W.Schäfer: KINDER UNERWÜNSCHT
DER ENTBUROKRATISATOR
Verwaltungsvereinfachung in M. hat begonnen
Nach langen, zeitraubenden Vorverhandlungen der
Sparausschüsse unserer Stadt wurde nun der be-
kannte Rationierungsfachmann Direktor Neubesen
durch deSi Oberbürgeimeister in sein neues Amt
als Entbürokratisator eingeführt. In den schlich-
ten, mit Marmor und antiken Möbeln zeitlos 'ein-
fach und doch geschmackvoll ausgestatteten Amts-
räumen des Spargrossisten fand eine von Musik
der Philharmoniker unter Furtwängler dezent um-
rahmte Feier mit kleinem Imbiß statt. Getreu der
Devise,"am eigenen Leib mit dem Sparen zu be-
ginnen, setzte Direktor Neubesen dabei seinen
Gästen ausschließlich deutschen Schinken zu deut-
schem Gurkensalat mit deutschem Sekt vor, wo-
für keinerlei devisenraubende Einfuhren nötig
waren, und gab während des Essens in kurzen
Zügen die von ihm beabsichtigten Maßnahmen
zu großzügigen Einsparungen bekannt.
Als erstes soll die stromfressende Straßenbahn
aus dem Verkehr gezogen und durch Rikschas
ersetzt werden. Die vori Menschenkraft getriebe-
nen kleinen Ziehwägelchen würden eine Reihe
Arbeitsloser ins Brot setzen und der Stadt die
großen, durch Schwarzfahrer noch erhöhten Ko-
sten ersparen. In den 'öffentlichen Krankenanstal-
ten werden, wie bisher nur die Patienten dritter
Klasse, nunmehr auch die gut zahlenden Kran-
ken zu pflegerischen und häuslichen Arbeiten wie
Schüsseln ausleeren, Betten machen, Boden wi-
schen, Wäsche flicken und Essen herumtragen ver-
pflichtet, wodurch zahlreiches Pflegepersonal über-
flüssig werden wird.
Besonders groß ist noch immer der tägliche Ver-
lust an Leitungswasser durch unachtsames Han-
tieren mit den Hähnen. Daher wird die Wasser-
zufuhr^für die Sommermonate ganz gesperrt wer-
den, bis auf die Stunden zwischen 2 und 4 Uhr früh.
Bei den Ämtern sollen weitgehende Zusammen-
legungen stattfinden. Das Kultusministerium wird
in der Kirchenbehörde aufgehen, das Bestattungs-
amt dem Finanzamt eingegliedert werden. Die
Theaterzuschüsse werden weitgehend gestrichen,
(Jafür sollen heitere Gastspiele des Landtags den
verschiedenen Bühnen zu vollen Häusern verhel-
fen. Das Straßenverkehrsamt wird mit der Krimi-
nalpolizei (Abteilung für Schwarzhandelsbekämp-
fimg) zusammengelegt, das Staatssekretariat für
das Flüchtlingswesen wird aufgehoben und dafür
der Caritas Erlaubnis zu Straßensammlungen er-
teilt. Die noch auf Jahrzehnte hinaus beschäftig-
ten Wohnungsämter sollen gleichzeitig die Ab-
wicklung letzter Wehrmachtsdienststellen über-
nehmen. Der zweite Bürgermeister bekommt nur
noch einen Ehrensold und muß künftig auf eigene
Kosten reisen, sofern ihm die Reiselust nicht ganz
vergehen sollte unter den Abstrichen seiner ho-
hen Bezüge.
Dies nur einige kurze Auszüge aus weitgreifen-
den Darlegungen des bekannten Sparers!
Für das Spar-Büro wurden die oberen Stockwerke
des Rathauses und des Hochhauses geräumt. Die
bisher darin untergebrachten Behörden wurden
in neu erstellte, zwanglos über das Stadtgebiet
verteilte Räume umguartiert, womit jedem Bür-
ger die Möglichkeit gegeben ist, seine Vater-
stadt in zahlreichen Rundfahrten in- und aus-
wendig kennenzulernen. Um dem Amt dl«
nötige Bewegungsfreiheit zu geben, wurden zahl-
reiche Personen- und Akten-Lastwagen Seiten»
der Stadt bereitgestellt. Ein Ober-, drei Uber-,
acht Neben- und siebzehneinhalb Unterausschüsse
der Entbürokratisierungskammer stehen Direk-
tor Neubesen beratend zur Seite; doch hofft der
bekannte Rationierer, ihre Zahl im Dienste der
guten Sache bald um ein Vielfaches zu erhöhen.
Von den 1083 Bewerbern um führende Stellungen
innerhalb des Amtsbereiches konnte aus Platz-
mangel bisher nur knapp die Hälfte untergebracht
werden, darunter elf ehemalige Spruchkammer-
angestellte. Für die notwendigen Schreibkräfte,
werden Steljungsuchende aus Norddeutschland'
herangezogen, für die Zuzug und Unterkunft be-
reits gesichert sind, nachdem von Einheimischen
die notwendige Sprech-Silbenzahl pro Minute be-
kanntlich nicht erreicht werden kann.
Das Amt hofft, sich in spätestens zwei Jahren
aus den bei anderen Behörden angeordneten Ein-
sparungen selbst erhalten zu können! Vir»
LANDERTAGUNG IN SALZBURG
„Gemäß Beschluß der letzten Ländertagung fand . . .
eine Landesgruppenleiter-Tagung in Salzburg unter
Vorsitz des Präsidenten Roeder-statt. , . Im An-
schluß an die Ausführungen des Präsidenten er-
folgte eine rege Diskussion bezüglich der Ermäch-
tigung der Laxidesgruppenleiter zur Aufnahme der
selbständigen Vertragsverhandlungen . . .
Referent Schwarzst3in verwies darauf, daß es not-
wendig sei, daß die Bundesländer in engster Füh-
lungnahme verbleiben, damit jede Landesgruppe
stets genau informiert sei . . .
Landesgruppenleiter Neumaier sprach nach Beendi-
gung der Tagesordnung dem Präsidenten Roeder
namens der Tagungsteilnehmer den herzlichsten
Dank aus für das Verständnis, das er den Landes-
gruppenleitern entgegenbrachte, und gab gleich-
zeitig die Versicherung ab, daß die Landesgruppen-
leiter, nachdem ihnen nunmehr der Weg frei ge-
macht wurde, ihr Bestes geben werden ... (Beifall!)
Präsident Roeder dankte dem Kollegen Neumaier
und erklärte, daß es immer sein Bestreben sein
wird, die Interessen der Kollegen in jeder Form zu
wahren und dem Berufsstand die Treue zu halten.
(Lebhafter Beifall!)"
Es handelt sich nicht etwa um einen Bericht über
die nach „Am Astloch der Welt" ausgehobene NS-
Geheimorganisation (Simpl Nr. 3 S. 29), sondern um
eine „Tagung der Landesgruppenleiter des öster-
reichischen Dentisten-Verbandes" in Salzburg, über
die in der „österreichischen Dentalrevue", 1948
S. 306, berichtet wird. Jetzt wissen wir endlich, wo-
her die AO der NSDAP ihre Dienstgrade und der
Durchschnittsdeutsche in den letzten 15 Jahren
seine Terminologie hatte. Ganz sicher aus Preußen
und Umgebung! K. S.
101
DER ENTBUROKRATISATOR
Verwaltungsvereinfachung in M. hat begonnen
Nach langen, zeitraubenden Vorverhandlungen der
Sparausschüsse unserer Stadt wurde nun der be-
kannte Rationierungsfachmann Direktor Neubesen
durch deSi Oberbürgeimeister in sein neues Amt
als Entbürokratisator eingeführt. In den schlich-
ten, mit Marmor und antiken Möbeln zeitlos 'ein-
fach und doch geschmackvoll ausgestatteten Amts-
räumen des Spargrossisten fand eine von Musik
der Philharmoniker unter Furtwängler dezent um-
rahmte Feier mit kleinem Imbiß statt. Getreu der
Devise,"am eigenen Leib mit dem Sparen zu be-
ginnen, setzte Direktor Neubesen dabei seinen
Gästen ausschließlich deutschen Schinken zu deut-
schem Gurkensalat mit deutschem Sekt vor, wo-
für keinerlei devisenraubende Einfuhren nötig
waren, und gab während des Essens in kurzen
Zügen die von ihm beabsichtigten Maßnahmen
zu großzügigen Einsparungen bekannt.
Als erstes soll die stromfressende Straßenbahn
aus dem Verkehr gezogen und durch Rikschas
ersetzt werden. Die vori Menschenkraft getriebe-
nen kleinen Ziehwägelchen würden eine Reihe
Arbeitsloser ins Brot setzen und der Stadt die
großen, durch Schwarzfahrer noch erhöhten Ko-
sten ersparen. In den 'öffentlichen Krankenanstal-
ten werden, wie bisher nur die Patienten dritter
Klasse, nunmehr auch die gut zahlenden Kran-
ken zu pflegerischen und häuslichen Arbeiten wie
Schüsseln ausleeren, Betten machen, Boden wi-
schen, Wäsche flicken und Essen herumtragen ver-
pflichtet, wodurch zahlreiches Pflegepersonal über-
flüssig werden wird.
Besonders groß ist noch immer der tägliche Ver-
lust an Leitungswasser durch unachtsames Han-
tieren mit den Hähnen. Daher wird die Wasser-
zufuhr^für die Sommermonate ganz gesperrt wer-
den, bis auf die Stunden zwischen 2 und 4 Uhr früh.
Bei den Ämtern sollen weitgehende Zusammen-
legungen stattfinden. Das Kultusministerium wird
in der Kirchenbehörde aufgehen, das Bestattungs-
amt dem Finanzamt eingegliedert werden. Die
Theaterzuschüsse werden weitgehend gestrichen,
(Jafür sollen heitere Gastspiele des Landtags den
verschiedenen Bühnen zu vollen Häusern verhel-
fen. Das Straßenverkehrsamt wird mit der Krimi-
nalpolizei (Abteilung für Schwarzhandelsbekämp-
fimg) zusammengelegt, das Staatssekretariat für
das Flüchtlingswesen wird aufgehoben und dafür
der Caritas Erlaubnis zu Straßensammlungen er-
teilt. Die noch auf Jahrzehnte hinaus beschäftig-
ten Wohnungsämter sollen gleichzeitig die Ab-
wicklung letzter Wehrmachtsdienststellen über-
nehmen. Der zweite Bürgermeister bekommt nur
noch einen Ehrensold und muß künftig auf eigene
Kosten reisen, sofern ihm die Reiselust nicht ganz
vergehen sollte unter den Abstrichen seiner ho-
hen Bezüge.
Dies nur einige kurze Auszüge aus weitgreifen-
den Darlegungen des bekannten Sparers!
Für das Spar-Büro wurden die oberen Stockwerke
des Rathauses und des Hochhauses geräumt. Die
bisher darin untergebrachten Behörden wurden
in neu erstellte, zwanglos über das Stadtgebiet
verteilte Räume umguartiert, womit jedem Bür-
ger die Möglichkeit gegeben ist, seine Vater-
stadt in zahlreichen Rundfahrten in- und aus-
wendig kennenzulernen. Um dem Amt dl«
nötige Bewegungsfreiheit zu geben, wurden zahl-
reiche Personen- und Akten-Lastwagen Seiten»
der Stadt bereitgestellt. Ein Ober-, drei Uber-,
acht Neben- und siebzehneinhalb Unterausschüsse
der Entbürokratisierungskammer stehen Direk-
tor Neubesen beratend zur Seite; doch hofft der
bekannte Rationierer, ihre Zahl im Dienste der
guten Sache bald um ein Vielfaches zu erhöhen.
Von den 1083 Bewerbern um führende Stellungen
innerhalb des Amtsbereiches konnte aus Platz-
mangel bisher nur knapp die Hälfte untergebracht
werden, darunter elf ehemalige Spruchkammer-
angestellte. Für die notwendigen Schreibkräfte,
werden Steljungsuchende aus Norddeutschland'
herangezogen, für die Zuzug und Unterkunft be-
reits gesichert sind, nachdem von Einheimischen
die notwendige Sprech-Silbenzahl pro Minute be-
kanntlich nicht erreicht werden kann.
Das Amt hofft, sich in spätestens zwei Jahren
aus den bei anderen Behörden angeordneten Ein-
sparungen selbst erhalten zu können! Vir»
LANDERTAGUNG IN SALZBURG
„Gemäß Beschluß der letzten Ländertagung fand . . .
eine Landesgruppenleiter-Tagung in Salzburg unter
Vorsitz des Präsidenten Roeder-statt. , . Im An-
schluß an die Ausführungen des Präsidenten er-
folgte eine rege Diskussion bezüglich der Ermäch-
tigung der Laxidesgruppenleiter zur Aufnahme der
selbständigen Vertragsverhandlungen . . .
Referent Schwarzst3in verwies darauf, daß es not-
wendig sei, daß die Bundesländer in engster Füh-
lungnahme verbleiben, damit jede Landesgruppe
stets genau informiert sei . . .
Landesgruppenleiter Neumaier sprach nach Beendi-
gung der Tagesordnung dem Präsidenten Roeder
namens der Tagungsteilnehmer den herzlichsten
Dank aus für das Verständnis, das er den Landes-
gruppenleitern entgegenbrachte, und gab gleich-
zeitig die Versicherung ab, daß die Landesgruppen-
leiter, nachdem ihnen nunmehr der Weg frei ge-
macht wurde, ihr Bestes geben werden ... (Beifall!)
Präsident Roeder dankte dem Kollegen Neumaier
und erklärte, daß es immer sein Bestreben sein
wird, die Interessen der Kollegen in jeder Form zu
wahren und dem Berufsstand die Treue zu halten.
(Lebhafter Beifall!)"
Es handelt sich nicht etwa um einen Bericht über
die nach „Am Astloch der Welt" ausgehobene NS-
Geheimorganisation (Simpl Nr. 3 S. 29), sondern um
eine „Tagung der Landesgruppenleiter des öster-
reichischen Dentisten-Verbandes" in Salzburg, über
die in der „österreichischen Dentalrevue", 1948
S. 306, berichtet wird. Jetzt wissen wir endlich, wo-
her die AO der NSDAP ihre Dienstgrade und der
Durchschnittsdeutsche in den letzten 15 Jahren
seine Terminologie hatte. Ganz sicher aus Preußen
und Umgebung! K. S.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Kinder unerwünscht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 9, S. 101.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg