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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0174
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KLASSISCHER FILM

Neue Filme sind uns sehr vonnöten.
Stoffe sucht man, die die Welt umspannen,
und um Größtes gleich aufs Zelluloid zu bannen
richtet man die Kamera auf Goethen.

Diese Nachricht kommt, damit das klar ist,
aus Berlin, ein Zeichen, daß sie wahr ist!
(Denn dort lügt man nicht, seit Goebbels tot ist
und ein großer Teil der Presse rot ist!)

Bald schon dreht man, wird berichtet.
Nun, so denkt man, ein bewegtes Leben
wird schon achtzehnhundert Meter Film ergeben,
auch wenn man auf happy-ends verzichtet.
Dialoge liefern jeder Sorte

die Gespräche Eckermanns und Büchmanns „Worte"

wobei dienlich, worob man sonst klagt:

daß bei Goethe alles — irgendwann — schon mal gesagt!

Doch damit der Film nicht gar zu schwer sei,

kommt es ganz auf die Besetzung an:

In Hans Albers fand sich gleich der Mann

für die Rolle Goethes — und damit das Haus nicht leer sei.

Johann Wolfgang werden all die Schönen

in Hans Albers neu und heiß verwöhnen

und im Kino lernt es jedes Kind:

Goethe war identisch mit Peer Gynt!

Liliom singt nicht mehr: „Komm her Lu-ise!" —
halt die Schaukel mitten auf im Schwung —
zum Geheimrat ist's ein Katzensprung —
und in Weimar klingts wie auf der Rummelwiese:
„Liebst du mich, Hans Goethe — Wolf gang Albers — is

ja schnuppe!

Lilly, Käthchen, Rikchen, Lotte — ach, wat sag ich —

Puppe — Puppöh — Puppe —I"

Horch, im Song rauscht kongeniales Blut,

Klassisch sei der Mensch — und blond — und gut! Kriz.

ABSTRAKTES

m

Der Maler X. hatte von der Frau im 3. Stock eine aus-
genommene Taube geschenkt bekommen. Drei Tage spä-
ter bereitete er sich damit einen frugalen Sonntagsbra-
ten. Gegen 4 Uhr nachmittags wurde ihm etwas übel,
und sein Gemüt begann sich zu verfinstern. Er wurde
von einer wachsenden Schwermut befallen, und da er
ein produktiver Künstler war, griff er zum Pinsel, um
diesen eigentümlichen Seelenzustand gewissenhaft für
die Nachwelt festzuhalten. Ein paat düstere Flächen
gaben die Grundstimmung, einige Linien und Kreise
drückten seine körperliche Ermattung aus. Die Kontur
eines Busens kam ihm wie von ungefähr unte- die Feder,
als er an seine Freundin Nelly dachte; dabei packte ihn
wütende Eifersucht, die in Abscheu ausartete und ihren
Niederschlag in einem knallroten Fleck fand. Durch
diese Erregung kam er ins Schwitzen, einige Schweiß-
tropfen fielen auf das Papier und verwischten die fri-
schen Tuschelinien. Einen Augenblick dachte er weh-
mütig an eine Zigarette, die er nicht mehr hatte, und
die Sehnsucht nach etwas Rauchbarem ließen eine zart-
blaue Fläche entstehen. Das Gefühl seiner Armut stei-
gerte sich mit zunehmender Übelkeit zu einem bohren-

den Menschenhaß, und er packte schweißtriefend seine
ganze Menschheitsverachtung in dieses Bild. Um 6 Uhr
war das Werk vollendet. Er betrachtete es, fand es gut
und nannte es „Die Taube". Daraufhin übergab er sich
und mußte sich niederlegen.

Wenige Tage später erschien in der Presse folgender
Bericht: „Wieder hat uns X. mit einer neuen Schöpfung
beschenkt, in der er sich in seinem revolu.ionären Elan
selbst zu übertreffen scheint. Die Taube, so heißt dieses
Werk, ist in seiner präzisen, klaren Detaillierung und
der schon fast photogrammetrischen Exaktheit der Inter-
pretation seiner Sentiments ein wahres Chef d'oeuvre.
Er wirft hier quattrocentistisch ein leicht pervertiertes
Scharlachrot auf ein hartes Braun, läßt lichten Ocker auf
ein azurenes Blau prallen und pointilliert in astüciöser
Weise einen bleigrauen Grund mit einem schwefligen
Gelb. Wir fühlen vor diesem Werke so richtig die Stim-
mung, die ihm zugrundeliegt, jene Friedenssehnsucht
— die sich ja auch in dem Titel verrät — bedroht durch
die düsteren, grauen Flächen des sich nur langsam ver-
ziehenden Kriegsgewitters. Der ganze Optimismus und
die vitale Nostalgie unseres Meisters offenbaren sich in

dem zarten Azur imminenter Glückhaftigkeit, die die
braune Masse zu Boden drückt und in dem voisinieren-
den Scharlachrot bereits die ardente Menschenliebe auf-
zeigt, die nach dem welternährenden Busen divinen
Seins hinstrebt, alle chagrinierenden Tränen überstande-
ncr Gram — deren Spuren auf dem Bilde unverkennbar
sind — weit hinter sich zurücklassend. Die wuchtig aus-
ladenden Bögen und Linien verraten uns den eminenten
Lebenswillen und die Sehnsucht nach einer universellen
Nächstenliebe. So haben wir gerade in der „Taube"
wieder einen eklatanten Beweis bekommen, wie unend-
lich viel uns die „Abstrakten" in ihrer klaren Sprache zu
sagen haben und daß der Tort zweifellos bei den ad-
versären Konzeptionen zu suchen ist." M. Schrimpf

Der Amtsschimmel galoppiert

Dem Reporter einer Berliner Zeitung passierte kürzlich
der schwerwiegende Fehler, das „Hauptamt für Aufbau-
Durchführung" nur als „Amt für Aufbauplanung" zu
bezeichnen. Deshalb macht die Dienststelle ihn auf die
Ungenauigkeit der Anschrift aufmerksam und teilt die
richtige Anschrift wie folgt mit:

Der Magistrat der Stadt Berlin
Abt. für Bau- und Wohnungswesen
Hauptamt für Aufbau-Durchführung
Bauwirtschaftliches Referat
Nachrichtenwesen
H. A. V. — 421 — Dr. Stf./He.
Na also, es wird doch tüchtig gebaut, und wenn es an
einer Anschrift ist. Eine sechsstöckige Anschrift ist immer-
hin eine architektonische Leistung. Wie stattlich werden
dann die kommenden Bauten werden? Hoffentlich nicht
nur ein Stockwerk hoch. Wie werden sich die Hand-
werker, die ihren geschäftlichen Briefwechsel mit diesem
Hauptamt selbst schreiben, freuen, Aufbau leisten zu
können, und wenn es auch vorerst an der sechsstöckigen
Anschrift ist. Aga

Das Porträt

Paul Wegener war neulich in Bad Heilbrunn zur Kur.
Wegener war das große Ereignis von Heilbrunn. Ein
Herr kam zufällig in eine Badezelle, die Wegener ge-
rade verlassen hatte. Die Bademeisterin war noch ganz
erfüllt von dem künstlerischen Erlebnis.Wegenern baden
geholfen zu haben. Sie wies auf die Bank mit einem
nassen Fleck und sagte: „Hier ist eben Paul Wegener
gesessen." Der Herr betrachtete sinnend den Abdruck
des nassen Künstlers,, dann rief er: „Sehr ähnlich, sehr
ähnlich, wie aus dem Gesicht geschnitten!" To.

AUS DEM KUNSTLEBEN

Wie wir erfahren, soll sich Prof. Richard Klein gegen-
wärtig mit der Umarbeitung seinei Plakette zum „Reichs-
parteitag des Sieges 1940" beschäftigen, von der nur drei

Exemplare geschaffen wurden. Er beabsichtigt, die Neu-
fassung als Ulla auf der Exportschau zu vertreiben, um
sich auf diese Weise für das entgangene Honorar schad-
los zu halten.

Hannes König

DAS NEUE BUCH
Johannes R. Becher: Die Hohe Warte

Aufbau-Verlag. Berlin 1946

Noch niemals in der Geschichte hat sich die Umwertung aller
Werte so unvermittelt vollzogen, die Fr.igwürdigkeit alles heute
Bestehenden so beispielhaft erwiesen, als in den Jahren unserer
Zeit, überblickt man sie, so wird man nur schwer ein \X. ort finden,
das ihrem wechselvollen Gesich eine gültige Deutung geben
könnte. Tastend teils, teils mit kühnem Zugriff haben Kunst und
Dichtung versucht, die Flüchtigkeit vielgestaltiger hrscheinungen
zu beschwören und Beharrendes zu sammeln Nur Wenigen gelang
dies, jenen Auserlesenen, die der verwitrenden Umwelt entrückt,
von hoher Warte aus die chaotisch brodelnde Welt zu überblicken
vermögen. Der Dichter Johannes Becher hat den Weg zu dieser
Wartegefunden Aus dem Vorwoitzu seiner Deutschland-Dichtung
klingt uns die hoffnungsfrohe Verkündigung: ,,Von der Hohen
Warte solcher Gipfel aus, von Friedenswarten und Freiheitswarten,
wird sowohl der Weg erkennbar, der in den Abgrund führt, an
auch deutlich Sichtbarwerden die 'Linien des Lebens', wo diese
wieder zu Gipfeln ansteigen. U enn unten Wolken sich ballen und
Nebel gespenstern, erhebt uns Gewißheit des Sieges und Sicht
auf große Tage und — Horizontrand glüht im Frünrot! . . ." Sei
auch du, Deutschland-Dichtung ein Flammenzeichen von Hoher
Warte! J. IV

Washington Irving: Rip van Winkle

Aegis-Verlag (Zweisprachenlehre). Ulm 1946

Der Aegis-Verlag hat es sich zur dankenswerten Aufgabe gemacht,
in einer fortlaufenden Reihe von Einzelheften wertvolle Werke der
Weltliteratur in der Ursprache zu vermitteln und durch die bei-
gegebene deutsche Ubersetzung auch jenem die Lektüre zu ermög-
lichen der die Fremdsprache nicht in vollem Maße beherrscht. So
dienen diese Hefte zweierlei Zwecken, und schon das erste erfüllt
sie in erfreulichster Weise. Die phantastische Geschichte vom ameri-
kanischen Kolonisten Rip van Winkle darf als Meisterstück einer be-
haglichen und stofflich doch erregenden Erzählerkunst gelten. Die
Ubersetzung des englischen Originaltextes in die deutsche Sprache
ist formvollendet, womit auch der andere Teil der Aufgabe, die
Sprachlehre unterhaltsam zu gestalten, in glücklicher Weise gelöst
ist. Als weitere Hefte werden folgen: In Engl isch - Deutsch
„Der goldene Skarabäus" (Edgar Allan Poe). „ Die Malachi Bucht"
(Trollope). In Französisch-Deutsch „Menuett", „Mein Onkel
Julius" (Maupassant), „Der kleine Kaminfeger" (Daudet). J.W.

Verlag: »DER SIMPLc (Freitag-Verlag),München 23, Werneck-
straßelöa — VerantwortlicherHauptschriftleiter: W.E. Frei tag,
Stellv,: J. Gutbrod — Schriftleitung: München 23, Werneck-
straße 15a, Fernruf: 362072 — Sprechstunden: Dienstag, Donners-
tag und Samstag jeweils von 9—12 Uhr — Druck: Münchner
Graph. Kunstanstalten (aus F. Bruckmann), München 2 - Copyright
by Freitag-Verlag 1946 — Published under Military Government
I.Information Control Licence No. US-E-148

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem Kunstleben"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
König, Hannes
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Der Simpl, 1.1946, Nr. 14, S. 174.

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