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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 9
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Rüttenauer, Benno: Vom Münchner Glaspalast
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Faßbinder, Joseph: Unruhige Nacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0117

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Vonr Münchner Glaspalast.

verlangen sollte, da es der Künstler mit weislicher Be-
rechnung seiner Wirkungen nicht gewollt hat. Doch ist
das stärkste darunter wohl der schwarze Herr vor der
grünen Tapete, der auch weniger „klebt" als die andern.

Jn diesem ganzen Saal der „Scholle" hängt nichts
Gleichgültiges. Die Farbe feiert hier Triumphe. Jn
ties gestimmtcn, gedämpsten Harmonien bei Püttner, in
hellcren Tönen biS zu Fansarcnklängen mit starker
Auönützung der Lokalsarben bei Münzer und Leo Putz.
Beide haben, das ist keine Frage, ihre malerischen Auö-
druckömittel bis zur Virtuosität im besten Sinne des
Worts gesteigert, die starker Wirkungen stetS sicher sein
kann. Fehlt nur gelegentlich dcr regulierende Geschmack,
der Übertreibungen vermeidet und grelle Effekte ver-
bietet — wie z. B. die künstlichen gelben und roten
Lichter in dem sonst doch auf einen kühlen Ton ge-
stimmten Bild von Leo Putz. Malerisch am uninter-
essantesten ist aber das Bild, das am meisten bedeuten
möchte, die große „Allegorie" von Eichler. Das ist
ohne jeden koloristischen Reiz. Daö erdige Gelb und
Braun in der Landschaft wirkt schon langweilig und
gar die großen nackten Putten im Vordergrund wünscht
man sich in cinem weniger konventionellen stumpsen
Fleischton. Doch cin großer feierlicher Ernst geht von
dem Bilde aus; eö würde wohl auch übcrall besser
wirken als gerade in diescm Saal, an deffen übrigen
Wänden das Auge sich an Farben nur so berauscht.

* *

*

Und die Übrigen. Wer kennt die Völker, nennt
die Namen? Nur von den Franzosen drängts mich
noch ein Wort zu sagen — obwohl gerade die, die da
sind, kaum dazu herauöfordern. Jhr Saal wirkt un-
glaublich öde. Nichts alö beffere Mittelmäßigkeit. Und
da sind wir dann leicht geneigt zu glauben, daß eine
solche Vorführung der Franzosen — wir haben andere
Dinge von ihnen gehört — durch und durch irresührend
sei. Aber wenn man gerade von Paris kommt, so
weiß man, daß die Münchner französische Ausstellung
einen wenn auch bescheidenen so doch charakteristischen
Auszug aus den großen Pariser Ausgaben darstellt,
die genau so banal sind wie der Münchner Saal — in
dem wir wcnigstens von der Masse des Ganzschlechten
verschont bleiben, das sich dort in unglaublicher Weise
breit machen darf. cks vais jawais, sagte mir
denn auch ein berühmter Kunsthändler, ou zr xsi-ä sou
tswxs. Man steht da vor einem Rätsel. Oder ist es
gar keines? In Paris wie überall hat eben das große
Bilder kaufende Publikum, trotz der ansehnlichen Ge-
meinde ernster Kenner und Genießer, so wenig eine
Ahnung von Gut und Schlecht in der Kunst wie überall.

Man nimmt das in Frankreich sogar sür viel selbst-
verständlicher hin als bei uns. Namentlich von seiten
der Eingeweihten. Diese engere Gemeinde kommt in
Kunstsachen allein ernstlich in Betracht. Daß sie ver-
hältnismäßig bedeutend und mächtig genug ift, daraus
kommt eö an; daß aber ihr Geschmack im schroffen
Gegensatz zum „Bourgeois"-Geschmack steht, wird wie
eine Notwendigkcit empfunden. Diese Leute möchten
gar nicht, daß daS Gute, daß ihr Schatz populär sei;
er würde dadurch in ihrer Schätzung und an ihrer
Liebe einbüßen. Man versteht das. Es kommt darin

ein Aristokratismuö zum Auödruck, der unserem deut-
schen Empfinden im allgemeinen viel serner liegt.
Dieser Aristokratismus ist von kühler Resigniertheit und
hat keine pädagogische Präokkupation; er weiß zu gut
daß es Dinge gibt, die niemals deö Pöbels sein können
und wenn es auch ein Pöbel ist in Seide und Brüffeler
Spitzen. Eine solche selbstsichere Aristokratengemeinde
hinter sich zu wiffen, daraus ziehen die wirklichen
Künstler, die ja notwendig auch immer Neuerer sind,
Kraft und Mut, und darin bcruht daö Geheimnis der
hohcn Ansorderungen und Leistungen einzelncr, durch
welche Frankreich, der unsagbar banalen Durchschnitts-
leiftung und dem oft geradezu horriblen Geschmack des
GroS der Bilderkäufer und Bilderbesteller zum Trotz,
sich seit einem Jahrhundert in sührender Rolle er-
halten konnte. Was für die Person ja sehr schlimm
sein kann, daraus zieht die Sache, die Sache der Kunst,
ihren schönsten Vorteil. Wirklich, man kann in Kunst-
sachen nicht aristokratisch genug empfinden, und bei
unö fehlt cö daran. Wir sind immcr wicder so naiv,
zu glauben, der Künstler müsse seinem „Volke" ein
Erzieher sein. Und beide haben doch so wenig mitein-
ander zu tun. Wenn es aber trotzdem kommt, daß
es ciner erlebt und die große Menge infolge langsamer
Massensuggestion sich scheinbar zu ihm bekehrt (waö
noch lange keine Erziehung bedeutet, da ja daö Schlechte
nebenbei immcr eu vo^us bleibt), wird er selber gewiß
auch sosort entgegenkommend und also in höherem
odcr geringerem Grad in seinem Besten sich untreu,
wie jetzt Claude Monet, der im Mai eine große Serien-
auöftellung bei Duran-Ruel hatte, etwa dreißig Bilder,
in denen er dem nur allzu bekannten süßen Boudoir-
geschmack dcr Pariscr Gesellschaftswclt, wahrscheinlich
ganz unschuldig und unbewußt, sich in bedenklicher
Weise nähert. Vielleicht kommt die höchst kuriose
Serie einmal hierher oder nach Berlin; mehr würde
sie uns schon zu sagen haben als die gegenwärtige
sranzösische Auöstellung, auch mehr als hundert andere
dieser Art. Benno Rüttenauer.

nruhige Nacht.

Die Nacht ift heute nicht wie andre Nächte -
sie ist nicht still; doch weiß man nicht zu sagen,
woher der Wind das scrne Summen brächte.

Kein sichrer Ton von spätem Stundenschlagen,
kein Vogelrus aus leichten Somnierträumen
wird klar und schars zu meinem Ohr getragen.

Es rauscht wie schwerer Wogen dumpses Schäumen,

eö singt wie einer Tuba tiefes Tönen

vom Fluß herauf und aus den Weidenbäumen.

Und manchmal kommt eö wie ein leises Stöhnen
auö sreiem Felde, wo des MondeS Strahleu
das Randgebüsch mit Silberbändern krönen.

Und wo sich durch daö Laub die Lichter ftahlen,
da rinnen sie hin auf dem Moosgcslechte,
um in das Dunkel dunklen Sinn zu malen.

Es ift, als ob die Nacht des Tages dächte,
so laut ift sie und leuchtet mit den Strahlen —
die Nacht ift heute nicht wie andre Nächte.

Joseph Faßbinder.

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