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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 8
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Oswald, Josef: Der Kölner Dom und Heinrich Heine
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0071

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erKölnerDom und Heinrich Heine.

Es ist ein seltenes, vielleicht einziges Schauspiel,
daß von einem Bauwerk eine so lebhafte Be-
wegung unter den Dichtern hervorgerufen worden ist, wic
es beim Fortbau des Kölner Doms der Fall war. Heute
sreilich lauscht man mit Verwunderung dcm wirren
Chor; hat doch im Iusammenhange mit dem Riesen-
werk die Erweckung der Gotik sich weit über den Krcis
kirchlicher Architektur hinaus sruchtbar erwiesen. Allein
was jetzt rein ästhetisch sich werten läßt, ebenso wie es
ursprünglich in seinen ersten Gedankenkeimen vorwiegend
ästhetisch gestimmten Geistern entsprossen ist, mußte, da
eö sich zu entwickcln begann, der Flut der Ieitideen
anheimfallen und in dem Wirbel der förderlichen und
entgegengesetzten Strömungcn die Kraft sammeln, deren
es bedurste.

„Als den Ausdruck eines politischen Strebens und
Ahnens hat das deutsche Volk den Weiterbau des
Domes begonnen und vollendet", urteilt Karl Lam-
precht in seinen „Skizzen zur rheinischen Geschichte".
Politisch war jedenfalls das Hauptmotiv, das die
Gegncrschaft mancher Dichter bestimmte. Wcnn diese
poetischen Stimmen der Linken gleich denen der
Rechten jeder geschichtlichen Darstellung, die aus das
Kölner Unternehmen zu sprechen koinmt, sich als
Jllustration darbieten, so sind sie vielfach auch
literarisch intereffant genug, um einige Nachträge zu
rechtsertigen.

Vor allem ist hervorzuheben, daß der Aufmarsch
der Poeten sich keineswegs mit der grundsätzlichcn
Folgerichtigkeit vollzog, die aus immer Fürsprecher und
Widersacher trennt. Hatten einst die Romantiker für
die Schönheit der alten Monumente der Nation wieder
die Augen geöffnet, so blieben nicht zuletzt die Blicke
der Dichter offen dasür. Künstlerisch empfindend, gaben
sie dem Dombau, solange er lediglich ein Gegenstand
des Träumenö und Planens war, in dem romantischen
Geiste sich hin, der dcm StimmungSzauber der Ruine
Ausdruck verlieh, mochten sie auch sonst viel weiter
von den Wegen der Romantik sich entsernt haben
alö August Follen, deffen Domballade (1828) in
Anthologien sich erhalten hat. Erst alS der Traum
Tat werden wollte, kam es zu einer durchgreisenden
Scheidung.

Es ist bezeichnend für das großartige Werk, daß
seine Jnangriffnahme alle möglichen Widersprüche hervor-
rief, deren Besiegung ebenso von Belang ift als die
glückliche llberwindung der materiellen Schwierigkeiten.
Jedoch die bcmerkcnswerteste Gegnerschaft erwachte
nicht lange nach der am 4. September 1842 ersolgten
feierlichen Grundsteinlegung zum Südportal, bei welcher
Gelegenheit Friedrich Wilhelm IV., umgeben von zahl-
rcichen Bundesfürsten und einem glänzenden Hosstaate,
darunter auch Alexander von Humboldt und Sulpiz
Boisserse, eine seiner wirkungsvollsten Reden hielt. In
dcm Enthusiaömus, den sie weckte, stiegen all die frohen
Erwartungen und Hoffnungen dieser unklaren Zeit gleich
den Fluten eines Springbrunnens zur Höhe empor,
um plötzlich sich umbiegend, in die flache Wirklichkeit
zurückzufließen, nicht ohne weithin den Lärm einer auf-

geregten Enttäuschung zu verbreiten. Da verwandelte
sich denn Manchem das Sinnbild künstlerischcr Ro-
mantik unversehenö in ein Symbol politischer Romantik.
„Just an dieser Dombaufrage", bemerkt Heinrich Laube
in seinen ,Erinnerungenft „zeigte es sich damals deutlich,
daß der Liberaliömus sich in verschicdene Gewässer abteilte.
Diejenigcn Liberalen wurden als flau und zopfig ge-
scholten, welche das Unternehmen solch eines großcn
künstlerischcn Baues mit Zustimmung und Freude auf-
nahmen, weil Förderung großer Kunstbauten ja der
politischen Entwicklung nicht widerspräche, und die
politifche Entwicklung ja deöhalb nicht zurückzubleiben
brauchte."

Das merkwürdigfte Beispiel, wie radikal der Um-
schlag war, gibt der 1844 veröffentlichte zweite Band
der „Gedichte eines Lebendigen", worin Herwegh
umgekchrt wie der Apostel erst als Paulus, dann
als Saulus vor uns hintritt. Iu den Glanzpunkten
seiner bald nach der Domfeier angetretenen Triumph-
fahrt gehörte auch Köln. Das in dcmselben Jahre
(1842) geschriebene Gedicht „Die drei Ieichen" durch-
weht noch die einmütige patriotische Begeisterung sür
die Vollendung dcs Doms, wie sie in jenem Feste
gipfelte. „Der goldene Wein", „der grüne Strom"
und „der hohe heilge Dom" — das sind die gott-
bestellten Ieichen, die er preist, wobei er ersterem,
dem feuchtfröhlichen Geiste der Rheinlande Rechnung
tragend, die Mittlerrolle zuweist:

Der Meistcr, der den Plan gemacht,
hat sicher ihn beim Wein erdacht,
den Dom zu Köln am Rhein.

Formal mit den Vorzügen der Herweghschen Muse
begabt, stellt das Poem in seinem dichterischen Gehalte
jene schwache Rheinromantik dar, jene viel produzierte
Rheinweinromantik, die am längsten sich erhalten hat.
Dennoch oder vielleicht deshalb erhob eS sich auf Flügeln
des Gefanges. Jn der Vertonung des Kölner Kapell-
meisters H. Dorn hat es im Jahrzehnt seiner Geburt
gute Dienste bei den Dombau-Vereinssestlichkeiten ge-
leistet. Herwegh abcr sah bald mit andern Augcn
auf daö Werk, und wcnn er auch bei der Iusammen-
stellung des neucn Buchs seiner veränderten Gesinnung
die „Drei Ieichen" nicht opfern mochte, so ncutralisierte
er doch ihre zustimmende Pathetik durch die abweifende
Schärfe der Satire, indem er jetzt das Dom bauende
Volk einen Riesen heißt wie auch jencr Philister einer
gewesen, „dem ein winziger Knirps stopfte mit Steinen
das Maul!" Noch in zwei andern Zkenien wird das
Thema von der Steingabe statt der bcgehrten Brot-
spende behandelt. Heute erfcheinen diese Epigramme
wie Pfeile, die stumpf am Boden liegen.

Bekanntlich hat der Erfolg der Herweghschen Lyrik
den Nsthetiker Vischer zu cincm seiner „Kritischen
Gänge" veranlaßt (II- Band, 1844), worin er die Be-
rechtigung der paränetisch-politischen Dichtung untersucht
und zu dem Ergebniffe gelangt, daß sie nichts taugt.
„Politik ist nicht poetisch; gerät man aber einmal an
einen politischen Gegenstand, so soll man nicht indolent
gegen seine innere Bedeutung sein, noch weniger für
das Verkehrte begeistcrt, wie Frciligrath für den Kölner
Dombau und waö daran hängt." Unverhüllter noch

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