MÄRCHEN DER ZEIT:
DER PASCHA UND DER KADI
Vor vielen hundert Jahren geschah es im Wilajet Brussa
des Kleinen Asiens, daß infolge eines langen Krieges
eine gar erbärmliche Hungersnot die Menschen quälte.
Nun balgten und erschlugen sich die Armen um etliche
Hirsekörner, während die Reichen noch immer Mittel und
Wege fanden, in Ueppigkeit zu prassen. Denn es be-
standen heimliche Märkte, auf denen man für hohe Preise
jegliche Art erlesener Nahrung erhandeln konnte, und
es gab geschäftstüchtige Männer, die im großen die
Lebensmittel dorthin schoben, wo ihnen ansehnlicheT Ge-
winn winkte. Als darob das Volk zu murren begann,
befahl eines Tages der Pascha des Wilajcts den, Kadi zu
sich und sprach also zu ihm:
„Höre zu, mein Herz ist mit tiefstem Abscheu darüber
erfüllt, daß sich der Reiche den Bauch vollschlägt, die
Masse des Volkes aber am letzten Zipfelchen seines
schmalen Hungertuches naget und mählich dahinsiecht.
Voll des gerechten Zornes über diese zu Allah schreien-
den Mißstände hieß ich dich kommen, um des Rates zu
pflegen, auf welche Weise dem schmählichen Wucher ein
lasches Ende bereitet werden könne."
„Euer Abscheu, hoher Herr, ist auch der meine", stimmte
der Kadi entrüstet bei, „und ich halte dafür, daß nur die
härteste Bestrafung der Schuldigen eine Besserung herbei-
führen könne. Man sollte sie in Eisen legen und so lange
hungern lassen, bis der Mond durch ihre Wänste scheint."
„Eine allzu geringe Buße", erklärte der Pascha und strich
sich seinen langen weißen Bart, „sie wird nicht genügen,
die Hehler abzuschrecken. Ich befeh'e Euch deshalb,
arbeitet ein strengeres Gesetz aus, gemäß dessen jeder
geviertcilt werde, der sich dawider schuldig macht!"
So verfaßte denn der Kadi ein hartes Gesetz, nach dem
jedem, der mit Lebensmittel Wucher trieb, zunächst ein
Mal auf den Bauch gebrannt werden sollte und hernach
die Vierteilung bevorstund. „Das habt Ihr gut gemacht!"
lobte der Pascha, ernannte den Kadi zum Oberkadi und
ließ ihm zehn Pfund gemünzten Goldes aushändigen.
Eines Abends pochte es an der Türe des Kadi, und als
dieser sie öffnete, begehrte ein vornehm bekleideter
Mann Einlaß. Ein langer roter Bart fiel von seinem Kinn
hernieder, da aber der gewaltige Turban sein Gesicht
beschattete, waren dessen Züge kaum erkennbar. Unter
dem trüben Schein der Oelfunzel begann der Besucher
also zu sprechen: „Hochedler Oberkadi,'ich komme von
weither und habe erschrecklichen Hunger. Könntet Ihr
mir vielleicht ein Pfund Hammelfleisch verkaufen? Es
soll Euch mit Gold aufgewogen werden."
„Ihr seid wohl von Sinnen?" erzürnte sich der Oberkadi,
„wisset Ihr denn nicht, daß die Strafe der Vierteilung
auf derlei dunklen Geschäften, steht? Hebe dich hinweg,
auf daß ich dich nicht verhafte!"
„Ich kenne das Gesetz wohl", meinte der Besucher, „doch
wurde mir durch Freunde unter dem Versprechen der
DER LEIPZIGER MESSESCHLAGER
M. Radler
GEBßAÜCHiANWEiSUNf:
f/BüfcWrV Bewegung des Hebefs wird der
rikrechfe. 5fah aus Hartholz in
möglichst rasche Drehung versetzt:
Diesei- greift mif .seinem unteren Ende
in die Vertiefung, welche sich in einem
Stück weichen Holzes befindet und
mit Zunder ausgestopft ist. Durch
t die Reibung wird eine Erhitzung des
| Zunders hervorgerufen, dä'e sich
toweif ii'figern läss<|ä£s^d«r^elbe
ins Grimmen kommlund die Brit-
^jqgfüSie i t u n £) <K2Jl '• C' f JkSt t*"H
macht Hausfrauen und Raucher vom Zündholz unabhängig und bildet eine Zierde für jede Wohnküche!
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DER PASCHA UND DER KADI
Vor vielen hundert Jahren geschah es im Wilajet Brussa
des Kleinen Asiens, daß infolge eines langen Krieges
eine gar erbärmliche Hungersnot die Menschen quälte.
Nun balgten und erschlugen sich die Armen um etliche
Hirsekörner, während die Reichen noch immer Mittel und
Wege fanden, in Ueppigkeit zu prassen. Denn es be-
standen heimliche Märkte, auf denen man für hohe Preise
jegliche Art erlesener Nahrung erhandeln konnte, und
es gab geschäftstüchtige Männer, die im großen die
Lebensmittel dorthin schoben, wo ihnen ansehnlicheT Ge-
winn winkte. Als darob das Volk zu murren begann,
befahl eines Tages der Pascha des Wilajcts den, Kadi zu
sich und sprach also zu ihm:
„Höre zu, mein Herz ist mit tiefstem Abscheu darüber
erfüllt, daß sich der Reiche den Bauch vollschlägt, die
Masse des Volkes aber am letzten Zipfelchen seines
schmalen Hungertuches naget und mählich dahinsiecht.
Voll des gerechten Zornes über diese zu Allah schreien-
den Mißstände hieß ich dich kommen, um des Rates zu
pflegen, auf welche Weise dem schmählichen Wucher ein
lasches Ende bereitet werden könne."
„Euer Abscheu, hoher Herr, ist auch der meine", stimmte
der Kadi entrüstet bei, „und ich halte dafür, daß nur die
härteste Bestrafung der Schuldigen eine Besserung herbei-
führen könne. Man sollte sie in Eisen legen und so lange
hungern lassen, bis der Mond durch ihre Wänste scheint."
„Eine allzu geringe Buße", erklärte der Pascha und strich
sich seinen langen weißen Bart, „sie wird nicht genügen,
die Hehler abzuschrecken. Ich befeh'e Euch deshalb,
arbeitet ein strengeres Gesetz aus, gemäß dessen jeder
geviertcilt werde, der sich dawider schuldig macht!"
So verfaßte denn der Kadi ein hartes Gesetz, nach dem
jedem, der mit Lebensmittel Wucher trieb, zunächst ein
Mal auf den Bauch gebrannt werden sollte und hernach
die Vierteilung bevorstund. „Das habt Ihr gut gemacht!"
lobte der Pascha, ernannte den Kadi zum Oberkadi und
ließ ihm zehn Pfund gemünzten Goldes aushändigen.
Eines Abends pochte es an der Türe des Kadi, und als
dieser sie öffnete, begehrte ein vornehm bekleideter
Mann Einlaß. Ein langer roter Bart fiel von seinem Kinn
hernieder, da aber der gewaltige Turban sein Gesicht
beschattete, waren dessen Züge kaum erkennbar. Unter
dem trüben Schein der Oelfunzel begann der Besucher
also zu sprechen: „Hochedler Oberkadi,'ich komme von
weither und habe erschrecklichen Hunger. Könntet Ihr
mir vielleicht ein Pfund Hammelfleisch verkaufen? Es
soll Euch mit Gold aufgewogen werden."
„Ihr seid wohl von Sinnen?" erzürnte sich der Oberkadi,
„wisset Ihr denn nicht, daß die Strafe der Vierteilung
auf derlei dunklen Geschäften, steht? Hebe dich hinweg,
auf daß ich dich nicht verhafte!"
„Ich kenne das Gesetz wohl", meinte der Besucher, „doch
wurde mir durch Freunde unter dem Versprechen der
DER LEIPZIGER MESSESCHLAGER
M. Radler
GEBßAÜCHiANWEiSUNf:
f/BüfcWrV Bewegung des Hebefs wird der
rikrechfe. 5fah aus Hartholz in
möglichst rasche Drehung versetzt:
Diesei- greift mif .seinem unteren Ende
in die Vertiefung, welche sich in einem
Stück weichen Holzes befindet und
mit Zunder ausgestopft ist. Durch
t die Reibung wird eine Erhitzung des
| Zunders hervorgerufen, dä'e sich
toweif ii'figern läss<|ä£s^d«r^elbe
ins Grimmen kommlund die Brit-
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macht Hausfrauen und Raucher vom Zündholz unabhängig und bildet eine Zierde für jede Wohnküche!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Der Leipziger Messeschlager"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "macht Hausfrauen und Raucher vom Zündholz unabhängig und bildet eine Zierde für jede Wohnküche!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 4, S. 48.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg