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Zugegeben, es sind schlechte Zeiten,
Zugegeben, es ist heut nicht schön.
Doch es kann kein deutscher Mensch bestreiten,
daß verschiedne Dinge vorwärtsgehn.
Immer Mut, immer Mut,
war die 110. Periode auch nicht gut.
Zwar gibt es noch keine Hemdenknöpfe,
und das Schuhband ist noch aus Papier.
Doch es gibt schon Schmink- und Hautcremetöpfe
und auch Äschenbecher kriegen wir.
Einerlei, einerlei,
in der 120. Periode gibt's ein Ei.
Noch gibt es ja keine Hosenträger,
und ein Streichholz ist 'ne Rarität.
Dafür gibt es literweis Aroma,
und die Suppenlöffelindustrie die geht.
Überleg's, überleg's,
in der 130. Periode gibt's ein' Keks.
Keine Wolle, keinen Zwirn und keine Nadel,
Keinen Besen, keinen Lappen, kein Stück Draht.
Aber immerhin schon Kleiderhaken,
falls 'ne Frau vielleicht zwei Kleider hat.
Halt dich frisch, halt dich frisch,
in der 140. Periode gibt's ein' Fisch!
Langsam geht es allenthalben aufwärts,
jeder merkt's. Es kommt (uns) langsam hoch.
Was wir gar nicht suchen, ist zu finden,
was wir brauchen, da ist nur ein Loch.
Nur Geduld, nur Geduld,
in der 150. Periode gibt's
Tumult.
Heinz Hartwig
VORSICHT, EINSTURZGEFAHR!
Kühner Wanderer, der du ohne Schießeisen in stürmischer Nacht durch das dunkle
Labyrinth der Großstadt deiner Behausung zusteuerst, trage neben dem Kartoffelstampfer
auch eine gußeiserne Kopfbedeckung. Ja, ich rate sogar, sie selbst am Tage aufzu-
setzen; der berühmte fallende Ziegelstein ist bekanntlich keine Seltenheit mehr. Gewiß,
diese Vorsicht mag vielleicht übertrieben sein, aber wer unterhaltsbedürftige Per-
sonen hat, wird bald meiner Ansicht sein
Die Schadenersatzansprüche hängen wie die Mauerbrocken der brüchigen Fassaden in
der Luft. Ohne Kadi ist nichts zu regeln; daher für die Angehörigen der erste Gang
1 vom Friedhof zum Rechtsanwalt. Nur ein pfiffiger Advokat kann mit langen Schrift-
sätzen das engmaschige Paragrapbennetz durchschneiden, in das der arme Tote wider
Willen verstrickt ist. An sich handelt es sich nur um Bettelrenten; der Fall wäre
daher einfach. Aber leider gibt es Oberländesgerichte, die anderer Meinung sind, und
schließlich einen ganz großen Unterstützungsdrückeberger, den Vater Staat.
Man genierte sich zwar nicht, für zehn Jahre im voraus die Hauszinssteuer abzupressen,
ferner, nach dem Reichsleistungsgesetz in vielen Städten die Ruinen zu beschlagnahmen,
ohne die Rechte und Pflichten der Hauseigentümer zu übernehmen. Der Trümmerbesitzer
muß jedoch trotzdem gemäß § 836 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Haftung für
Ersatzansprüche der Verletzten übernehmen. Stellen Sie sich vor, wenn sich das ein
Privatmann erlaubte!
Der moderne Hiob sträubt sich nun verständlicherweise gegen diese Zumutung. Gerne
hätte er sein Gebäude längst eingedacht oder zumindest im eigenen Interesse vor wei-
terem Verfall gesichert. Wer möchte nicht seine Papiermärker verbauen? Aber woher
Arbeiter und Material? Nun, das weiß jedes Kind, jedoch nicht die Mandarine in den
Justizpalästen. Der Beschädigte muß erst umständlich eine Rechtsvermutung für ein
etwaiges Verschulden des Hausbesitzers einreichen. Dieser wieder versucht den zeit-
raubenden Entlastungsbeweis zu eibringen, daß er unter den heutigen Umständen die
zu erwartende Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Der kostspielige Rechtsstreit endet, wie
häufig zu erwarten, remis.
Der Beschädigte oder die Hinterbliebenen berufen sich nun auf höhere Kriegsgewalt.
Ein logisch ganz klarer Einwand. Für zwei Oberlandesgerichte jedoch nicht, Die dor-
tigen Salomone erklären dem staunenden Laien u. a.: Der Kausalzusammenhang im
adäquaten Sinne gilt als unterbrochen, weil das schädigende Ereignis zwei oder drei
Jahre nach Kriegsschluß nicht mehr als unvermeidliche Folge der Kriegsereignisse im
Sinne der Kriegsschädenverordnung angesehen werden kann.
Ja, so ist es, nicht die Royal Air Force, Spatzen haben die deutschen Städte bombardiert
Und du Kriegsbeschädigter ohne nicht erltältliche Prothesen, gib acht, falls sich das Ge-
brechen dadurch verschlimmert, daß man dir nicht die höhere Versehrtenstufe wegen
unterbrochenen Kausalzusammenhangs im adäquaten Sinne streitig macht. Adalbert Zech
„Das glauben Sie doch selber nicht, daß in dem Papp da
500 Kalorien sind."
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Zugegeben, es sind schlechte Zeiten,
Zugegeben, es ist heut nicht schön.
Doch es kann kein deutscher Mensch bestreiten,
daß verschiedne Dinge vorwärtsgehn.
Immer Mut, immer Mut,
war die 110. Periode auch nicht gut.
Zwar gibt es noch keine Hemdenknöpfe,
und das Schuhband ist noch aus Papier.
Doch es gibt schon Schmink- und Hautcremetöpfe
und auch Äschenbecher kriegen wir.
Einerlei, einerlei,
in der 120. Periode gibt's ein Ei.
Noch gibt es ja keine Hosenträger,
und ein Streichholz ist 'ne Rarität.
Dafür gibt es literweis Aroma,
und die Suppenlöffelindustrie die geht.
Überleg's, überleg's,
in der 130. Periode gibt's ein' Keks.
Keine Wolle, keinen Zwirn und keine Nadel,
Keinen Besen, keinen Lappen, kein Stück Draht.
Aber immerhin schon Kleiderhaken,
falls 'ne Frau vielleicht zwei Kleider hat.
Halt dich frisch, halt dich frisch,
in der 140. Periode gibt's ein' Fisch!
Langsam geht es allenthalben aufwärts,
jeder merkt's. Es kommt (uns) langsam hoch.
Was wir gar nicht suchen, ist zu finden,
was wir brauchen, da ist nur ein Loch.
Nur Geduld, nur Geduld,
in der 150. Periode gibt's
Tumult.
Heinz Hartwig
VORSICHT, EINSTURZGEFAHR!
Kühner Wanderer, der du ohne Schießeisen in stürmischer Nacht durch das dunkle
Labyrinth der Großstadt deiner Behausung zusteuerst, trage neben dem Kartoffelstampfer
auch eine gußeiserne Kopfbedeckung. Ja, ich rate sogar, sie selbst am Tage aufzu-
setzen; der berühmte fallende Ziegelstein ist bekanntlich keine Seltenheit mehr. Gewiß,
diese Vorsicht mag vielleicht übertrieben sein, aber wer unterhaltsbedürftige Per-
sonen hat, wird bald meiner Ansicht sein
Die Schadenersatzansprüche hängen wie die Mauerbrocken der brüchigen Fassaden in
der Luft. Ohne Kadi ist nichts zu regeln; daher für die Angehörigen der erste Gang
1 vom Friedhof zum Rechtsanwalt. Nur ein pfiffiger Advokat kann mit langen Schrift-
sätzen das engmaschige Paragrapbennetz durchschneiden, in das der arme Tote wider
Willen verstrickt ist. An sich handelt es sich nur um Bettelrenten; der Fall wäre
daher einfach. Aber leider gibt es Oberländesgerichte, die anderer Meinung sind, und
schließlich einen ganz großen Unterstützungsdrückeberger, den Vater Staat.
Man genierte sich zwar nicht, für zehn Jahre im voraus die Hauszinssteuer abzupressen,
ferner, nach dem Reichsleistungsgesetz in vielen Städten die Ruinen zu beschlagnahmen,
ohne die Rechte und Pflichten der Hauseigentümer zu übernehmen. Der Trümmerbesitzer
muß jedoch trotzdem gemäß § 836 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Haftung für
Ersatzansprüche der Verletzten übernehmen. Stellen Sie sich vor, wenn sich das ein
Privatmann erlaubte!
Der moderne Hiob sträubt sich nun verständlicherweise gegen diese Zumutung. Gerne
hätte er sein Gebäude längst eingedacht oder zumindest im eigenen Interesse vor wei-
terem Verfall gesichert. Wer möchte nicht seine Papiermärker verbauen? Aber woher
Arbeiter und Material? Nun, das weiß jedes Kind, jedoch nicht die Mandarine in den
Justizpalästen. Der Beschädigte muß erst umständlich eine Rechtsvermutung für ein
etwaiges Verschulden des Hausbesitzers einreichen. Dieser wieder versucht den zeit-
raubenden Entlastungsbeweis zu eibringen, daß er unter den heutigen Umständen die
zu erwartende Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Der kostspielige Rechtsstreit endet, wie
häufig zu erwarten, remis.
Der Beschädigte oder die Hinterbliebenen berufen sich nun auf höhere Kriegsgewalt.
Ein logisch ganz klarer Einwand. Für zwei Oberlandesgerichte jedoch nicht, Die dor-
tigen Salomone erklären dem staunenden Laien u. a.: Der Kausalzusammenhang im
adäquaten Sinne gilt als unterbrochen, weil das schädigende Ereignis zwei oder drei
Jahre nach Kriegsschluß nicht mehr als unvermeidliche Folge der Kriegsereignisse im
Sinne der Kriegsschädenverordnung angesehen werden kann.
Ja, so ist es, nicht die Royal Air Force, Spatzen haben die deutschen Städte bombardiert
Und du Kriegsbeschädigter ohne nicht erltältliche Prothesen, gib acht, falls sich das Ge-
brechen dadurch verschlimmert, daß man dir nicht die höhere Versehrtenstufe wegen
unterbrochenen Kausalzusammenhangs im adäquaten Sinne streitig macht. Adalbert Zech
„Das glauben Sie doch selber nicht, daß in dem Papp da
500 Kalorien sind."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Frühjahrssturm"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "„Das glauben Sie doch selber nicht, daß in dem Papp da 500 Kalorien sind."
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 5, S. 54.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg