Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Bring mir 'n Glanz", sagte
meine Frau, als ich weggehen
wollte. — „Wo?" fragte ich.
„Bei Zißke natürlich."
Es kam mir zwar nicht ganz
geheuer vor, wieso Zißke, der
Buchhändler, neuerdings Derartiges führen sollte,
jedoch der Befehl meiner Frau ist mein Wunsch.
„Sie wünschen?" fragte Zißke.
„Glanz, bitte", sagte ich vorsichtig.
„Sie meinen wohl Bohnerwachs", sagte er, „bitte
im Laden gegenüber".

Hatte ich mir doch gleich gedacht, daß ich an die
falsche Adresse gekommen war. Und ging an die
richtige.

„Glanz?" fragte die Verkäuferin, „Sie meinen
sicher Schuhcreme?"

Die Sache wurde langsam verwickelt. Ich hätte
mich doch bei meiner Frau genauer erkundigen
sollen. „Mag sein", sagte ich zögernd, „geben
Sie mir eine Schachtel Schuhcreme. Aber packen
Sie vorsichtshalber noch eine Schachtel Bohner-
wachs hinzu."

„Ja", sagte die Verkäuferin, „aber es kann
natürlich auch Haarglanz gemeint sein. Ich habe
da ein ganz ausgezeichnetes Mittel." Sie zeigte
es mir. Ich fand es ebenfalls ausgezeichnet Und
ich dachte an meine Frau und ihr enttäuschtes
Gesicht, wenn ich, wie schon so oft, etwas Fal-
sches bringen würde. „Packen Sie ein."
Die Verkäuferin packte ein. Und während sie
einpackte, sprach sie träumerisch: „Da der Herr
nicht genau orientiert ist, was die Frau Gemahlin
im Auge gehabt hat, vielleicht hat sie eine Möbel-
politur im Auge gehabt?"

Ich konnte es mir zwar nicht vorstellen, daß
meine Frau eine Möbelpolitur in ihren hell-
blauen Augen gehabt haben sollte, aber besser
war es natürlich, vorzusorgen. „Gut, also auch
das", sagte ich.

„Obwohl natürlich", die Verkäuferin schien Phan-
tasie zu besitzen, „es nicht unbedingt gesagt ist,
daß der Herr damit das Richtige trifft. Küchen-
glanz, das wäre auch noch eine Möglichkeit--"

Ich nickte stumm. Und zu dem Bohnerwachs, der

E. Croissant

fflaaz

Schuhcreme, dem Haarglanz
und der Möbelpolitur gesellte
sich noch ein Paket Scheuer-
sand. Worauf ich der Phan-
tasie der Verkäuferin Zügel
anlegte, meine Erwerbungen
in die Aktentasche pfropfte und entwich. Jedoch,
wie es nun einmal im Leben mit den lautersten
Absichten zu gehen pflegt: sie ernten selten Dank.
„Bist du wahnsinnig?" fragte meine Frau, als
ich meine Schätze vor ihr aufbaute.
„O nein", sagte ich mit heroisch gespielter Lustig-
keit, „ich bin in glänzender Laune. Es war
nicht ganz einfach, alle Möglichkeiten abzu-
grasen, die du mit dem etwas einsilbigen Wort
gemeint haben könntest, aber du siehst, ich habe
getan, was ich tun konnte."

„Du hast mehr als das getan", sagte meine Frau
höhnisch, „du hast dich unsterblich blamiert. Von
niemand geringeren als Goethe stammt — — —"
„Was stammt von Goethe?" Ich betrachtete for-
schend meine Glanz-Kollektion, ohne irgendeine
Verbindung zwischen ihr und Goethe zu entdecken.
„Von Goethe stammt der Satz, daß das Cha-
rakteristische unter drei Hauptrubriken begriffen
werden kann — — —" „Hoch Goethe!"
„Das erste, das Mächtige, wird durch das Ueber-
gewicht der aktiven, das zweite, das Sanfte, durch
das Uebergewicht der passiven Seite, das dritte,
das Glänzende, durch die Totalität und Darstel-
lung des ganzen Farbkreises im Gleichgewicht her-
vorgebracht." „Der Mann ist enorm."
„Und du bist ein Bildungstrottel, mein Lieber."

>'°h!"

„Denn was liegt näher, als daß eine Zeitschrift,
die die schönen Künste pflegen will, sich dem-
zufolge ,Glanz' nennt?"

Ich ließ die Kollektion fallen. Ich faßte mich an
die Stirn. Ich ging in mich, denn ich war natürlich
außer mir: Wie hatte ich mich nur so unsterblich
blamieren können.

„Entschuldige", sagte ich, „bitte vielmals um Ent-
schädigung. Natürlich, was liegt näher, als daß
eine Zeitschrift angesichts der Selbstverständlich-
keit gerade dieses Goethewort sich ,Glanz' nennt."

GOETHEPREISTRAGER GESUCHT

NEUERSCHEINUNGEN
AUF DEM BÜCHERTISCH

„Der Roman soll das deutsche Volk da suchen,
wo es in seiner Tüchtigkeit zu finden ist, nämlich
bei seiner Arbeit." Julian Schmidt

Hellmuth Molari: EROSIO DENTIUM

P. Hinterlist Verlag, Fribourg i. B. 1032 Seiten,

gebunden, mit Schutzumschlag: 1 Pfd. amerik.

Bohnenkaffee.

Nach dem guten Arzt-Roman nun der längst er-
wartete, gute Zahnarztroman!

Mit meisterhafter Feder umreißt der Autor die
markigen Gestalten der Kassenpatienten und ihres
jungen Betieuers, des Dr dent. Gustav Fistel, der
aus der bütgerlichen Enge semer Praxis um seiner
Ideale willen in die SA eintritt, im späteren Ver-
laufe des Krieges aber dennoch eingezogen wird
und schließlich als Lagerdentist in einem Inter-
nierten-Camp den Weg in die Demokratie zurück-
findet Der Wert dieses Buches besteht darin, daß
es in klarem Abstand von den Dingen die zahn-
arzneikundlichen Verhältnisse kennzeichnet, die
den Helden formten und ihn seine Mission als
Deutscher und Zahnbehandler erfüllen ließen.
Gebürtiger Maulbronner, gegen jede Caries —
komme sie von rechts, komme sie von link's —,
sieht er sich hineingerissen in das Getriebe der
ersten Hofbräuhaus-Saalschlachten, nimmt teil an
den Absnerrungsmaßnahmen beim Fackelzug nach
der Machtergreifung und stellt auch später, be-
sonders in dei Kristallnacht 1938. seinen Mann.
Während seine äußere Laufbahn ihm Ehrunqen
über Ehrungen beschert — er wird Oberschar-
führer und Mitqüed der Reichsärztekammer —,
bleibt er innerlich der stille Gelehrte, der er stets
war Seine Auseinandersetzungen mit dem Sudeten-
deutschen Spezialisten Weinstein über periostiti-
sche Odontalgie, über die Rolle von kohlensaurer
Magnesia bei der Bekämpfunq von AbschnpDimgen
der Gaumenschleimhaut, sowie über die Bedeutung
halbmondförmiqei, mit Rinnenbildung verbundener
Defekte in den Schneidezähnen vermitteln dem
Leser Erlebnisse von unerhörter Spannunq, voll
jenes Schauderns, das letzte Einsicht in die ge-
heimsten Rezirke menschlicher Schicksalsgebunden-
heit gewährt.

Risse und Spalten entstehen bei Krieasausbruch
nicht nur in den konvexen Vorderflächen seiner
4 Eckzähne, sondern auch in seinem Vertrauen zum
Nationalsozialismus. Nach Stalingrad fällt dieses
Vertrauen fauliger Zersetzung anheim und der Er-
halt des Gesteliunqsbefehles, der kurz darauf ein-
trifft, gibt ihm den Rest. „Mein Vater Parseval
trug eine Emailmantel-Krone .", philosophiert er
in der schlaflosen Nacht nach der Musterung.
„Ich hätte diese nationalproletarische Arbeiter-
bewegung niemals unterstützen sollen. . !" Und
diese Erkenntnis — spät errungen, jedoch nicht zu
spät —, bealeitet ihn nach weninen Wochen ins
Feld, in die Etappe nach Frankreich,
Ein reiches Liebesqeschehen zieht sich wie ein
roter Faden durch das ganze Werk. Zwei Sprech-
stundenhilfen, mehrere Krankenschwestern und
eine Wehrmachtstelegraphistin müssen, der Reihe
nach, daran glauben. Erst nach seiner Entlassung
und Entnazifizierung jedoch findet der gereifte
Fistel — nunmehr musikgewordenes Heimweh nach
bürgerlicher Beschaulichkeit —, die Lebensaefähr-
tin, die er erträumt Die Schweinemetzgerswitwe
Ursula Riezler, geb. Schöps, der er nach dem ersten
Kusse täqliche, wiederholte Reiniqung des Mundes
zwecks Verhinderung von Fäulnisvorgänqen emp-
fiehlt, wird seine Frau und sorgt dafür, daß sowohl
vor wie nach der Währunosreform der Tisch des
schlichten Gelehrtenhaushaltes wohl gedeckt ist.
Das Bild eines großen, schön gelebten Lebens ent-
rollt sich vor dem Leser und gibt ihm zugleich
so viel an medizinischen Kenntnissen mit, wie der
Zahnarzt bei seinen Patienten vorzufinden wünscht.

JOSEF HÄFELE, DER GALVANOKAUSTIKER
Ein Lebensbild von Schillips Zurwesten-Sakko
Der Roman des mehrfach mit Trostpreisen aus-
gezeichneten Dichters führt uns mitten in ein
reiches Ätzerleben hinein. In der auf wahre Be-

„DER SIMPL" erscheint im Monat zweimal

Bezugspreis pro Monat DM 1.— 7uzüglich 6 Pfg. Zustell-
gebühr Verlag ..DER SIMPL" (Freitag-Verlag), München 23.
Werneckstraße 15a. Fernruf: 362072. Postscheckkonto: DER
SIMPL München Nr 91999. — Herausgeber und allein ver-
antwortlicher Chefredakteur: Willi Ernst Freitag. — Redaktion:
M. Schrimpf — Sprechstunden: Dienstag und Donnerstag von
9 bis 12 Uhr. — Für unverlangt eingesandte Manuskripte und
Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen. Freiumschlag ist
beizulegen. — Anzeigen nach Preisliste 1 vom 1. 9. 1948. An-
zeigen-Verwaltung: Neue Haasenstein & Vogler Gesellschaft für
Wirtschaftswerbung m b.H. München 1, Roman-Mayr-Haus (Kau-
fingerstr. 1/2). Tel. 2558. — Klischees- Brend'amour. Simhart &
Co., Graphische Kunstanstalt München. — Druck: Süddeutscher

Verlag GmbH München 2, Sendlinger Str 80
Copyright by Freitag Verlag 1946 — Published under Military-
Government Information Control License No US-E-148.

46
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Goethepreisträger gesucht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 4, S. 46.

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen