E. Willmann
DON QUICHOTTE
WACHSENDES POLITISCHES INTERESSE
„Ja, um wieder auf Politik zurückzukommen:
Neskaffee steht jetzt schon zwohundertfuffzig."
BITTERE WAHRHEITEN
Wenn ich die Nationen im Krieg erblicke, so ist es, als ob
ich besoffene Kerle sehe, die sich im Porzellanladen mit
Knüppeln herumschlagen. Denn nicht genug damit, daß sie
an den Beulen lange zu heilen haben, so müssen sie hin-
terher noch allen Schaden bezahlen, den sie anrichteten.
David Hume
Was die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen, sind
meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.
Schopenhauer
Ist es nicht sonderbar, daß die Menschen so gern für die
Religion fechten und so ungern nach ihren Vorschriften
leben? Christoph Lichtenberg
Der frühere Stahlhelmer und Deutschnationale
Paul Ritter hat beim Kontrollrat die Zulassung
einer freikonservativen demokratischen Reichspar-
tei beantragt. Ein Ritter von der traurigen Gestalt.
Fürwahr. Er ließ die Katze, die das Mausen nicht
läßt, aus dem Sack bzw. den wohlkonservierten
Geist von Potsdam frei. Seine Freikonservative
ist gleichzeitig auch die einzige Tiefe, die seiner
Idee zugebilligt werden kann. Auf den Zusatz „so-
zial" verzichtete er großmütig, obwohl es auf d i e
drei Silben bestimmt auch nicht mehr angekommen
wäre. Wir haben's ja,
Er wird wissen, warum er ihn wegließ: Damit
niemand auf den Gedanken kommt, es könnten
etwa soziale oder gar sozialistische Tendenzen in
diesem Verein obwalten. In dieser famosen „Reichs-
partei", die (da es ja ein Reich zur Zeit nicht
gibt), doch wohl nur eine Partei der Reichen sein
soll. Uns reicht's!
Wir hoffen, daß der Kontrollrat Paul, dem unedlen
Ritter, eins gegen den Stahlhelm knallen wird, daß
ihm alle deutschnationalen Gesichtszüge entgleisen!
F.D.R.P., das hat uns gerade noch gefehlt. Front
des reaktionären Pöbels! Der (Ritter)-Schlag soll
sie treffen! H.Hartwig
EINE GUTE IDEE
Wenn man die Schieber and Schwarzhändler wirk-
lich erwischen will, braucht man bloß die Marken
abzuschaffen. — Die Ueberlebenden wären die
Gesuchten.
PREISAUSSCHREIBEN
Das internationale Zentralinstitut für wissen-
schaftliche Forschung (Los Angeles) hat soeben
die Bedingungen für ein mit hunderttausend Dol-
lars ausgestattetes Preisausschreiben veröffentlicht,
mit dem man versuchen will, ein besonders rätsel-
haftes Phänomen zu klären. Zum erstenmal kön-
nen sich auch wieder deutsche Gelehrte beteiligen.
Das Thema lautet: „Warum halten sich die füh-
renden bayerischen Sozialdemokraten eigentlich
noch für Sozialisten?" Ketzer
STAATSFEINDLICHE MUSIK
Familie S. wohnte in Haus Nr. 20.
Er war ein berühmter deutscher Universitätsprofes-
sor der Botanik, Stock-Demokrat, und ein Gegner
der Partei und allem, was mit ihr. zusammenhing.
Er war einer der wenigen, bei dem ständig die aus
dem Amt entlassenen jüdischen Kollegen ein und
aus gingen, und seine Frau, eine Nordamerikanerin,
machte weißgott kein Hehl daraus, was sie
über Hitler dachte. Ich meine, das wären Gründe
genug, um sie unter den damaligen Verhältnissen
als absolut „staatsgefährlich" hinzustellen.
In den Nachbarwohnungen wohnten Nazis.
Als sich eines Tages die Kinder von S. damit ver-
gnügten, ihre erworbenen Kenntnisse im Klavier-
spiel in einem Flohwalzer zum Besten zu geben,
hielten sie es für ihre verdammte Pflicht, zum
Telephon zu greifen und ungefähr folgendes Ge-
spräch zu führen:
„Hallo, hier ist X. Ich als Nationalsozialist möchte
mir doch ganz entschieden verbitten, daß in Ihrer
Wohnung zum wiederholten Male der jüdische
Salomä-Walzer gespielt wird." Dann warf er den
Hörer in die Gabel. Frings-Schreiber
SIMPLSURIUM
Im Juli 1944 wollte ich in München den Heiligen
Konrad kaufen. Natürlich als Figur. Weil Weiß
Ferdl geschrieben hatte, er habe ihn persönlich
gekannt. Nirgends ein Heiliger Konrad,
In dem Geschäft neben der Frauenkirche meinte
die Verkäuferin, und sie schien arg gekränkt:
„Heilige dürfen nicht mehr hergestellt werden."
Deutsche Gebirgsjäger lagen bei Villach in den
Bergen. Arg von Durst gequält, stiegen sie zu
einer Sennhütte und bettelten um Milch.
„Uma sechse kennen s' woiche harn", antwortete
die Magd. ,,Uma vieri kemma de Partisanen und
hol'n de ihre."
*
Unser RundUlnkprogramm sah 1944 etwa so aus:
Dr. Scharling und Dr. Otto Kricgk — Allerlei von
2 bis 3 an 3 bis 4 Flügeln —
Beschwingte Weisen zum Wochenend mit Richt-
strahler nach dem neu geordneten Europa —
Dr. Toni Maus — Dies und Das für Euch zum
Schmaus — Gesamtzusammenstellung von Konter-
admiral Karl Pauspertl —
Ueber dem Reichsgebiet befindet sich kein eigener
Kampf-Verband —
Frohe Klänge zur Werkpause brachte una die Ka-
pelle Jan Hoffmann unter der Stabführung von
Willy Steiner —
Mit dem Gongschlag ein fröhliches Kunterbunt im
Dreivierteltakt mit Hinweisen zum Sammeln von
Heilkräutern —
Der Großsprecher des großdeutschen Reichsrund-
funks verlas einen Reichsaufsatz, den Reichsmi-
nister Dr. Dingsbums in der neuen Reichsnummer
der großdeutschen Wochenzeitung „Das Reich"
veröffentlicht —
Bis zur Marschmusik hören Sie Marschmusik.
Manchmal drang auch eine Stimme aus dem Laut-
sprecher: „Unsere Musik am Morgen ist beendet.'
So erfuhr man, daß es Musik gewesen war. ich
LARGO LAMENTOSO
Kyary
„Nun lebe wohl . . ., es war' zu schön gewesen —
Es ist so kalt, es hat nicht sollen sein . . .!'"
Allzu schönen Masken ins Stammbuch
Man sieht seit Jahren sehr viel Maskerade,
obgleich der Fasching nur von kurzer Frist.
Drum wird es auf die Dauer reichlich fade,
wenn jeder anders scheinen möchte, als er ist.
So gibt es beispielsweise Demokraten,
die nicht mit Brustton nur, nein, schon mit Bauchton schrei'nl
Doch kratzt man etwas an den frischen weißen Putz-Fassaden,
trifft man bald auf den alten, harten, braungebrannten Stein.
Warum nur quält Ihr Euch so, meine Besten,
indem Ihr scheinbar neue Töne wild und machtvoll schnaubt?
Seid glücklich, Ihr „Nicht-mehr-Hineingepreßten",
daß man Euch Eure Unschuld mangelnder Beweise wegen glaubt.
Nun blast nicht, was in Wahrheit euch nie brannte,
geht nicht mit Euresgleichen überheblich ins Gericht!
Man schenkt' Euch eine Maske, eh' man Euch erkannte:
den weißen Fragebogen.
Nehmt ihn — doch bitte möglichst lautlos — vors Gesicht!
E. H.
20
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DON QUICHOTTE
WACHSENDES POLITISCHES INTERESSE
„Ja, um wieder auf Politik zurückzukommen:
Neskaffee steht jetzt schon zwohundertfuffzig."
BITTERE WAHRHEITEN
Wenn ich die Nationen im Krieg erblicke, so ist es, als ob
ich besoffene Kerle sehe, die sich im Porzellanladen mit
Knüppeln herumschlagen. Denn nicht genug damit, daß sie
an den Beulen lange zu heilen haben, so müssen sie hin-
terher noch allen Schaden bezahlen, den sie anrichteten.
David Hume
Was die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen, sind
meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.
Schopenhauer
Ist es nicht sonderbar, daß die Menschen so gern für die
Religion fechten und so ungern nach ihren Vorschriften
leben? Christoph Lichtenberg
Der frühere Stahlhelmer und Deutschnationale
Paul Ritter hat beim Kontrollrat die Zulassung
einer freikonservativen demokratischen Reichspar-
tei beantragt. Ein Ritter von der traurigen Gestalt.
Fürwahr. Er ließ die Katze, die das Mausen nicht
läßt, aus dem Sack bzw. den wohlkonservierten
Geist von Potsdam frei. Seine Freikonservative
ist gleichzeitig auch die einzige Tiefe, die seiner
Idee zugebilligt werden kann. Auf den Zusatz „so-
zial" verzichtete er großmütig, obwohl es auf d i e
drei Silben bestimmt auch nicht mehr angekommen
wäre. Wir haben's ja,
Er wird wissen, warum er ihn wegließ: Damit
niemand auf den Gedanken kommt, es könnten
etwa soziale oder gar sozialistische Tendenzen in
diesem Verein obwalten. In dieser famosen „Reichs-
partei", die (da es ja ein Reich zur Zeit nicht
gibt), doch wohl nur eine Partei der Reichen sein
soll. Uns reicht's!
Wir hoffen, daß der Kontrollrat Paul, dem unedlen
Ritter, eins gegen den Stahlhelm knallen wird, daß
ihm alle deutschnationalen Gesichtszüge entgleisen!
F.D.R.P., das hat uns gerade noch gefehlt. Front
des reaktionären Pöbels! Der (Ritter)-Schlag soll
sie treffen! H.Hartwig
EINE GUTE IDEE
Wenn man die Schieber and Schwarzhändler wirk-
lich erwischen will, braucht man bloß die Marken
abzuschaffen. — Die Ueberlebenden wären die
Gesuchten.
PREISAUSSCHREIBEN
Das internationale Zentralinstitut für wissen-
schaftliche Forschung (Los Angeles) hat soeben
die Bedingungen für ein mit hunderttausend Dol-
lars ausgestattetes Preisausschreiben veröffentlicht,
mit dem man versuchen will, ein besonders rätsel-
haftes Phänomen zu klären. Zum erstenmal kön-
nen sich auch wieder deutsche Gelehrte beteiligen.
Das Thema lautet: „Warum halten sich die füh-
renden bayerischen Sozialdemokraten eigentlich
noch für Sozialisten?" Ketzer
STAATSFEINDLICHE MUSIK
Familie S. wohnte in Haus Nr. 20.
Er war ein berühmter deutscher Universitätsprofes-
sor der Botanik, Stock-Demokrat, und ein Gegner
der Partei und allem, was mit ihr. zusammenhing.
Er war einer der wenigen, bei dem ständig die aus
dem Amt entlassenen jüdischen Kollegen ein und
aus gingen, und seine Frau, eine Nordamerikanerin,
machte weißgott kein Hehl daraus, was sie
über Hitler dachte. Ich meine, das wären Gründe
genug, um sie unter den damaligen Verhältnissen
als absolut „staatsgefährlich" hinzustellen.
In den Nachbarwohnungen wohnten Nazis.
Als sich eines Tages die Kinder von S. damit ver-
gnügten, ihre erworbenen Kenntnisse im Klavier-
spiel in einem Flohwalzer zum Besten zu geben,
hielten sie es für ihre verdammte Pflicht, zum
Telephon zu greifen und ungefähr folgendes Ge-
spräch zu führen:
„Hallo, hier ist X. Ich als Nationalsozialist möchte
mir doch ganz entschieden verbitten, daß in Ihrer
Wohnung zum wiederholten Male der jüdische
Salomä-Walzer gespielt wird." Dann warf er den
Hörer in die Gabel. Frings-Schreiber
SIMPLSURIUM
Im Juli 1944 wollte ich in München den Heiligen
Konrad kaufen. Natürlich als Figur. Weil Weiß
Ferdl geschrieben hatte, er habe ihn persönlich
gekannt. Nirgends ein Heiliger Konrad,
In dem Geschäft neben der Frauenkirche meinte
die Verkäuferin, und sie schien arg gekränkt:
„Heilige dürfen nicht mehr hergestellt werden."
Deutsche Gebirgsjäger lagen bei Villach in den
Bergen. Arg von Durst gequält, stiegen sie zu
einer Sennhütte und bettelten um Milch.
„Uma sechse kennen s' woiche harn", antwortete
die Magd. ,,Uma vieri kemma de Partisanen und
hol'n de ihre."
*
Unser RundUlnkprogramm sah 1944 etwa so aus:
Dr. Scharling und Dr. Otto Kricgk — Allerlei von
2 bis 3 an 3 bis 4 Flügeln —
Beschwingte Weisen zum Wochenend mit Richt-
strahler nach dem neu geordneten Europa —
Dr. Toni Maus — Dies und Das für Euch zum
Schmaus — Gesamtzusammenstellung von Konter-
admiral Karl Pauspertl —
Ueber dem Reichsgebiet befindet sich kein eigener
Kampf-Verband —
Frohe Klänge zur Werkpause brachte una die Ka-
pelle Jan Hoffmann unter der Stabführung von
Willy Steiner —
Mit dem Gongschlag ein fröhliches Kunterbunt im
Dreivierteltakt mit Hinweisen zum Sammeln von
Heilkräutern —
Der Großsprecher des großdeutschen Reichsrund-
funks verlas einen Reichsaufsatz, den Reichsmi-
nister Dr. Dingsbums in der neuen Reichsnummer
der großdeutschen Wochenzeitung „Das Reich"
veröffentlicht —
Bis zur Marschmusik hören Sie Marschmusik.
Manchmal drang auch eine Stimme aus dem Laut-
sprecher: „Unsere Musik am Morgen ist beendet.'
So erfuhr man, daß es Musik gewesen war. ich
LARGO LAMENTOSO
Kyary
„Nun lebe wohl . . ., es war' zu schön gewesen —
Es ist so kalt, es hat nicht sollen sein . . .!'"
Allzu schönen Masken ins Stammbuch
Man sieht seit Jahren sehr viel Maskerade,
obgleich der Fasching nur von kurzer Frist.
Drum wird es auf die Dauer reichlich fade,
wenn jeder anders scheinen möchte, als er ist.
So gibt es beispielsweise Demokraten,
die nicht mit Brustton nur, nein, schon mit Bauchton schrei'nl
Doch kratzt man etwas an den frischen weißen Putz-Fassaden,
trifft man bald auf den alten, harten, braungebrannten Stein.
Warum nur quält Ihr Euch so, meine Besten,
indem Ihr scheinbar neue Töne wild und machtvoll schnaubt?
Seid glücklich, Ihr „Nicht-mehr-Hineingepreßten",
daß man Euch Eure Unschuld mangelnder Beweise wegen glaubt.
Nun blast nicht, was in Wahrheit euch nie brannte,
geht nicht mit Euresgleichen überheblich ins Gericht!
Man schenkt' Euch eine Maske, eh' man Euch erkannte:
den weißen Fragebogen.
Nehmt ihn — doch bitte möglichst lautlos — vors Gesicht!
E. H.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Wachsendes politisches Interesse" "Largo lamentoso"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 2, S. 20.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg