„Was, Ring nix gut — is sich von Kaiserin Hermine!" — ,,Denn jerade nich, ick bin Demokrat!"
LASST ZAHLEN SPRECHEN
ZUR AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER KÜNSTLERGENOSSENSCHAFT
Nach der „Neuen Gruppe" ist nun die „Mün-
chener Künstlergenossenschaft" (MKG) in die Len-
bach-Galerie eingezogen, um von ihrem „neu-
erstandenen" Geist öffentlich zu künden. In dem
Vorwort zu dem Katalog der Ausstellung wird
von der „Tradition" gesprochen, der sich die
MKG verpflichtet fühlt, von der notwendigen
„Toleranz" und der „besonderen Förderung des
neue Wege anbahnenden Jungen" sowie von der
„strengen Verantwortung", der sich die MKG der
Zeit und der „wirklichen" Kunst gegenüber glaubt
bewußt zu sein.
Löblich, wirklich sehr löblich, kann man dazu
nur bemerken. Aber das ist das Vorwort des
Katalogs. Und. Vorworte von Münchener Aus-
stellungs-Katalogen hören sich immer sehr viel-
versprechend an. Wie sieht nun die Ausstellung
selbst aus?
Um es gleich zu sagen: es ist eine Ausstellung
von Sonderschauen. 11 (elf) Aussteller allein zei-
gen Sonderschauen mit 10 bis 25 (fünfundzwanzig)
Nummern (zusammen 148 Nummern)! Selbst zu
Olims Zeiten hatten Münchener Ausstellungen
vielleicht ein bis zwei Sonderschauen derartigen
Umfangs. Und hier sind es gleich 11 solche
Sonderschauen? Sind diese Sonderschauen viel-
leicht eines ehrsamen künstlerischen Todes yer-
blichen? Nun, leiblich jedenfalls sind sie noch
ganz lebendig und denken gar nicht daran, den
neue Wege anbahnenden Jungen schon ein be-
scheidenes Plätzchen neben sich zu gönnen, wenn
sie auch im Vorwort des Kataloges ganz gegen-
teilig der Meinung sind, daß solche Toleranz und
Förderung den Jungen gegenüber nötig sei.
Aber damit nicht genug, sind 10 (zehn) weiteren
Ausstellern Sonderschauen mit 6 bis 9 Werken
zugebilligt worden (zusammen 72 Nummern). Da
die gesamte Ausstellung in der Lenbach-Galerie
laut Katalog 348 Werke umfaßt, bestreiten diese
21 Sonderschau-Aussteller mit zusammen 220 Wer-
ken demnach etwa zwei Drittel der gesamten
Ausstellung! — Der Vollständigkeit halber müs-
sen wir noch erwähnen, daß 24 Aussteller noch
mit drei bis fünf Werken (zusammen 95) und
weitere 24 Aussteller mit ein bis zwei Werken
(zusammen 33 Werken) vertreten sind. —
Von den bildenden Künstlern Münchens wurden
weit über 1000 Werke der Jury der MKG für
diese Ausstellung vorgelegt. Da man mit Sicher-
heit annehmen kann, daß der Vorstand der MKG
seine und seiner näheren Freunde Sonderschauen
kaum juriert haben wird, verbleiben von unserer
obigen Zahlenzusammenstellung 33 bis höchstens
50 Werke, die die MKG-Jury von den einge-
reichten mehr als 1000 Werken als ausstellungs-
würdig befunden hat. Hunderten von Malern
Münchens und Oberbayerns, keinen Dilettanten,
sondern ' vom künstlerischen Prüfungsausschuß
des Berufsverbandes qualifizierten und lizenzier-
ten Malern wurde also zugemutet, Zeit, Geld und
Material zu opfern, damit gute zwei Dutzend von
ihnen mit einem bis drei Werken auf dieser Aus-
stellung (neben zwei Dutzend nichtjurierten Son-
derschau-Ausstellern) vertreten sein dürfen!
Gegen gelegentliche Sonderschauen auf Ausstel-
lungen wäre ja im allgemeinen gar nichts zu
sagen. Aber solange als Ausstellungsraum der
Münchener Künstlerschaft, praktisch nur die Len-
bach-Galerie zur Verfügung steht, sollte die MKG
eine gemeinnützigere Ausstellungspolitik betrei-
ben und von „strenger Verantwortung" der Zeit
und der Kunst gegenüber nicht bloß im Katalog-
Vorwort reden. Denn das ist kaum der Sinn der
drei Künstlergruppen MKG, Secession und Neue
Gruppe, der einzigen innerhalb des Berufsverbandes
bisher zugelassenen Gruppen, daß jeweils der
Vorstand und sein engerer Freundeskreis eine
solche Ausstellung als eine günstige Gelegenheit
ansieht, sich selbst möglichst repräsentativ zur
Schau zu stellen. Mit einer derartigen Wirtschaft
wird sich die Leitung des Berufsverbandes und
werden sich seine Mitglieder um so weniger ein-
verstanden erklären können, als .sämtliche Aus-
stellungs- und sonstige laufende Unkosten der
MKCj! ebenso wie der Neuen Gruppe und der
Secession von den Beiträgen der mehr als 4000
Mitglieder des Berufsverbarides bestritten werden.
Zum Schluß möchten wir statt einer kritischen
Würdigung der Ausstellung (simpl-kritische Be-
trachtungen von Kunstausstellungen sind in Mün-
chen immer noch lebensgefährlich für die Kriti-
ker) nur ein paar „sinnige" Bildtitel aufzählen:
„Wochenend und Sonnenschein", „Das arme
Kind", „Geborgen", „Es schmeckt ihm nicht mehr"!
Aber wer fragt schon heute darnach, ob es uns
schmeckt? . Günter Pähl
SO FÄSGT'S AK !
In einer Schwetzinger Ausstellung wurden sieberi moderne Bilder
böswillig beschädigt, mit Buntstiften bekritzelt und mit Haken-
kreuzen geziert.
Noch zerkratzen sie nur Schilder
und zerreißen bloß Papier
und beschmutzen neue Bilder
oder schwatzen beim Barbier...
Aber dabei wird's nicht bleiben!
Morgen kommt Etappe zwo:
Sie zerdonnern Fensterscheiben
und erobern CIo um Clo.
Randalieren auf der Straße,
brüllen im Versammlungssaal,
schlagen auch mal so zum Spaße
einen reif fürs Hospital.
Phase drei, die ist schon schärfer;
fordert „Helden" allerdings:
Attentäter! Bombenwerfer!
Freiwild wird der Mann von links.
Erst sind's einzelne Aktionen,
bald wird's eine Staatsmoral,
und nicht unter zehn Millionen
sterben dann beim nächsten Mal — —■
Heut zerkratzen sie nur Bilder,
wie gesagt, und bloß Papier...
Doch sie werden täglich wilder,
grad wie damals, glaubt es mir.
Darum heißt es: Keine Gnade!
Keine Milde! Kein Verzeih'n!
Denn es wäre jammerschade,
hätt' nochmal solch Schwein —■ solch Schwein.
Demokraten, nicht geschlafen!
Solchen Burschen harte Strafen!
_ Heinz Hartwig
GELENKTE SITTLICHKEIT
Wie weit in unserem geliebten Bayernland die
Angst vor der Sittlichkeit schon gediehen ist, zeigt
folgende im Rathaus von Berneck angeschlagene
amtliche Bekanntmachung vom 2. 6. 1947:
„Das Landratsamt — KreisjugeHdamt — Bay-
reuth gibt bekannt: Verschiedene Kontrollen
haben ergeben, daß zum Teil überhaupt keine
Vorschrift in Bezug auf die heutige Jugend zur
-Anwendung kommt. 15- und 16—18jährige
sind in Massen bei den öffentlichen Tanzlust-
barkeiten anwesend. Der heutige moralische
Tiefstand unserer Jugend macht es erforderlich,
aufs schärfste die bestehenden Vorschriften ein-
zuhalten. Viele Veranstalter wollen sich offen-
sichtlich durch die Masse der Jugendlichen, die
die Tanzlustbarkeiten besuchen und dort schon
frühzeitig aus normalen Bahnen gelenkt wer-
den, ja sogar den sittlichen Umgang mit ande-
ren kennen lernen, Kapital schlagen ..."
202
LASST ZAHLEN SPRECHEN
ZUR AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER KÜNSTLERGENOSSENSCHAFT
Nach der „Neuen Gruppe" ist nun die „Mün-
chener Künstlergenossenschaft" (MKG) in die Len-
bach-Galerie eingezogen, um von ihrem „neu-
erstandenen" Geist öffentlich zu künden. In dem
Vorwort zu dem Katalog der Ausstellung wird
von der „Tradition" gesprochen, der sich die
MKG verpflichtet fühlt, von der notwendigen
„Toleranz" und der „besonderen Förderung des
neue Wege anbahnenden Jungen" sowie von der
„strengen Verantwortung", der sich die MKG der
Zeit und der „wirklichen" Kunst gegenüber glaubt
bewußt zu sein.
Löblich, wirklich sehr löblich, kann man dazu
nur bemerken. Aber das ist das Vorwort des
Katalogs. Und. Vorworte von Münchener Aus-
stellungs-Katalogen hören sich immer sehr viel-
versprechend an. Wie sieht nun die Ausstellung
selbst aus?
Um es gleich zu sagen: es ist eine Ausstellung
von Sonderschauen. 11 (elf) Aussteller allein zei-
gen Sonderschauen mit 10 bis 25 (fünfundzwanzig)
Nummern (zusammen 148 Nummern)! Selbst zu
Olims Zeiten hatten Münchener Ausstellungen
vielleicht ein bis zwei Sonderschauen derartigen
Umfangs. Und hier sind es gleich 11 solche
Sonderschauen? Sind diese Sonderschauen viel-
leicht eines ehrsamen künstlerischen Todes yer-
blichen? Nun, leiblich jedenfalls sind sie noch
ganz lebendig und denken gar nicht daran, den
neue Wege anbahnenden Jungen schon ein be-
scheidenes Plätzchen neben sich zu gönnen, wenn
sie auch im Vorwort des Kataloges ganz gegen-
teilig der Meinung sind, daß solche Toleranz und
Förderung den Jungen gegenüber nötig sei.
Aber damit nicht genug, sind 10 (zehn) weiteren
Ausstellern Sonderschauen mit 6 bis 9 Werken
zugebilligt worden (zusammen 72 Nummern). Da
die gesamte Ausstellung in der Lenbach-Galerie
laut Katalog 348 Werke umfaßt, bestreiten diese
21 Sonderschau-Aussteller mit zusammen 220 Wer-
ken demnach etwa zwei Drittel der gesamten
Ausstellung! — Der Vollständigkeit halber müs-
sen wir noch erwähnen, daß 24 Aussteller noch
mit drei bis fünf Werken (zusammen 95) und
weitere 24 Aussteller mit ein bis zwei Werken
(zusammen 33 Werken) vertreten sind. —
Von den bildenden Künstlern Münchens wurden
weit über 1000 Werke der Jury der MKG für
diese Ausstellung vorgelegt. Da man mit Sicher-
heit annehmen kann, daß der Vorstand der MKG
seine und seiner näheren Freunde Sonderschauen
kaum juriert haben wird, verbleiben von unserer
obigen Zahlenzusammenstellung 33 bis höchstens
50 Werke, die die MKG-Jury von den einge-
reichten mehr als 1000 Werken als ausstellungs-
würdig befunden hat. Hunderten von Malern
Münchens und Oberbayerns, keinen Dilettanten,
sondern ' vom künstlerischen Prüfungsausschuß
des Berufsverbandes qualifizierten und lizenzier-
ten Malern wurde also zugemutet, Zeit, Geld und
Material zu opfern, damit gute zwei Dutzend von
ihnen mit einem bis drei Werken auf dieser Aus-
stellung (neben zwei Dutzend nichtjurierten Son-
derschau-Ausstellern) vertreten sein dürfen!
Gegen gelegentliche Sonderschauen auf Ausstel-
lungen wäre ja im allgemeinen gar nichts zu
sagen. Aber solange als Ausstellungsraum der
Münchener Künstlerschaft, praktisch nur die Len-
bach-Galerie zur Verfügung steht, sollte die MKG
eine gemeinnützigere Ausstellungspolitik betrei-
ben und von „strenger Verantwortung" der Zeit
und der Kunst gegenüber nicht bloß im Katalog-
Vorwort reden. Denn das ist kaum der Sinn der
drei Künstlergruppen MKG, Secession und Neue
Gruppe, der einzigen innerhalb des Berufsverbandes
bisher zugelassenen Gruppen, daß jeweils der
Vorstand und sein engerer Freundeskreis eine
solche Ausstellung als eine günstige Gelegenheit
ansieht, sich selbst möglichst repräsentativ zur
Schau zu stellen. Mit einer derartigen Wirtschaft
wird sich die Leitung des Berufsverbandes und
werden sich seine Mitglieder um so weniger ein-
verstanden erklären können, als .sämtliche Aus-
stellungs- und sonstige laufende Unkosten der
MKCj! ebenso wie der Neuen Gruppe und der
Secession von den Beiträgen der mehr als 4000
Mitglieder des Berufsverbarides bestritten werden.
Zum Schluß möchten wir statt einer kritischen
Würdigung der Ausstellung (simpl-kritische Be-
trachtungen von Kunstausstellungen sind in Mün-
chen immer noch lebensgefährlich für die Kriti-
ker) nur ein paar „sinnige" Bildtitel aufzählen:
„Wochenend und Sonnenschein", „Das arme
Kind", „Geborgen", „Es schmeckt ihm nicht mehr"!
Aber wer fragt schon heute darnach, ob es uns
schmeckt? . Günter Pähl
SO FÄSGT'S AK !
In einer Schwetzinger Ausstellung wurden sieberi moderne Bilder
böswillig beschädigt, mit Buntstiften bekritzelt und mit Haken-
kreuzen geziert.
Noch zerkratzen sie nur Schilder
und zerreißen bloß Papier
und beschmutzen neue Bilder
oder schwatzen beim Barbier...
Aber dabei wird's nicht bleiben!
Morgen kommt Etappe zwo:
Sie zerdonnern Fensterscheiben
und erobern CIo um Clo.
Randalieren auf der Straße,
brüllen im Versammlungssaal,
schlagen auch mal so zum Spaße
einen reif fürs Hospital.
Phase drei, die ist schon schärfer;
fordert „Helden" allerdings:
Attentäter! Bombenwerfer!
Freiwild wird der Mann von links.
Erst sind's einzelne Aktionen,
bald wird's eine Staatsmoral,
und nicht unter zehn Millionen
sterben dann beim nächsten Mal — —■
Heut zerkratzen sie nur Bilder,
wie gesagt, und bloß Papier...
Doch sie werden täglich wilder,
grad wie damals, glaubt es mir.
Darum heißt es: Keine Gnade!
Keine Milde! Kein Verzeih'n!
Denn es wäre jammerschade,
hätt' nochmal solch Schwein —■ solch Schwein.
Demokraten, nicht geschlafen!
Solchen Burschen harte Strafen!
_ Heinz Hartwig
GELENKTE SITTLICHKEIT
Wie weit in unserem geliebten Bayernland die
Angst vor der Sittlichkeit schon gediehen ist, zeigt
folgende im Rathaus von Berneck angeschlagene
amtliche Bekanntmachung vom 2. 6. 1947:
„Das Landratsamt — KreisjugeHdamt — Bay-
reuth gibt bekannt: Verschiedene Kontrollen
haben ergeben, daß zum Teil überhaupt keine
Vorschrift in Bezug auf die heutige Jugend zur
-Anwendung kommt. 15- und 16—18jährige
sind in Massen bei den öffentlichen Tanzlust-
barkeiten anwesend. Der heutige moralische
Tiefstand unserer Jugend macht es erforderlich,
aufs schärfste die bestehenden Vorschriften ein-
zuhalten. Viele Veranstalter wollen sich offen-
sichtlich durch die Masse der Jugendlichen, die
die Tanzlustbarkeiten besuchen und dort schon
frühzeitig aus normalen Bahnen gelenkt wer-
den, ja sogar den sittlichen Umgang mit ande-
ren kennen lernen, Kapital schlagen ..."
202
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Was, Ring nix gut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Was, Ring nix gut — is sich von Kaiserin Hermine! — Denn jerade nich, ick bin Demokrat!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 16, 202.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg