechten Platz
geben, weil an dem
einzig gegebenen das
alte Gebäude fteht:
das wäre doch wohl
etwas Eulenspiegelei
im Heimatschutz.
Denn nicht nur, daß
der alte Marktplatz
durch einen solchen
Ncubau wieder in
würdigen Iustand
versetzt werden könn-
te: nach Westen stößt
der Baublock dahinter
gegen den Rhein,
wo das traurige Gebäude der Kunstgewerbeschulc aus
den Abbruch wartet. Einmal ging hier durch die
Zollstraße und daS Iolltor der Weg zur alten Schiff-
brücke, da flutctc der Verkehr in drangvoller Ecke:
hcute ist es stiller da und durch die Veränderungcn
auch nur cin bauliches Durcheinander. Hier am Rhein
eine stolze Schauseite und nach dem Marktplatz ein
schlicht bürgerlicheö Portal zu schaffen: waö sür eine
Ausgabe dcr Baukunst.

Und solltcn wir nicht endlich unscrcr Ieit zutraue»
diirsen, solche Ausgaben zu lösen? Jm November-
hcft vorigen IahrcS haben wir den Entwurf von Bonatz

für einen Rathausbau in
Barmen gezeigt; es müßte
sonderbar sein, wcnu nur
der so etwas könnte. Wcnn
die Stadt Düffeldorf die Ar-
chitektcn Deutschlands zum
Wettbewerb ausriefe, ob da
wirlich nichtö herauskäme,
waö den heutigen Bauzustand
dcö schönen Platzes besserte,
trotzdcm das alte RathauS
fiele? Es scheint mir doch,
der Tietzbau von Olbrich
habe das Gegenteil bcwicsen.

Nach einigen Jahrzehn-
ten dreister Zerstörung und
unfähiger Bauerei sind wir
ängstlich geworden; cö wäre
schade um unsere Gegen-
wart, wenn wir zu ängstlich
bliebcn. Daß noch immer
die größten Ausgaben in Ge-
fahr sind, in salsche Hände
zu geraten, darf uns nicht
veranlaffen, den rechten
Händen die Aufgaben vor-
zuenthalten, die eine leben-
dige Zeit ihren Baukünstlern
stellen muß. S.


Das Rathaus zu Düffeldorf. (Westseite mit dem Neubau.)

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