SPRUCHKAMMERN SIND DER TREFFPUNKT
DER GROSSEN WELT
Herr von Papen hat vor der seinen erklärt, von nun an
keinerlei Auskünfte mehr zu geben, sondern sich in
tiefes Schweigen zu hüllen, weil man Zweifel an seiner
Glaubwürdigkeit gezeigt habe, Hätte er doch diese zart-
fühlende Empfindlichkeit schon früher gezeigt, er hätte
schon seit langen Jahren Grund zum Schweigen gehabt!
Hans Fritzsche, der charmante Radioplauderer der vor-
letzten Jahre, warf den Entnazifizierungsmethoden vor,
daß sie darauf abzielten, „die Kleinen zu hängen und
die Großen laufen zu lassen". Damit beantragte er jedoch
nicht, wie ein naiver Hörer hätte meinen können, auf-
gehängt zu werden, sondern seine Einreihung in die Gruppe
der Minderbelasteten. Nana, Kleiner. . . alle Leute haben
doch kein so schlechtes Gedächtnis, wie Herr Oskar
von Hindenburg!
Unter den vielen als Hauptschuldige eingestuften
Idealisten nimmt Herr Professor Hofmann, der Fürst
der NS-Bildberichterstatter, einen besonderen Platz ein:
er diente, so sagte er, ausschließlich der Kunst. Daß
er dabei auch noch neun Millionen verdiente, beweist
nur, daß er der holden Göttin mit besonderem Eifer
zu Diensten war.
Dr. Fromm, der bisherige stellvertretende Leiter der
Oberbetriebsleitung der Eisenbahnen der amerikanischen
Zone, wurde nunmehr in die Bewährungsgruppe der
Minderbelasteten eingereiht. Ja, ja, es kann der
Frömmste nicht in Frieden leben, mag Dr. Fromm ge-
dacht haben, als er aufs Abstellgleis geschoben wurde.
WASSER STATT ZAHNPASTE
Lippenstifte gibt es überall, übergenug. Alle anderen
Schönheitsmittelchen auch. Preis Nebensache! Aber Zahn-
paste, ganz gewöhnliche Zahnpaste? Nirgends! Es sei
denn, . . . dann gelegentlich mal, unter dem Ladentisch
hervor. — ,Alte Bestände'! ■•
,,Ja, die Geschäftsleute!" werden Sie sagen, aber der
Haken steckt höher, schon beim Preiskommissar.
Als kürzlich ein Fabrikant den Verkaufspreis für eine
Tube Zahnpaste mit 90 Pfennigen genehmigen lassen
wollte — Gebrauchsartikel unterliegen im Gegensatz zu
den Luxusartikeln der Preisfestsetzung — entschied der
hohe Kommissar lakonisch: „Wenn Sie's für sechzig
Pfennige nicht herstellen können, dann lassen Sie's eben.
Die Leute sollen sich die Zähne mit Wasser putzen! '
KLEINE NACHRICHT EN
BUCKELHUPF: Nach einer Verordnung des dortigen
Gesundheitsamtes darf die Abgabe von Insulin in Zu-
kunft nur noch an Zuckerkranke erfolgen, wobei Dia-
betikern der Vorzug zu geben ist. Ein Sonderaufruf
für Selbstversorger erfolgt nicht.
BERLIN: In den geschmackvoll renovierten Räumen
der „Midinette" am Schlesischen Bahnhof wurde eine
Schau neuartiger Laufmaschen eröffnet. Das „Haus
für An- und Verkauf" am Kurfürstendamm veranstal-
tet die 6000. Ausstellung junger Kunst, die eine Zu-
sammenstellung gelungener Nachahmungen von Ma-
net, Liebermann und sogar Picasso bietet.
NEUBURG A. K.: Nach einer Bekanntmachung des
Bürgermeisters sind alle Versorgungsberechtigten und
Inhaber von Seifenkarten mit dem Aufdruck „Schmutz
hält warm", sowie alle Jugendlichen, die am 1. 1. 1903
das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, bis dahin
aber mit dem durch Aufruf des gelben Abschnittes
auf der blauen Normalverbraucherkarte der 71. Zu-
teilungsperiode zugewiesenen Christbaum noch nicht
beliefert worden sind, berechtigt, denselben bis Pfing-
sten 1947 nachzubeziehen. Wahlweise kann nach Maß-
gabe der bei den Kleinverteilern vorhandenen Be-
stände nichts im Verhältnis von eins zu zwei oder
tiefgekühlte Frischluft unter Abtrennung von je zwei
halben Abschnitten der Raucherkarte für Magen-
kranke abgegeben werden.
FRANKFURT: Ein Ausschuß von Ernährungsphysiolo-
gen befaßt sich gegenwärtig mit der Erforschung
eines seltsamen Phänomens. Es handelt sieh um einen
dreißigjährigen, gesund aussehenden und stets fröh-
lichen Mann, der von sich behauptet, daß er nur von
dem lebt, was er auf seine Lebensmittelkarte be-
kommt. Alfred P. Hora
DAS ROTE TUCH
C. Sturtzkopf
Der Stier, der lang auf rot dressiert,
wird noch vom alten Haß verführt.
Um ihn von andrem abzulenken,
genügt's, ein rotes Tuch zu schwenken.
„Das ist der Feind
der schlachtet dich
der will dein Brot —
den mach' schön tot!"
Er sticht — und steckt im Dreck so tief
und merkt zu spät: „Da ging was schief!"
Wer lächelt drob mit stillem Hohn?
Der Matador — die Reaktion!
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DER GROSSEN WELT
Herr von Papen hat vor der seinen erklärt, von nun an
keinerlei Auskünfte mehr zu geben, sondern sich in
tiefes Schweigen zu hüllen, weil man Zweifel an seiner
Glaubwürdigkeit gezeigt habe, Hätte er doch diese zart-
fühlende Empfindlichkeit schon früher gezeigt, er hätte
schon seit langen Jahren Grund zum Schweigen gehabt!
Hans Fritzsche, der charmante Radioplauderer der vor-
letzten Jahre, warf den Entnazifizierungsmethoden vor,
daß sie darauf abzielten, „die Kleinen zu hängen und
die Großen laufen zu lassen". Damit beantragte er jedoch
nicht, wie ein naiver Hörer hätte meinen können, auf-
gehängt zu werden, sondern seine Einreihung in die Gruppe
der Minderbelasteten. Nana, Kleiner. . . alle Leute haben
doch kein so schlechtes Gedächtnis, wie Herr Oskar
von Hindenburg!
Unter den vielen als Hauptschuldige eingestuften
Idealisten nimmt Herr Professor Hofmann, der Fürst
der NS-Bildberichterstatter, einen besonderen Platz ein:
er diente, so sagte er, ausschließlich der Kunst. Daß
er dabei auch noch neun Millionen verdiente, beweist
nur, daß er der holden Göttin mit besonderem Eifer
zu Diensten war.
Dr. Fromm, der bisherige stellvertretende Leiter der
Oberbetriebsleitung der Eisenbahnen der amerikanischen
Zone, wurde nunmehr in die Bewährungsgruppe der
Minderbelasteten eingereiht. Ja, ja, es kann der
Frömmste nicht in Frieden leben, mag Dr. Fromm ge-
dacht haben, als er aufs Abstellgleis geschoben wurde.
WASSER STATT ZAHNPASTE
Lippenstifte gibt es überall, übergenug. Alle anderen
Schönheitsmittelchen auch. Preis Nebensache! Aber Zahn-
paste, ganz gewöhnliche Zahnpaste? Nirgends! Es sei
denn, . . . dann gelegentlich mal, unter dem Ladentisch
hervor. — ,Alte Bestände'! ■•
,,Ja, die Geschäftsleute!" werden Sie sagen, aber der
Haken steckt höher, schon beim Preiskommissar.
Als kürzlich ein Fabrikant den Verkaufspreis für eine
Tube Zahnpaste mit 90 Pfennigen genehmigen lassen
wollte — Gebrauchsartikel unterliegen im Gegensatz zu
den Luxusartikeln der Preisfestsetzung — entschied der
hohe Kommissar lakonisch: „Wenn Sie's für sechzig
Pfennige nicht herstellen können, dann lassen Sie's eben.
Die Leute sollen sich die Zähne mit Wasser putzen! '
KLEINE NACHRICHT EN
BUCKELHUPF: Nach einer Verordnung des dortigen
Gesundheitsamtes darf die Abgabe von Insulin in Zu-
kunft nur noch an Zuckerkranke erfolgen, wobei Dia-
betikern der Vorzug zu geben ist. Ein Sonderaufruf
für Selbstversorger erfolgt nicht.
BERLIN: In den geschmackvoll renovierten Räumen
der „Midinette" am Schlesischen Bahnhof wurde eine
Schau neuartiger Laufmaschen eröffnet. Das „Haus
für An- und Verkauf" am Kurfürstendamm veranstal-
tet die 6000. Ausstellung junger Kunst, die eine Zu-
sammenstellung gelungener Nachahmungen von Ma-
net, Liebermann und sogar Picasso bietet.
NEUBURG A. K.: Nach einer Bekanntmachung des
Bürgermeisters sind alle Versorgungsberechtigten und
Inhaber von Seifenkarten mit dem Aufdruck „Schmutz
hält warm", sowie alle Jugendlichen, die am 1. 1. 1903
das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, bis dahin
aber mit dem durch Aufruf des gelben Abschnittes
auf der blauen Normalverbraucherkarte der 71. Zu-
teilungsperiode zugewiesenen Christbaum noch nicht
beliefert worden sind, berechtigt, denselben bis Pfing-
sten 1947 nachzubeziehen. Wahlweise kann nach Maß-
gabe der bei den Kleinverteilern vorhandenen Be-
stände nichts im Verhältnis von eins zu zwei oder
tiefgekühlte Frischluft unter Abtrennung von je zwei
halben Abschnitten der Raucherkarte für Magen-
kranke abgegeben werden.
FRANKFURT: Ein Ausschuß von Ernährungsphysiolo-
gen befaßt sich gegenwärtig mit der Erforschung
eines seltsamen Phänomens. Es handelt sieh um einen
dreißigjährigen, gesund aussehenden und stets fröh-
lichen Mann, der von sich behauptet, daß er nur von
dem lebt, was er auf seine Lebensmittelkarte be-
kommt. Alfred P. Hora
DAS ROTE TUCH
C. Sturtzkopf
Der Stier, der lang auf rot dressiert,
wird noch vom alten Haß verführt.
Um ihn von andrem abzulenken,
genügt's, ein rotes Tuch zu schwenken.
„Das ist der Feind
der schlachtet dich
der will dein Brot —
den mach' schön tot!"
Er sticht — und steckt im Dreck so tief
und merkt zu spät: „Da ging was schief!"
Wer lächelt drob mit stillem Hohn?
Der Matador — die Reaktion!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Das rote Tuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 3, S. 30.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg