DIE STADT DER HEILIGEN AUTOS
Von V/alter Foitzick
Die Stadt Kischnapur liegt am Zusammenfluß der bei-
den großen Oelleitungen des Landes, die von den Ost-
bergen und Südbergen herabkommen. An der Landspitze
zwischen den pipelines erhebt sich der prächtige Haupt-
tempel des heiligen Kraftwagens, ein Bau, ganz aus
lackiertem Marmor und Stahl in den klassischen For-
men des Landes. Unter der gewaltigen Kuppel steht im
Tabernakel das Allerheiligste, ein uralter Fordwageu,
in einer schlichten Wellblechgarage. Man hat diese erste
Garage des Landes an der Stelle, wo sie einst vur
einem halben Jahrhundert von den Ureinwohnern er-
richtet wurde, mit dem Tempel überbaut, um so der
ehrwürdigen Stätte Weihe zu geben oder zu erhalten.
Von dem Auto berichtet die Sage, daß es aus dem vori-
gen Jahrhundert stammen soll. Es ist ein einfaches
Fahrzeug, um das aber die Schauer der Geschichte
wehen und das in die Urzeiten menschlicher Zivilisation
zurückführt, in jene Zeiten, da ein großer Teil der
Menschheit wie das wilde Tier noch gezwungen war zu
Fuß zu gehen. Oben in der Kuppel leuchten die meter-
hohen Buchstaben der Inschrift: IN HOC AUTO
VINCES!
Stets finden sich Beter ein, die vor der schlichten Garage
und diesem rührenden Auto ihre Andacht verrichten. Es
sind nicht nur die Mönche des benachbarten Chauffeur-
klosters, die hier in ergriffener Versunkenheit innere
Erleuchtung erfahren, sondern aus dem ganzen Lande,
ja sogar übers Meer bis von Cernowitz her sind die
Gläubigen zu dieser Kultstätte herbeigeeilt, um der
Kindheit des heiligen Benzinmotors zu huldigen.
Es bietet einen eigenartigen Anblick, die Chauffeur-
mönche ihren Gottesdienst zelebrieren zu sehen, dessen
Ritual in einer komplizierten Folge von Schaltungen
und Kupplungen besteht, ausgeführt vom versammelten
Konvent des Klosters. Dumpf tönt der Gesang der Ben-
zinbrüder, nach frühen Texten sehr alter Verkehrsord-
nungen. Die Responsorien haben die Form der volks-
tümlichen und derben Rufe, die sich Autofahrer nach
Zusammenstößen und Verfehlungen zurufen. Diese
Wechselgesänge sind umjubelt vom schmetternden Klang
der Autohupcn, die einst in verkehrsfrohen Tagen drau-
ßen in der Welt das Heil der Schnelligkeit verkündeten.
Ueber allem schwebt der Duft der Vergaser.
Man kann die ehrwürdigen Chauffeure des Konvents in
den lichten Hallen des Klosters beobachten, wie ihre
durchgeistigten Gesichter über die Folianten von Tau-
senden von Verkehrsordnungen gebeugt sind, deren
größte Sammlung zu besitzen, sich das Heiligtum rühmt
In der Stadt Kischnapur selbst gibt es keine Verkehrs-
vorschriften für Autos, hier kann sich der Kraftwagen
austoben, hier kann er schalten und walten, wie ihn die
Natur geschaffen hat. In Rudeln jagen die mutwilligen
Jungautos, meist geleitet von einem kräftigen Auto-
bullen, über die weiten Plätze kreuz und quer. Ein rüh-
rendes Bild schöner Benzinverbundenheit zeigt sich,
wenn sich in der Dämmerstunde die Scharen großer
und kleiner Wagen am heiligen Oelteich sammeln, um
das köstliche Naß zu schlürfen, das ihnen hier kosten-
und steuerfrei zur Verfügung steht. Was ist das für
ein wohliges Rauschen und Gurgeln, ein Plätschern und
Schlürfen, untermischt mit den markigen Scherzen der
mutwilligen Wagenhalter, die nur dem Landfremden un-
gereimt und wüst vorkommen. Dann schlagen die Autos
die blendend strahlenden Scheinwerfer auf und tummeln
sich zu ihren Schlafplätzen auf den Trambahnschienen
oder vor den Torwegen der Häuser. Ueberall in der
Stadt findet man solche öffentlichen geweihten Tank-
stellen, und selbst die Aermsten der Armen können noch
ihren fetten Trank an der Klosterpforte holen.
Nirgends trübt eine Verkehrsampel das heitere Kraft-
wagenspiel, und keines Schutzmanns herrische Geste
hemmt ihren natürlichen Lauf. Es ist wie auf freier
Wildautobahn. Nirgends steht ein Pfahl oder Zaun oder
Pfosten störend im Wege, hat aber doch ein Böswilliger
Auf Grund eines nicht veröffentlichten Entschlusses soll
die Bevölkerung durch ein großzügig angelegtes Volks-
bildungsprogratnm vom Hunger abgelenkt werden. Unter
dem Titel: „Kampf den Marfeenfälschern" tourde den
Normalverbrauchern der Lebensmittelaufruf für die 111.
Periode in Form sinnreicher Denksportaufgaben. Kreuz-
worträtsel und Rösselsprünge (über mehrere Karten) prä-
sentiert. Diese Verschlüsselung soll das durch Eiweiß-
mangel geschwächte Denkvermögen der Bevölkerung be-
leben. Nur für richtige Lösungen ist als Preis der wolle
Bezug aller Aufrufe gedacht. Die Auflösung der Rätsel
wurde auf 314 Schreibmaschinenseiten allen Gaststätten
und Lebensmittelgeschäften zugänglich gemacht.
Da Gaststätten und Lebensmittelgeschäfte von dem
Preisausschreiben ausgenommen wurden, hat man speziell
für diese Stellen im Rahmen des gleichen Volksbildungs-
programms einen Chemieschnellkursus eingerichtet. Falls
der eine oder andere Leser sich auch daran beteiligen
möchte, geben wir Ihnen nachfolgend einen Auszug aus
dem „Handzettel" Nr. III (Originaltext):
solch einen Schandpfahl aufgerichtet, ist er bald vom
Spiel der kräftigen Leitbullen gestürzt, ein Menetekel
für alle Ungläubigen.
Dem ganzen Volke sind die Autos heilig. Sie parken auf
Straßenübergängen und auf Trambahnschienen, und stun-
denlang warten die geduldigen Trambahner, bis so eine
verdöste Autokuh sich von ihrem Ruheplatz entfernt;
niemand würde sie vertreiben oder .verschieben. Und
wenn sich in den engen Straßen der Altstadt zwei Autos
verklemmt haben, kommen die Leute, streicheln sie und
reichen ihnen wohl auch ein Tränklein Kühlerwasscr
und helfen ihnen voll Ehrfurcht auf die Räder.
Das Land um Kischnapur ist ein einziger Autofricdhof,
kein Fußbreit, wo nicht so ein alter Veteran seiner Auf-
lösung entgegengeht, aber niemand wird seine ewige
Ruhe durch Abmontieren stören, das verbietet die heilige
Scheu. Nur an den Feiertagen zieht jung und alt hinaus
und schmückt die stillen Kraftwagen mit Blumen, und
mancher sprengt ein paar Tröpfchen geweihtes Rohöl
unter die rostige Kühlerhaube.
7. Merkmale der neuen Reisemarken und Tageskarten
der 109.—113. Zuteilungsperiode.
Um das Erkennen von falschen Reisemarken bzw.
Tageskarten zu erleichtern, wird mitgeteilt, daß bei
diesen Karten beim Betupfen mit Salmiakgeist die
rote Grundfarbe in blaurot umschlägt. Erst allmäh-
lich kehrt der Ursprungston rot wieder. Die Prüfung
ist aber auch mit Hilfe einer kaustischen Sodalösung
oder verdünnten Natronlauge möglich. Der Farben-
umschlag nach blauviolett ist im Gegensatz zu dem
Versuch mit Salmiakgeist beständig. Nur durch Be-
tupfen mit verdünnter Salzsäure wird die Grund-
farbe rot wieder sichtbar. Die Nebenfarbe ..grün"
der Reisemarken und Tageskarten reagiert nur auf
Salmiakgeist. Beim Betupfen verschwindet die Neben-
farbe grün vorübergehend, um dann langsam wieder
als grün aufzutreten.
22. Januar 1948. Stadtrat München.
Ernährungsamt Abt. B.
Ob mit Salmiakgeist oder mit kaustischer Sodalösung,
nachgerade erscheinen dem SIMPL die Herren Ernäh-
rungsfachleute auch leicht betupft. M. S.
WENN SIE EINST NACH SCHULD FRAGEN
—warum die zweite Republik-, noch ehe sie be-
gann, zu Ende war — ja, wessen Schuld war es?
SCHULD waren unsere Beamten, die hinter
hohen Schaltern diejenigen anschnauzten, von
deren Steuergroschen sie lebten.
SCHULD waren die Bauern, die der Versuchung
nicht widerstanden und zwischen Ehrlichkeit
und Raffgier den Weg zu den Kolchosen wählten.
SCHULD waren die Handwerker, die schamlos
die Armen erpreßten, denn es war ja ihre große
Stunde.
SCHULD war die Polizei, die den Verkehr auf
den Straßen der Schwarzen Märkte säuberlich
regelte, doch selbst nicht säuberlich blieb.
SCHULD waren die Kaufleute, denn zeigt mir
den, der wirklich redlich war!
SCHULD waren die Minister, die hilflos solches
geschehen ließen, SCHULD waren die Priester,
die ihren Mund nicht zu Worten öffneten, die
Gott ihnen zu solchem Treiben zu sagen befahl,
SCHULD waren die Redakteure, die mit Samt-
pfoten berührten, was mit Mistgabeln noch zu
zart angefaßt worden wäre, SCHULD waren die
Parteien, die die Finger nicht auf die schwären-
den Wunden legten, da sie sich vor Angst um
Wählerstimmen in die Hosen schissen, SCHULD
waren die Weltmächte, die vergaßen, daß schon
einmal eine viel bessere Demokratie unter musi-
kalischer Begleitung verraten wurde.
SCHULD warst du, wart ihr alle, Freunde in den
Landen, indem ihr — ein zweitesmal geschehen
ließet und zusaht. Denn immer wird derjenige
vor der Weltgeschichte verurteilt, der sich resi-
gnierend ergibt, der nicht die heilige Fackel des
Zornes entzündet.
SEID NICHT UNTERTAN DER OBRIGKEIT —
sie ist euer Diener, das ist Demokratie, ihr Ver-
schlafenen, ihr Mitläufer unter den Scheintoten!
SCHULDIG! SCHULDIG! G. W. Borth
AUS DER WISSENSCHAFT
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Von V/alter Foitzick
Die Stadt Kischnapur liegt am Zusammenfluß der bei-
den großen Oelleitungen des Landes, die von den Ost-
bergen und Südbergen herabkommen. An der Landspitze
zwischen den pipelines erhebt sich der prächtige Haupt-
tempel des heiligen Kraftwagens, ein Bau, ganz aus
lackiertem Marmor und Stahl in den klassischen For-
men des Landes. Unter der gewaltigen Kuppel steht im
Tabernakel das Allerheiligste, ein uralter Fordwageu,
in einer schlichten Wellblechgarage. Man hat diese erste
Garage des Landes an der Stelle, wo sie einst vur
einem halben Jahrhundert von den Ureinwohnern er-
richtet wurde, mit dem Tempel überbaut, um so der
ehrwürdigen Stätte Weihe zu geben oder zu erhalten.
Von dem Auto berichtet die Sage, daß es aus dem vori-
gen Jahrhundert stammen soll. Es ist ein einfaches
Fahrzeug, um das aber die Schauer der Geschichte
wehen und das in die Urzeiten menschlicher Zivilisation
zurückführt, in jene Zeiten, da ein großer Teil der
Menschheit wie das wilde Tier noch gezwungen war zu
Fuß zu gehen. Oben in der Kuppel leuchten die meter-
hohen Buchstaben der Inschrift: IN HOC AUTO
VINCES!
Stets finden sich Beter ein, die vor der schlichten Garage
und diesem rührenden Auto ihre Andacht verrichten. Es
sind nicht nur die Mönche des benachbarten Chauffeur-
klosters, die hier in ergriffener Versunkenheit innere
Erleuchtung erfahren, sondern aus dem ganzen Lande,
ja sogar übers Meer bis von Cernowitz her sind die
Gläubigen zu dieser Kultstätte herbeigeeilt, um der
Kindheit des heiligen Benzinmotors zu huldigen.
Es bietet einen eigenartigen Anblick, die Chauffeur-
mönche ihren Gottesdienst zelebrieren zu sehen, dessen
Ritual in einer komplizierten Folge von Schaltungen
und Kupplungen besteht, ausgeführt vom versammelten
Konvent des Klosters. Dumpf tönt der Gesang der Ben-
zinbrüder, nach frühen Texten sehr alter Verkehrsord-
nungen. Die Responsorien haben die Form der volks-
tümlichen und derben Rufe, die sich Autofahrer nach
Zusammenstößen und Verfehlungen zurufen. Diese
Wechselgesänge sind umjubelt vom schmetternden Klang
der Autohupcn, die einst in verkehrsfrohen Tagen drau-
ßen in der Welt das Heil der Schnelligkeit verkündeten.
Ueber allem schwebt der Duft der Vergaser.
Man kann die ehrwürdigen Chauffeure des Konvents in
den lichten Hallen des Klosters beobachten, wie ihre
durchgeistigten Gesichter über die Folianten von Tau-
senden von Verkehrsordnungen gebeugt sind, deren
größte Sammlung zu besitzen, sich das Heiligtum rühmt
In der Stadt Kischnapur selbst gibt es keine Verkehrs-
vorschriften für Autos, hier kann sich der Kraftwagen
austoben, hier kann er schalten und walten, wie ihn die
Natur geschaffen hat. In Rudeln jagen die mutwilligen
Jungautos, meist geleitet von einem kräftigen Auto-
bullen, über die weiten Plätze kreuz und quer. Ein rüh-
rendes Bild schöner Benzinverbundenheit zeigt sich,
wenn sich in der Dämmerstunde die Scharen großer
und kleiner Wagen am heiligen Oelteich sammeln, um
das köstliche Naß zu schlürfen, das ihnen hier kosten-
und steuerfrei zur Verfügung steht. Was ist das für
ein wohliges Rauschen und Gurgeln, ein Plätschern und
Schlürfen, untermischt mit den markigen Scherzen der
mutwilligen Wagenhalter, die nur dem Landfremden un-
gereimt und wüst vorkommen. Dann schlagen die Autos
die blendend strahlenden Scheinwerfer auf und tummeln
sich zu ihren Schlafplätzen auf den Trambahnschienen
oder vor den Torwegen der Häuser. Ueberall in der
Stadt findet man solche öffentlichen geweihten Tank-
stellen, und selbst die Aermsten der Armen können noch
ihren fetten Trank an der Klosterpforte holen.
Nirgends trübt eine Verkehrsampel das heitere Kraft-
wagenspiel, und keines Schutzmanns herrische Geste
hemmt ihren natürlichen Lauf. Es ist wie auf freier
Wildautobahn. Nirgends steht ein Pfahl oder Zaun oder
Pfosten störend im Wege, hat aber doch ein Böswilliger
Auf Grund eines nicht veröffentlichten Entschlusses soll
die Bevölkerung durch ein großzügig angelegtes Volks-
bildungsprogratnm vom Hunger abgelenkt werden. Unter
dem Titel: „Kampf den Marfeenfälschern" tourde den
Normalverbrauchern der Lebensmittelaufruf für die 111.
Periode in Form sinnreicher Denksportaufgaben. Kreuz-
worträtsel und Rösselsprünge (über mehrere Karten) prä-
sentiert. Diese Verschlüsselung soll das durch Eiweiß-
mangel geschwächte Denkvermögen der Bevölkerung be-
leben. Nur für richtige Lösungen ist als Preis der wolle
Bezug aller Aufrufe gedacht. Die Auflösung der Rätsel
wurde auf 314 Schreibmaschinenseiten allen Gaststätten
und Lebensmittelgeschäften zugänglich gemacht.
Da Gaststätten und Lebensmittelgeschäfte von dem
Preisausschreiben ausgenommen wurden, hat man speziell
für diese Stellen im Rahmen des gleichen Volksbildungs-
programms einen Chemieschnellkursus eingerichtet. Falls
der eine oder andere Leser sich auch daran beteiligen
möchte, geben wir Ihnen nachfolgend einen Auszug aus
dem „Handzettel" Nr. III (Originaltext):
solch einen Schandpfahl aufgerichtet, ist er bald vom
Spiel der kräftigen Leitbullen gestürzt, ein Menetekel
für alle Ungläubigen.
Dem ganzen Volke sind die Autos heilig. Sie parken auf
Straßenübergängen und auf Trambahnschienen, und stun-
denlang warten die geduldigen Trambahner, bis so eine
verdöste Autokuh sich von ihrem Ruheplatz entfernt;
niemand würde sie vertreiben oder .verschieben. Und
wenn sich in den engen Straßen der Altstadt zwei Autos
verklemmt haben, kommen die Leute, streicheln sie und
reichen ihnen wohl auch ein Tränklein Kühlerwasscr
und helfen ihnen voll Ehrfurcht auf die Räder.
Das Land um Kischnapur ist ein einziger Autofricdhof,
kein Fußbreit, wo nicht so ein alter Veteran seiner Auf-
lösung entgegengeht, aber niemand wird seine ewige
Ruhe durch Abmontieren stören, das verbietet die heilige
Scheu. Nur an den Feiertagen zieht jung und alt hinaus
und schmückt die stillen Kraftwagen mit Blumen, und
mancher sprengt ein paar Tröpfchen geweihtes Rohöl
unter die rostige Kühlerhaube.
7. Merkmale der neuen Reisemarken und Tageskarten
der 109.—113. Zuteilungsperiode.
Um das Erkennen von falschen Reisemarken bzw.
Tageskarten zu erleichtern, wird mitgeteilt, daß bei
diesen Karten beim Betupfen mit Salmiakgeist die
rote Grundfarbe in blaurot umschlägt. Erst allmäh-
lich kehrt der Ursprungston rot wieder. Die Prüfung
ist aber auch mit Hilfe einer kaustischen Sodalösung
oder verdünnten Natronlauge möglich. Der Farben-
umschlag nach blauviolett ist im Gegensatz zu dem
Versuch mit Salmiakgeist beständig. Nur durch Be-
tupfen mit verdünnter Salzsäure wird die Grund-
farbe rot wieder sichtbar. Die Nebenfarbe ..grün"
der Reisemarken und Tageskarten reagiert nur auf
Salmiakgeist. Beim Betupfen verschwindet die Neben-
farbe grün vorübergehend, um dann langsam wieder
als grün aufzutreten.
22. Januar 1948. Stadtrat München.
Ernährungsamt Abt. B.
Ob mit Salmiakgeist oder mit kaustischer Sodalösung,
nachgerade erscheinen dem SIMPL die Herren Ernäh-
rungsfachleute auch leicht betupft. M. S.
WENN SIE EINST NACH SCHULD FRAGEN
—warum die zweite Republik-, noch ehe sie be-
gann, zu Ende war — ja, wessen Schuld war es?
SCHULD waren unsere Beamten, die hinter
hohen Schaltern diejenigen anschnauzten, von
deren Steuergroschen sie lebten.
SCHULD waren die Bauern, die der Versuchung
nicht widerstanden und zwischen Ehrlichkeit
und Raffgier den Weg zu den Kolchosen wählten.
SCHULD waren die Handwerker, die schamlos
die Armen erpreßten, denn es war ja ihre große
Stunde.
SCHULD war die Polizei, die den Verkehr auf
den Straßen der Schwarzen Märkte säuberlich
regelte, doch selbst nicht säuberlich blieb.
SCHULD waren die Kaufleute, denn zeigt mir
den, der wirklich redlich war!
SCHULD waren die Minister, die hilflos solches
geschehen ließen, SCHULD waren die Priester,
die ihren Mund nicht zu Worten öffneten, die
Gott ihnen zu solchem Treiben zu sagen befahl,
SCHULD waren die Redakteure, die mit Samt-
pfoten berührten, was mit Mistgabeln noch zu
zart angefaßt worden wäre, SCHULD waren die
Parteien, die die Finger nicht auf die schwären-
den Wunden legten, da sie sich vor Angst um
Wählerstimmen in die Hosen schissen, SCHULD
waren die Weltmächte, die vergaßen, daß schon
einmal eine viel bessere Demokratie unter musi-
kalischer Begleitung verraten wurde.
SCHULD warst du, wart ihr alle, Freunde in den
Landen, indem ihr — ein zweitesmal geschehen
ließet und zusaht. Denn immer wird derjenige
vor der Weltgeschichte verurteilt, der sich resi-
gnierend ergibt, der nicht die heilige Fackel des
Zornes entzündet.
SEID NICHT UNTERTAN DER OBRIGKEIT —
sie ist euer Diener, das ist Demokratie, ihr Ver-
schlafenen, ihr Mitläufer unter den Scheintoten!
SCHULDIG! SCHULDIG! G. W. Borth
AUS DER WISSENSCHAFT
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Jeder Deutsche hat nicht nur einen Schutzengel, sondern auch einen amerikanischen Steuerzahler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Jeder Deutsche hat nicht nur einen Schutzengel, sondern auch einen amerikanischen Steuerzahler"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 3, S. 29.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg