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helmut august in: IjA SYMPHONIE 3I1XISTEKIALE

Kurze Inhaltsangabe: Die stolze „Abraxas", mit
einer Fracht wertvoller Melodien an Bord, schau-
kelt bei ihrer Jungfernfahrt in der Bayerischen
Staatsoper fünf Abende lang auf den hochgehenden
Wogen des allgemeinen Beifalls. Ihr Stapellauf
steht unter einem guten Stern, denn bei Presse
und Publikum geht die Fahrt glatt. Plötzlich je-
doch verschwindet sie mit Mann und Maus von
der Bildfläche des Spielplans; die „Abraxas" sei,
so verlautet, auf die gefährliche Klippe der
Währungsreform aufgelaufen und dabei in ihren
nicht sehr soliden Grundfesten erschüttert worden.
So soll die kaum faßliche Kunde den trauernden
Musikhinterbliebenen faßlich gemacht werden, wo-
bei der Schaden als erheblich, wenn auch nicht
ganz genau beziffert wird. Spätere Untersuchungen
an der Unglücksstelle erbringen den Beweis, daß
der Komponist Werner Egk mit der „Abraxas"
einem wohlgezielten Unterwassertorpedo erlegen
ist. Damit erhöht sich die Versenkungsziffer der
• bayerischen Kulturbeflissenen, die ihr Pulver zu
diesem Zweck bei weitem noch nicht verschossen
haben, um ein weiteres, unerlaubtes Stück. An
dieser Stelle nun beginnt unsere sinfonische Dich-
tung, die zu deuten unser musikalischer Mitarbeiter
einen dankenswerten Versuch unternommen hat.

Der erste Satz hebt an mit einem ganz zarten
Pochen. Der Komponist pocht nämlich auf einige
sehr schöne Stellen seines vertraglich festgelegten
Rechts, hat er sich doch Anfang 1948 dem Staats-
intendanten Dr. Hartmann nur auf dessen Drän-
gen anvertraut, und nur unter der bindenden Zu-
sicherung, daß die „Abraxas" auch in der Spiel-
zeit 1948/49 auf dem Fahrplan bleibt. Auf Bitte
des Intendanten, der um die Staatszuschüsse bangt,
bleibt das Thema zunächst ein gedämpftes Solo
des Komponisten, allmählich jedoch stößt der
Autor vernehmlicher ins Horn, und schließlich
fallen andere Instrumente des öffentlichen Or-
chesters, die Dena und später die FDP ein. In
höchst eigenartiger Tonmalerei wird die „Abraxas"
noch einmal aus der Versenkung hervorgeholt.
Kurzes Zwischenspiel beim Staatsintendanten,

welches darauf hinausläuft, daß dieser in seinen
Vollmachten vom Ministerium her offenbar min-
derbemittelt ist und daß man daher die Staats-
oper hinsichtlich rechtsverbindlicher Abmachungen
als eine stark erwerbsbeschränkte Anstalt zu be-
trachten hat. Großer elegischer Schlußchor im
ersten Satz: Kurz war der Schmerz — und ewig
ist die Freude. Respektive umgekehrt, denn durch
den Zauberspruch Abra Kadabra des Kultus-
ministers bleibt die „Abraxas" verschwunden.

Der zweite Satz beginnt gar lieblich mit einem
recht heiteren Motiv nach opus 108 und 110 der
bayerischen Verfassung: Die Kunst, die Wissen-
schaft und ihre Lehre sind frei, und jeder Bayer
hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern.
Jedoch wird dieses schöne Motiv, seinerzeit zu
Papier gebracht und dort seither gut aufgehoben,
nur ganz schwach angedeutet, denn der weitere
Verlauf findet Dr. Hundhammer auf dem Diri-
gentenposten. Mit schön abgerundeten Bewegungen
bedient er die große Kulturpauke, und gewichtig
treten die Töne aus seinem Munde ins Freie des
bayerischen Landtages, wo man mit solchen tradi-
tionsgeschwängerten Darbietungen vor der CSU-
a Mehrheit eine gute Figur machen kann. Wir wol-
len frei sein, wie die Väter waren, die bekanntlich
auch nichts Unerwünschtes schaffen durften, das
ungefähr ist der Leitgedanke, der in diesem For-
tissimo verblüffend kräftig nach Ausdruck ringt.
Ganz leise untermalend spielt dazu die CSU-Block-
Flöte eine Art Hirtenmelodie im Hört-Hört-Stil,
die nötigen Flötentöne sind ihr in langwierigen
Orchesterproben beigebracht. Und hoch oben, fast
schon vom Schnürboden herab, ertönt weihevoll
eine feine, für den Kenner gerade noch hörbare
Oberstimme, eine Interessen-Sphären-Musik, die
beschwörend darauf hinweist, daß in dem Trei-
ben eines ohnehin schon frivolen Balletts ein sitt-
liches Prinzip kaum erkennbar sei. „Solche Dinge
sind nicht auf Kosten des bayerischen Steuerzahlers
aufzuführen", wuchtet die Moralpauke wiederum
hinein, denn sie hat die Meinung der Steuerzahler
und die Verwaltung über deren Gelder alleine
gepachtet; die salon-unfähige „Abraxas" wird

hinabgewürdigt in den Orkus, von wannen sie
nach Ansicht des Ministerial-Dirigenten gekommen
ist. Es wallet und siedet und brauset und zischt
noch einmal durch das ganze Orchester und wirft
große Wortblasen, die der akustischen Darbietung
einen ausgesprochen düsteren Charakter verleihen.
Auch für das folgende Scherzo „Warum nicht
gleich so? Warum erst nach Vertragsabschluß?"
findet sich ein Kontrapunkt, der allerdings nicht
ganz durchschlägt: Die Kosten, ja die Kosten
waren zu hoch! So waren die Dinge keineswegs
blitzartig zu entwickeln, erst nach fünf überaus
erfolgreichen Aufführungen erfüllte das Kultus-
ministerium sein vorgeschriebenes und hoch be-
messenes kulturelles Soll. Dem Komponisten wurde
von der Ueberlandzentrale her, sozusagen fern-
gelenkt, der Strom abgeschaltet und das Kunst-
werk verfiel der Demontage. Wie wunderbar und
doch so einfach ist dieses Tongefüge in seiner
patriarchalischen Abstufung, ein dezentes Ge-
brauchsmuster prädemokratischer Arbeit. Wir
blicken in die Abgründe einer inneren Harmonie
und freuen uns, daß die Dehnbarkeit der Grund-
rechte so beglückende Fortschritte macht.

Hier bricht die Symphonie ministeriell ab, denn
bei Redaktionsschluß war sie noch eine unvoll-
endete. Der dritte Satz spielt demnächst im glei-
chen Theater, wo das CSU-Orchester in der
Sitzung vom 22. Februar wieder die gleichen
Plätze und die gleiche Stellungnahme bezichen
wird. Das Thema Grundrechte des Staatsbürgers
soll hier noch einmal anklingen, denn der Dirigent
Dr. Hundhammer hat zwar die Frage nach der
Rechtmäßigkeit seines Vorgehens in einer die Zu-
hörer erschöpfenden Weise beantwortet, ohne je-
doch eigentlich mit sachdienlichen Angaben darüber
aufzuwarten. Es handelt sich darum, ob man den
sehr strapazierfähigen Stoff der staatsbürgerlichen
Freiheit nach der Methode eines geschickten Her-
renschneiders bearbeiten darf: Es läßt sich alles,
alles wenden. Es wäre dies ein Trugschluß, der
einem Politiker zwar wohl anstent, bei dem n an
sich indes leicht ein;n Verfassungsbruch anheben
könnte.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"La Symphonie Ministeriale"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 4, S. 41.

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