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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 8
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Eulenberg, Herbert: Nachfolge Goethes: eine Laienpredigt
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Fries, Friedrich: Die Hellmalerei in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0080

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Nachfolge Goethes.

Ausnahmen davon sind zu erbärmlich, daß man sie
weiter erwähnen müßte. Die aber, die erkannt haben,
wie Glück und Achtung nicht erschlichen werden können
und wie die Gesellschast im Grunde und mit Recht den
Einzelnen nur nach dem Nutzen wertet, den sie von
ihm hat, und wie „das höchste Glück der Erdenk'inder
nur die Persönlichkeit" ist, die man cinzusetzen hat, alle
die werden sich mit Stolz und Recht heute Goethes
Iünger nennen.

ie Hellmalerei in der niederlän-
dis chen Kunst des 17. Jahrhunderts.

Jst man auch nie im Iweisel gewesen, daß das
Lichtproblem in der niederländischen bezw- holländischen
Malerei des 17. Jahrhundertö eine große Rolle spielte,
so ist es doch weiten Kreisen unbekannt geblieben, daß
das Auskommen dieses malerischen Problems und seine
Fortsetzung sich in ähnlicher Weise und untcr ähnlichen
Begleiterscheinungen vollzog, wie im 19. Jahrhundert.
Houbraken gibt in seiner großen Schouburgh manchen
wertvollen Hinweiö aus diese Vorgänge, und da man
bis jetzt über diese Stellen hinausgelesen hat glaube
ich, daß daraus ausmerksam zu machen von Jnteresie ist.

AlS man im 19. Jahrhundert, und zwar schon im
ersten Viertel desselben* sich wieder auf daS Natur-
studium besann, da waren es die Landschaftsmaler, die
daS Lichtprvblem ausgriffen; denn sie sanden, daß, wollte
man die starken Eindrücke, die man draußen vor der
Natur empsangen hatte, wiedergeben, man auch an
Stelle des Atelierlichts daö helle Tageslicht, wie es im
Freien erglänzt, aus dem Bilde geben müsse. Das
fing bekanntlich schüchtern mit Constable und mit der
Fontainebleauer Schule an und fand den konsequentesten
Ausdruck in den Bestrebungen Manets, Segantinis
und der daraus folgenden Jmpressionisten-Schule. Die
Folge war der ständige Kampf der neuen Hellmaler
gegen die ältere Schule der Dunkelmaler, die auf die
Wahrheit der Lichterscheinung im Freien wenig Wert
legten und vor allem nach der koloristischen Schönheit
und Harmonie strebten. Denn in der Tat ist es leichter,
eine gute und kräftige koloristische Wirkung aus einem
dunklen Grund zu erreichen, als auf einem hellen.
Dieser selbe Strcit zwischcn Hell- und Dunkelmalern
war auch schon im 17. Jahrhundert ausgebrochen, und
zwar als eine Folge ganz ähnlicher Umstände wie dcr
vorher angesührten. RembrandtS überragende künst-
lerische Persönlichkeit mit der grandiosen Wirkung seines
geheimnisvoll auö dunklem Grunde herauöstrahlenden
Lichtes mit seiner unerhörten Farbenschönheit hatte einen
ungeheuren Einfluß erlangt und erzwang sich cine
Schule, die seinem künstlerischen Streben bedingungslos
folgte und die, indem sie aus der genialen Eigenart
des Meisters ein Prinzip machte, auf das sie schwor,
sich zu einer Schule von Dunkelmalern entwickelte.
Neben dieser aber erblühte, angeregt durch die ein-
gewandertcn Vlamen/ eine Landschasterschule in Holland,

j L. Richtcr, Lebenserinnerungen, S. 158, 15?.

^ Bodc, Studien zur Geschichte der holländischen Malerei,
S. IZ. Dcrsclbe, Rembrandt und seine Aeitgcnofsen, S. ?8.

die ihre eigenen Wege ging, ja gehen mußte, als sie
anfing, immer eisriger das Studium der Nchiir iur
Freien zu betreiben. Daß sie dieö getan, daS beweisen
uns nicht nur die vorhandenen Gemälde, sondern es
verbürgen uns auch die Aufzeichnungen Houbrakenö.
Pottei-b benutzte sogar seine Spaziergänge, um Studien
zu machen, und van der Velde hat wie ein moderner
Freilichtmaler direkt draußen vor der Natur gemalt,
„denn er eilte täglich mit seinen Gerätschaften hinaus
auf das Feld, was er biö an sein Lebenöende einmal
in der Woche wenigstens tat."^ Das Resultat dieser
Studien war namentlich die große Helligkeit der Bilder
dieser Künstler im Gegensatz zu denen der Rembrandt-
schule. Houbraken rühmt bei Adriaen van der Velde
gerade die große Helligkeit seiner Gemälde und sagt,
daß ihn biöher niemand darin übertroffen habe. Von
Potter wissen wir es zur Genüge, von welch strahlender
Helligkeit gut erhaltene Bilder sein können? Das Bild-
chen Nr. 472 „Die Bauernfamilie" dieses Künstlers in
der Alten Pinakothek hängt wie ein kleines Ereignis
zwischen den dunkeln Bildern des Kabinetts. Mit diesen
Studien steht auch im Iusammenhang die Wiedergabe
des frischen Grüns in der Natur, worüber man sich
wie es scheint, auch bereits völlig im Klaren war. Jch
denke hicr namentlich an Adriacn van der Veldeö
,^>irschjagd" Nr. Z2O im Städcl in Frankfurt. Von
Jan Both aber sagt Houbraken'' mit Bezug auf dessen
letztes Bild, daö als sein Testament (künstlerisches) be-
zeichnet wird: „ÜberdieS war die ganzc Landschaft lichter
und im Grün von naturwahrer Frische der Farbe und
nicht so gebräunt und nachgedunkelt, wie man dieö
häusig bei ihm findet."^ Die Helligkeit und das frische
Grün werden hier also zusammen genannt. Auch hier
denkt man wieder an unsere Modernen, die sich das
Grün erst erkämpsen mußten. Gebt aus den Nuße-
rungen HoubrakenS hervor, daß er ein Anhänger des
Helligkeitöprinzipö war/ so läßt er aber auch keinen
Zweifel darüber, daß es zu heftigen Streitigkeiten
zwischen den Vertretern der beiden Richtungen ge-
kommen ist. So berichtet er von Karel du Jardin,
daß er mit seinem Freunde Jacob van der Does immer
im Streit gelegen habe, wenn sie über Kunst sprachen,
da Karel die lichte, er die braune Art zu malen befür-
wortete. Man könnte, wenn man dies liest, glauben,
mitten in unsere modernen Kämpfe versetzt zu sein.
Von Jan Griffier sagt er: „Sehi frühe schon erfaßte
er, daß die lichte Weise im besondeien bei Landschaften
preiswürdig sei und er verftand es, die Manier Lingel-
bachs und van der Veldes so nachzuahmen, daß sein
Meister, der stets etwas braun malte, oft zu ihm sagte:
„Ich sehe wohl, wo du gewesen bift/"

° Loubraken, S. ZZZ.

^ Derselbe, S. 217.

^ Daß die meisten der Bilder, die aus uns gekommen sind, viel
heller waren, dürfen wir ruhig annehmen, da gerade die Hellig-
keit durch das Nestaurieren die stärkste Einbuße zu erlciden pflegt.

b Houbraken, S. 211.

' Derselbe, S. 207.

8 Jm Ausammenhang damit steht wohl auch die etwas
stiefmütterlichc Behandlung, die H. Jacob von Nuisdael zuteil
werden läßt, der nicht zu den Hellmalern gehörte und den er
eigentlich nur als Maler des Waffers gelten läßt.

^ Houbraken, S. 42 b.

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