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DIE HINTERBLIEBENEN

M. Radier

DES BAYERISCHEN JUNGSCHWEINESTERBENS

DIE WIEGESAU

Der Landrat kennt sie nicht. Der Bürgermeister kennt
sie auch nicht. Er darf sie nicht kennen — gewisser-
maßen. Ich meine — dienstlich! Der Gendarm hat nur
einmal im Vorbeigehen etwas von ihr gehört. Aber schließ-
lich — was hört man nicht alles im Vorbeigehen! Wenn
man da gleich immer — mein Gott! Aber sonst kennt
sie jeder.

In Niederbayern! Die Wiegesau!
Mir lüftete der Krügelbauer das Geheimnis.
Nicht gerade, daß der Krügelbauer ein gesprächiger Mensch
wäre! Er ist Niederbayer! Aber so beim sechsten Glas
Rübenschnaps — na — zurechnungsfähig war er schon
noch, der Krügelbauer — beim sechsten Glas Rüben-
schnaps also erfuhr ich von der Wiegesau.
Jedes Dorf hat eine. Sagt er. Ob's wahr ist, weiß ich
nicht. Sie wiegt genau einen Zentner fünfzig. Das ist
nämlich das von der Obrigkeit in München vorgeschrie-
bene Schlachtgewicht. Nicht zuviel und nicht zuwenig.
Grad recht. — Meinen s'. In München!

Der Krügelbauer meint es natürlich auch. Dienstlich —

versteht sich! Außerdienstlich allerdings —

„Zwengs dem hama eb'n d'Waagsau!"

Mir war es noch nicht ganz klar. Der Krügelbaucr schaute

mich mitleidig an, kippte das siebente Glas und fing von

vorne an. Allmählich kam ich dahinter.

Morgen schlachten s' dem Wimmfcerger seine Sau. Die

wiegt genau einhundertfünfzig Pfund. Auf der Waage.

Und wenn's nächste Woche dem Lederer der seinen an

den Kragen geht, die wiegt — ob Sie's glauben oder

nicht, — ebenfalls hundertfünfzig Pfund, solang sie auf

der Waage steht.1 Und beim Rechlmayer ist es genau so.

Nur — die auf der Waage steht — das ist eben die

Wiegesau!

Die andere, die derweil hinten im Stall steht, das ist
die Schlachtsau, die richtige! Sie wiegt auch ein wenig
mehr.

,,A paar Pfünderl", meint der Krügelbauer, und ich muß
es ihm glauberfr Die wird dann geschlachtet und hat
genau einhundertfünfzig Pfund. Dienstlich — versteht
sich wiederum!

..Steht ja drauf auf'n Papier! Z'wengs dem ham se's ja

g wogn

Und alles ist befriedigt. Die Obrigkeit in München und
die Krügelbauern. Ich sah mich nach allen Seiten um und
fragte leise: „Und — und alles geht immer gut?"
Der Krügelbauer mußte meine Frage etwas anders auf-
gefaßt haben, denn er sagte: „Mei — wos hoast guat?
Fünf Zigärett'n verlangt er, der Moosbichler, der aus-
g'schämte Teifi. Fünf Ami!
Dem g'hörts nämlich, d'Waagsau!

Stell'ns Eahna dös vor! Der Mo faucht jeden Tag zehn
Laggeschtreik! Und do soll der Bauernstand net ins Elend
kumma, bei solchane P*reise! Da konn ma wirklich net
sag'n, daß alles guat geht!"

Dann stand er auf, langsam und bedächtig, schüttelte
sorgenvoll sein schweres Haupt, trat an die Truhe heran,
die in der Ecke stand, griff hinein, holte ein ansehn-
liches Stück Geräuchertes heraus und schnitt sich ein
großes Stück herunter.

Bleibt mir nur noch zu erwähnen, daß das nicht von der
Wiegesau stammte. Hanns Glöckle

I

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Hinterbliebenen - des bayerischen Jungschweinesterbens"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Radler, Max
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 11, S. 132.

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