Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik (2.1947)

die Säue." Das Publikum schien aber die Girlanden so-
wohl den Perlen als dem Esprit des Herrn Professors
vorzuziehen und, als die Ruhe wieder hergestellt werden
konnte, war nur noch die Reklame an den Wänden zu
finden und der Redner an seinen Platz zurückgekehrt.
Als letzter sprach der bundesstaatliche Minister für
Wirtschaft in spc. Er wies auf die ernsten Schwierig-
keiten hin, mit denen die Wirtschaftsämter in den ersten
Perioden zu kämpfen gehabt hätten, und schilderte dann,
wie es diesen Instituten allmählich gelungen sei, alles zu
bewirtschaften, und sich durch eine strenge Rohstoff-
kontrolle auch noch die Aufsicht über unbewirtschaftete
Gebrauchsgüter zu sichern. In stiller und zäher Arbeit
durch viele Perioden hindurch hätten sie ein segensreiches
Werk vollbracht, wie es auf der Welt seinesgleichen
suche. (Beifall!) „Eine der genialsten Erfindungen neben
dem Markenrücklauf", so sagte der Minister, „ist wohl
das .Aufrufsystem', welches wir erst dank der Vierzonen-
cintcilung zu jenem hohen Grade der Vollkommenheit
bringen konnten, daß es eine Wissenschaft für sich ge-
worden ist."

Der Redner betonte sodann die außergewöhnliche Regel-
mäßigkeit der Perioden, die mit Recht von allen Fach-
leuten bewundert würde. Der 100. Zuteilungsperiode
komme eine doppelte Bedeutung zu. Einmal sei sie

nummernmäßig die höchste, die bis heute erreicht werden
konnte, zum anderen bedeute sie zuteilungsmäßig einen
erstaunlichen Tiefpunkt. Der Minister sprach dann über
die Zukunft und verlieh der Hoffnung Ausdruck, daß
ein weiterer Ausbau des .Aufrufsystems' bis über -acht
Perioden rückwärts, neue wesentliche Lebensmittelein-
sparungen ermöglichen werde, und daß der Versuch mit
der Raucherkarte 97—99 zu der weiteren Hoffnung be-
rechtige, durch ein. beständiges Auf und Ab der Tabak-
steuern die wertvollen Rauchwaren restlos dem Schwar-
zen Markt zuzuführen. Der Redner äußerte dann die
Vermutung, daß der Ernährungstiefststand nur noch eine
Frage der Zeit sein könne. Die Wirtschaftsämter sähen
dieser Wende mit Vertrauen entgegen und seien bereits
heute schon darauf eingerichtet, auch den Kampf mit
größeren Warenmengen aufzunehmen. Der Minister schlug
endlich vor, zur 200. Zuteilungsperiode einen Antrag auf
dauernde Beibehaltung des Markensystems einzubrin-
gen, um nicht eine Million Angestellte von heute auf
morgen brotlos zu machen. Die Schlußworte des Redners
gingen in einem orkanartigen Tumult unter.
Der rasenden Menge gelang es jedoch nur, der Schau-
packungen habhaft zu werden; die pommerschen Speck-
seiten verschwanden zu früh — hinter dem eisernen
Vorhang. M. Schtimpf

IHR TYP

O. Herrmann

,,H a c h, w i e i s t er s c h ö ö n !"

DIE BEFREIUNG

Die Luft ist Lärm, und Schüsse fallen.

Hinter Fliegergeschwadern einher

Rattert und knattert Maschinengewehr.

Die Fenster sind hohl, und die Straßen sind leer.

Kcmmandorufe schallen.

Wir lehnen im Torweg, von Schrecken benommen.

Die Truppen der Sieger sind nimmer weit.

Uns aber dünkt's eine Ewigkeit.

Wird man ims morden noch vor der Zeit?

Noch ehe sie kommen?

Näher grellen die Schüsse und nah.
Plötzlich kommt durch den dunkelnden Bogen
Einer in rasender Eile geflogen:
„Sie sind da! Sie sind da!"

Sinkender Abend und duftender Flieder.
Droben der Mond unter träumenden Sternen.
Schreiende Massen und grelle Laternen!
Mauern und Zäune treten sie nieder!

Durch der Begeist'rung allmächtigen Jubel
Dröhnen die Tanks ihr gewaltiges Lied.
Über die stöhnende Straße zieht
Endlose Kette durch Drängen und Trubel.

Lieder und Schreie! Die Fahne weht!
Händeschütteln! Mit Sturmeskraft
Schwillt es zum Himmel! Die Qual der Haft
Stirbt unter Tränen der Brüderschaft!
Sprache, die jeder versteht:

Stürmisches Freiheitsgebet! Gerty Spies

QUOD LICET NAZI, NON LICET BAZI!

In White Sands in Neu-Mexlko werden derzeit prak-
tische Versuche mit der deutschen V 2-Wunder-
waffe angestellt, die zum Teil rein wissen-
schaftlichen Zwecken dienen. Die Ameri-
kaner haben sich hierfür die Mitarbeit der promi-
nentesten deutschen Wissenschaftler zu sichern ge-
wußt, so Dr. Martin Schilling, Hauptkonstrukteur
der Instrumente der V 2, Werner von Braun, den
eigentlichen Erfinder der V 2, und Dr. Ernst Stein-
hoff, der die Fortbewegungsapparatur der V 2 schuf.

Der kleine Nazi wird entlassen,

Verliert Pension und Krankenkassen,

Wird eingesperrt und darf nicht wählen —

Indes db Kricgsverlängerer erzählen

Den Amis als beliebte Größen,

Was früher noch „Geheim" gewesen. b w.

LESESTÜCK FÜR ANFÄNGER

Der Rekrut ist ein Piefke gegen den Unteroffizier.
Der Unteroffizier ist ein Piefke gegen den Spieß.
Der Spieß ist ein Piefke gegen den Leutnant.
Der Leutnant ist ein Piefke gegen den Hauptmann.
Der Hauptmann ist ein Piefke gegen den Major.
Der Major ist ein Piefke gegen den Oberst.
Der Oberst ist ein Piefke gegen den Genera!.
Der General ist ein Herrgott gegen den Oberst.
Der Oberst ist ein Herrgott gegen den Major.
Der Major ist ein Herrgott gegen den Hauptmann,
Der Hauptmann ist ein Herrgott gegen den Leutnant.
Der Leutnant ist ein Herrgott gegen den Spieß.
Der Spieß ist ein Herrgott gegen den Unteroffizier.
Der Unteroffizier ist ein Herrgott gegen den Re-
Der Rekrut ist ein Piefke. fehlten.
*

Alles zusammen ist: der deutsche Militarismus.
*

Übung I: Übertrage das in die Vergangenheit!
Übung II: Übertrage das in die Vorvergangenheit
und laß es dovtl Hans Reimann

40