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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0006
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"'■■"

Prol

e ff o m e n a.

Der nächtliche Himmel zeigt neben den glanzvollen Wundern der
Gestirne mattschimmernde Nebelstellen, — entweder alte, erstorbene, im
All zerstobene Systeme, oder erst um einen Kern sich gestaltender Welt-
dunst, oder ein Zustand zwischen Zerstörung und Neugestaltung.

Sie sind ein passendes Analogon für ähnliche Erscheinungen am
Gesichtskreise der Kunstgeschichte, auf Zustände des Uebergangs einer
Kunstwelt in das Gestaltlose und gleichzeitig auf die Phase sich vor-
bereitender Neugestaltung einer solchen hinweisend.

Diese Erscheinungen des Verfalls der Künste und der geheimniss-
vollen Phönixgeburt neuen Kunstlebens aus dem Vernichtungsprozesse
des alten sind für uns um so bedeutungsvoller, als wir uns wahrschein-
lich mitten in einer Krisis, wie die angedeutete, befinden, nach allem
was sich von uns, die wir des Standpunktes und der Uebersicht über
dieselbe entbehren, weil in ihr lebend, darüber urtheilen und ver-
muthen lässt.

Wenigstens findet dieser Glaube viele Anhänger, und es fehlt auch
in Wahrheit nicht an Anzeichen zu dessen Bestätigung, von denen ur
das Einzige noch ungewiss bleibt, ob sie Anzeichen eines auf tiefer-
liegenden socialen Ursachen begründeten allgemeinen Verfalls sind oder
ob sie auf sonst gesunde Zustände hinweisen, die nur zeitweilige Ver-
wirrung auf dem Gebiete derjenigen Fähigkeiten des Menschen veran-
lassen, die sich in dem Erkennen und Darstellen des Schönen bethätigen,
und die sich früher oder später zum Heile und zur Ehre der Menschheit
auch nach dieser Seite hin glücklicher gestalten werden.

Die erstgenannte Hypothese . ist tröstlos ,und unfruchtbar, weil
sie dem Künstler, der ihr huldigt, jeglichen Halt bei seinem Streben
versagt; denn eine zusammenstürzende Kunstwelt zu stützen, dazu sind
eines Atlas Kräfte zu sehwach; — sich darauf beschränken das Morsche
 
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