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Vizepräsident Dr. W. Horner schmunzelt, denn alles
gereicht zum besten in der besten aller bayrischen
Koalitionen. Die CSU macht die Politik und die SPD
billigt sie. Dr. Högners vornehmlichste Beschäf-
tigung besteht darin, diese glückliche Arbeitsteilung mög-
lichst lange aufrecht zu erhalten.

Seine Eminenz schmunzelt auch, natürlich nur Innerlich,
vielleicht findet sie im stillen, daß es noch besser gehen
könnte, vielleicht schmunzelt sie aber nur über den Vize-
präsidenten. Aber die Zwischenlösung ermöglicht immer-
hin schon die Planung auf weite Sicht und den Aufbau
einer wahrhaft christlichen Demokratie von — oben nach
unten.

Das Interesse der SPD an Schulfragen war von jeher
geringer als das der klerikalen Parteien. Wer wäre also zur
Ausarbeitung der bayerischen Schulreform berufener als
das Ordinariat? Und warum soll Herr Domkapitular Z.
hierzu den Koalitionspartner unnötig bemühen? Zur Wah-
rung demokratischer Formen genügt es schließlich, zwei
geeignete Berater heranzuziehen, z. B einen zuverlässigen
CSU-Mann und einen schwerhörigen Ministerialrat. Der

Kultusminister wird auf jeden Fall unterschreiben und der
Vizepräsident bringt es fertig, seiner Partei auch die
schwersten Brocken mundgerecht zu machen.
Dieses überaus praktische Diktaturverfahren ist leider
auf die Dauer nur durchführbar, wenn man dem besagten
Minister jede Opposition vom Halse hält. Herr Dom-
kapitular beteiligte sich daher ebenso eifrig an der Zu-
sammenstellung eines ministeriellen Erlasses, der neben
notwendigen Personalveränderungen eine entsprechende
Reform der Geschäftsordnung enthält
Zunächst wurde dem undemokratischen Brauch, daß An-
gehörige des Ministeriums jederzeit bei ihrem Minister
vorsprechen können, ein schnelles Ende gesetzt und ver-
fügt: „Soweit nicht Angehörige des Ministeriums un-
mittelbar vom Staatsminister oder Staatssekretär zum
Vortrag bestellt sind haben sie erst vorzusprechen (1).
wenn sie zuvor dem Staatsrat die Angelegenheit, wegen
der sie um Vortrag nachsuchen, vorgetragen haben."
Der Referent hat also künftig um etwas nachzusuchen, was
schon in den Zeiten des seligen Prinzregenten Luitpold
sein selbstverständliches Recht war. Damit bekommt end-

lich das Kultusministerium ein standesgemäßes Hofzere-
moniell, wie es demokratischer nicht gedacht werden kann.
Wenn ein unglücklicher Oberregierungsrat gezwungen ist,
um eine Rücksprache mit seiner Hoheit dem Staatsmini-
ster nachzusuchen, so kann er natürlich den Regierungs-
direktor, Regierungspräsidenten und Ministerialrat als
Vorgesetzte nicht überspringen, um bis zum Staatsrat zu
kommen. Aber selbst dann, wenn er direkt bis zu diesem
vorstößt, kann der Staatsrat wieder nicht den Staats-
sekretär umgehen. Dazu muß er jedoch den augenblick-
lichen Aufenthaltsort des Staatssekretärs erst ausfindig
machen und ihn zum Kommen überreden, falls es sich
um den ehem. SA-Reservemann Pitroff handeln sollte.
Man nennt diesen einfachen Prozeß im Verfassungsjargon:
Aufbau der Demokratie in Bayern von — unten nach
oben.

Der Kultusminister ist somit vor Belästigungen wirksam
geschützt und kann sich nun um so intensiver seinen
verantwortungsreichen Aufgaben in- und außerhalb seines
eigenen Wahlkreises oder dem seines Gegners widmen.
Um schließlich der Schulreform die Wege weiterhin zu
ebnen und interne Komplikationen zu vermeiden, waren
einige Personalveränderungen nicht zu umgehen. Der
durch seine Schriften im In- und Ausland bekannte Volks-
schulfachmann Ministerialrat V, wurde durch einen ebenso
allgemein unbekannten Juristen ersetzt.
Der Verfassung gemäß richtete man zwar ein Referat
für Begabtenförderung ein, überließ Ihm aber nur die
Volksschulen zur Betreuung. Das Gebiet der Mittel- und
Hochschulen wurde dem Referenten vorsorglich entzogen,
da er bedauerlicherweise der SPD angehört; auch wäre
zu befürchten, daß die Begabtenförderung allzu üppig ins
Kraut schösse.

Die Referate für Sport und Jugendwesen fielen einem
Juristen anheim, der für sein überraschendes Gedächtnis
und die geradezu sportliche Beharrlichkeit, mit der er
eingelaufene Akten sieben, acht und neun Monate fest-
hält, schon eine gewisse Berühmtheit erlangt hat.
Nicht weniger interessant ist die Karriere von Oberbür-
germeister Dr. Scharnagls engem Mitarbeiter, der als
ehemaliger NS-Führungsoffizier nicht länger als Stadt-
assessor zu halten war. Seine pädagogischen Erfahrungen
rechtfertigten zusammen mit seiner politischen Verläß-
lichkeit die Ernennung zum Regierungsdirektor und seine
Uebernahme in das Kultusministerium.
Mit diesen Maßnahmen dürfte das Kultusministerium jene
straffe, autoritäre Gliederung bekommen haben, die zur
Erfüllung einer demokratischen Kulturmission in Bayern
unumgänglich ist. Kein rechtlich denkender Mensch wird
noch an der segensreichen Fruchtbarkeit unserer Koalition
zweifeln können, es sei denn, er wäre — Sozialist. Und
der Vater dieser Koalition schmunzelt (siehe oben) im
Vollbewußtsein dieser Fruchtbarkeit. Marc Martell

— OH — OH — DU MEIN ÖSTERREICH!

OH

Cafe in Linz. 1942

.Guten Tag! Gestatten, ist dieser Stuhl frei;

„Bittä sähr — frei is' er schon, aber vielleicht darf ich

Sie beileifig darauf aufmerksam machen, daß bei uns

Österreichern der Gruß .Heil Hitler!' heißt."

,.Bei uns in Deutschland auch. Dachte nur gerade an

etwas anderes."

,,Ja. so ist's fustament: Ihr Reichsdeutschen denkt immer
an anderes als an unseren großen Führer, weil Ihr halt
keine wahren Nationalsozialisten seid. Die gibt's nur bei
uns in Österreich."

..Was heißt beute .Österreich'? Ein Volk ein Reich!
Und an Liebe zu unserem Führer lassen wir Reichsdeut-
schen uns von keinem Österreicher übertreffen. Schließ-
lich ging doch auch die Bewegung nicht von Österreich,
sondern von Deutschland aus. Daß Hitler als Öster-
reicher geboren wurde, ist belangloser Zufall. Als Groß-
deutscher gründete er die Partei und entwickelte sein Pro-
gramm, und unsere Soldaten waren es doch wohl, die
das Hakenkreuz über den Inn getragen haben!"
„Lieber Herr, hab'n Sie vielleicht was davon g'hört daß
wir uns gewehrt haben? Meiner See!', überg'loffen 6an
ma. Und bittä sähr wer hat in Kärnten Steiermark
und Tirol die Bahng'leis in die Luft g'sprengt? Wer hat
die Hakenkreizeln auf die Berg' g'schleppt von Salzburg
bis Bregenz? Und hab'n wir net g'rad so viel Leut' er-
schlag'n wie Ihr Reichsdeutschen, oder vielleicht no' mehr?"
„Gewiß gewiß, ich lebe seit fünf Jahren in Österreich
und schätze sein liebenswürdiges Volk. Doch scheint mir
sein Charakter etwas weich zu sein. Ich habe manchmal
das Gefühl, Österreich wäre nicht allzugerne in den
Krieg gegangen, wenn wir es nicht da?u aufgemuntert
hätten."

..Sie, Herr, beleidigen Sie nicht unser Volk und unsere

Armee! Vom G'freiten bis zum General hat's keinen
ander'n Wunsch geb'n, als die Bolschewiki zu erschlag'n,
und jedes Kuchlmensch bet' in Österreich für den. End-
sieg. Sieg heil!"

„Diesem Wunsche schließe ich mich mit. Begeisterung und
voller Zuversicht an. Möge uns der Allmächtige recht
bald dem Endsieg zuführen, auf daß wir in Großdeutsch-
land als Blutsbrüder nebeneinander stehen, und Europa
vor uns zittert! Sieg heil!"
„Sieg heil!"

Fünf Jahre später. Cafe" in Linz

„Guten Tag! Gestatten, ist dieser Stuhl frei?"

„Bitte sähr, aber wann Sie sich an einen anderen Tisch

setzen wär's mir lieber."

„Wieso? Was haben Sie gegen meine Person einzu-
wenden?"

„Ich, sag' Ihnen die Wahrheit: mit einem Reichsdeutschen
sitz' ich nicht gern am gleichen Tisch. Ihr seid's Nazi
g'wesen und seid's Nazi blieb'n, Unter das Hakenkreuz
habt Ihr uns duety, und zum Krieg gegen unseren rus-
sischen Bruder habt Ihr uns aufg'hetzt. Aber jetzt hat
uns der Stalin aus Euerer Knechtschaft befreit, und jetzt
müßt's zahl'n. Das ist die Vergeltung, lieber Herr!"

FLUCHTLINGSSORGEN

Uns ward zwar bislang noch kein Ofen
in der neuen Heimat beschert,
doch können wir immerhin hoffen
auf einen Typhus-Herd. Walter hemmet

„Gestatten Sie mir eine Frage: Angenommen, wir hätten
den gemeinsam geführten Krieg gemeinsam gewonnen, und
Österreich würde, dadurch alle Gebiete wieder erhalten
haben, die es im Weltkrieg verlor: Sprächen Sie in die-
sem Falle geradeso, wie Sie es heute tun?"
„Lieber Herr, es steht mir nicht dafür, mit Ihnen zu
streiten."

„Sollten Sie vielleicht selber einsehen, daß es eine gewisse

rjnver--sagen wir, .Unlogik' bedeutet, uns für ein

Unglück haftbar zu machen, das Sie mitverschuldet haben?"
„Wieso ,wir'? Wann Sie die damalige österreichische Re-
gierung meinen, hab'n Sie vielleicht recht, aber unser
Volk hat den Nationalsozialismus und seinen preißischen
Haderlumpen abgelehnt. A paar Manndl vielleicht aus-
genommen."

„Dann waren es also die paar Manndl. denen van Salz-
burg bis Wien und Bregenz die Arme vom Hitlergruß
steif wurden, und die paar Manndl haben von der Dach-
kammer bis zum Kellerfenster das Hakenkreuz aus iedera
Haus flattern lassen."

„Alles Luag'! Wie wollen Sie das beweisen?"
„Durch den Bilderband des Pressefotografen Heinrich
Hofmann. Man sieht darin, wie der Führer durch Öster-
reich fährt, das sich damals allerdings noch nicht durch
die Russen, sondern durch die Deutschen .befreien' ließ.
Jubelnde Volksmassen umdrängen in jeder Stadt, jedem
Marktflecken, jedem Nest den Wagen des Führers.
Frauen heben ihm ihre Kinder"entgegen, Mädchen Jauch-
zen, Männer brüllen vor Begeisterung und aus jedem
Stallfenster wallen drei Hakenkreuzflaggen. Die .paar
Manndl' verschwinden unter der Menge. Wenn 'ch mich
übrigens nicht täusche, sah ich Sie selber auf einem
der Bilder, wie Sie dem Führer einen Blumenstrauß in
den Wagen reichen."

..Herr Ober, bitte, zahl'n!" A, Wisbecfe
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Alois, der mit dem Barte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Radler, Max
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 5, S. 57.

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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