Das Lied von der Raumordnung
„Raum ist in der kleinsten Hütte
für ein glücklich liebend Paar" . ..
Für ein Paar! — Doch schon der Dritte
bringt die Liebe in Gefahr.
Sind gar vier in einem Räume,
macht es uns noch wen'ger Spaß,
und bei fünfe, sechse, sieben
wird aus Nächstenliebe: Haß!
Und es singt dann voll Gemüt
die Belegschaft dieses Lied:
Mein Raum, der hat vier Ecken,
vier Ecken hat mein Raum.
Die Nachbarn soll'n verrecken,
das war mein schönster Traum.
Mein Raum, der hat vier Ecken.,
drin wohnen sieben Mann.
Das ist ein großer Schrecken,
da „eckt" man dauernd an.
Raum ist in der kleinsten Hütte,
wenn man gut organisiert.
Etwas Raum bleibt in der Mitte,
und die Ecken werd'n möbliert.
Eine Ecke ist die Küche,
drin steht ein geborgter Herd;
in der andern hängen Sprüche:
„Trautes Heim ist Goldes wert."
In der dritten wird studiert,
in der vierten: Schlaf zu viert.
W. Schäfer
WELTBÜRGER UND NATIONALISTEN
Mein Raum hat nur vier Ecken,
drum müssen wir im Raum
uns nach der „Ecke" strecken,
auch dann reicht er uns kaum.
Mein Traum das ist ein Zimmer
im Zwölfeck als Gemäß.
Da kam' ich in Eck-stase,
das war der Wohn-Eck-zeß!
Raum für alle hat die Erde,
heißt ein schöner alter Spruch.
Trotzdem hat die Menschenher'de
immer noch nicht Raum genug.
In den Welt räum vorzudringen,
ist das Ziel der Wissenschaft,
und im siebten Himmel singen
schon die Engel massenhaft
einen englischen Choral,
und der heißt im Or'ginal:
Der Raum hat keine Ecken,
denn Raum und Zeit sind gleich.
Herr Einstein hat's errechnet
im physischen Bereich.
Warum wir arm an Raum sind,
da weiß man jetzt Bescheid.
's ist relativ sehr ein jach:
Wir hab'n zu wenig .. . Zeit. H. H
R Kriesch
Großstadt bei Nacht oder Einer der auszog, das Gruseln zu lernen
Der Zeichner der „Neuen Frankfurter Illustrier-
ten" verbrachte unlängst eine schlaflose Nacht, um
seinen Lesern die Gelegenheit zu bieten, nach
Lektüre seiner Erlebnisse eine Reihe ähnlich ge-
störter Übernachtungen auszukosten. Er zog aus,
bewaffnet mit seinem Skizzenbuch, und registrierte
die Ereignisse.
Der Autor dieser Zeilen verbrachte die nämliche
Nacht schlaflos in der gleichen Großstadt (aller-
dings aus anderen, weniger professionellen Grün-
den). Er folgte dem Zeichner auf dem Fuß und
registrierte gleichfalls dieselben Ereignisse. Hier
das Resultat. Der Zeichner sah: „Nächtliche Jagd
auf einen Schatten: Halt! Stehenbleiben! Schein-
werfer leuchten auf, Schüsse fallen, Pfiffe einer
Signalpfeife . . . Entkommen."
Der Autor sah: „Feuchtfröhliche Jagd auf einen
Zechkumpanen: Halt! Stehenbleiben! Eine Taschen-
lampe blitzt auf. Einer zieht eine selbstfabrizierte
Knallerbse aus der Tasche. Päng. Der andre pfeift
die ,Kaprifischer'. Laut, aber falsch. Erwischen sie
ihn noch? Nein. Besoffene haben Glück. Die Haus-
-tür fällt ins Schloß. Prost, Bruderherz, ich bin
blau und müde. Nach Hause — entkommen."
Der Zeichner hörte: „Ein Schrei durch die Nacht:
„Von diesen blutrünstigen Filmen bist du so begeistert, aber wenn ich da-
heim deinen blöden Köter nur mal angucke, willste dich gleich scheiden lassen."
ein plötzlich erleuchtetes Fenster. Eine Frau beugt
sich weit heraus und ruft um Hilfe. Was ist
passiert? Einbruch? Feuer? Ein Ehedrama? Nie-
mand erfährt es. Plötzlich wird das Fenster
dunkel. Passanten starren noch Sekunden hinauf
und gehen dann weiter."
Der Autor hörte: „Einen Liebesschrei durch die
Nacht. Eine Dame im Nachthemd beugt sich weit
heraus und ruft ,Hilfe — ist das Leben schön'.
Was passiert ist, bleibt den Lesern überlassen, sich
auszumalen. Mit Einbruch und Feuer hat es jeden-
falls nur indirekt zu tun. Natürlich wird es
dunkel, nachdem sie das Fenster schließt. Passan-
ten, die nach oben hätten starren können, sind
leider nicht vorhanden, weil sie um diese Zeit
schon schlafen."
Der Zeichner bemerkte: „Dunkle Geschäfte in
dunkler Nacht: ein Lastwagen fährt vor einer
Toreinfahrt vor. Sechs Männer laden in großer
Hast Kisten ab. Keiner spricht ein Wort, nur
schnell, schnell, schnell und möglichst lautlos.
Wenige Minuten später liegt der Toreingang
menschenleer und verlassen. Der Wagen ist in der
Dunkelheit verschwunden."
Der Autor bemerkte: „Geschäfte in dunkler Nacht,
aber bei heller Lampenbeleuchtung. Ein Lastwagen
der Firma Pampelmuß & Söhne fährt vor der
Toreinfahrt des Hauptzollamtes vor. Sechs Männer
laden große Kisten mit Exporterzeugnissen von
Pampelmuß & Söhnen ab. Es wird wenig ge-
sprochen, aber viel geflucht. Die Arbeiter sind
hundemüde und beeilen sich daher. In wenigen
Minuten ist alles erledigt. Der Wagen fährt in
die Garage."
Der Zeichner beobachtete: „Gegen Morgen wird
der Schriftsteller in seinem Arbeitszimmer müde.
Bevor er sich hinlegt, blickt er noch einmal aus
dem Fenster und sieht dem monoton summenden
Flugzeug nach, das mit blinkenden Positions-
lampen den Flugplatz anfliegt."
Der Autor beobachtete: „Sich selbst. Denn niemand
anders als er kehrt gegen Morgen nach der durch-
bummelten Nacht in das Arbeitszimmer, das ihm
zugleich als Wohnzimmer und Küche dient, zurück.
(Wohin sollte er auch sonst gehen? Vielleicht in
das Atelier des Zeichners, der ihn unweigerlich für
Thomas Mann halten würde?) Tatsächlich blickt
er auch aus dem Fenster, ehe er schwankend auf
seine Bettstatt sinkt, aber nicht, um dem ,mono-
tonen Gesumm des Flugzeugs' zu lauschen, son-
dern . .. aber das ist schließlich Privatsache."
Moral der beiderseitigen Erlebnisse: selbst Vorfälle
in einer „Großstadt bei Nacht" können sehr relativ
beurteilt werden. Es kommt immer nur auf den
Standort (oder auf das Honorar) an. Pius Pätt
113
„Raum ist in der kleinsten Hütte
für ein glücklich liebend Paar" . ..
Für ein Paar! — Doch schon der Dritte
bringt die Liebe in Gefahr.
Sind gar vier in einem Räume,
macht es uns noch wen'ger Spaß,
und bei fünfe, sechse, sieben
wird aus Nächstenliebe: Haß!
Und es singt dann voll Gemüt
die Belegschaft dieses Lied:
Mein Raum, der hat vier Ecken,
vier Ecken hat mein Raum.
Die Nachbarn soll'n verrecken,
das war mein schönster Traum.
Mein Raum, der hat vier Ecken.,
drin wohnen sieben Mann.
Das ist ein großer Schrecken,
da „eckt" man dauernd an.
Raum ist in der kleinsten Hütte,
wenn man gut organisiert.
Etwas Raum bleibt in der Mitte,
und die Ecken werd'n möbliert.
Eine Ecke ist die Küche,
drin steht ein geborgter Herd;
in der andern hängen Sprüche:
„Trautes Heim ist Goldes wert."
In der dritten wird studiert,
in der vierten: Schlaf zu viert.
W. Schäfer
WELTBÜRGER UND NATIONALISTEN
Mein Raum hat nur vier Ecken,
drum müssen wir im Raum
uns nach der „Ecke" strecken,
auch dann reicht er uns kaum.
Mein Traum das ist ein Zimmer
im Zwölfeck als Gemäß.
Da kam' ich in Eck-stase,
das war der Wohn-Eck-zeß!
Raum für alle hat die Erde,
heißt ein schöner alter Spruch.
Trotzdem hat die Menschenher'de
immer noch nicht Raum genug.
In den Welt räum vorzudringen,
ist das Ziel der Wissenschaft,
und im siebten Himmel singen
schon die Engel massenhaft
einen englischen Choral,
und der heißt im Or'ginal:
Der Raum hat keine Ecken,
denn Raum und Zeit sind gleich.
Herr Einstein hat's errechnet
im physischen Bereich.
Warum wir arm an Raum sind,
da weiß man jetzt Bescheid.
's ist relativ sehr ein jach:
Wir hab'n zu wenig .. . Zeit. H. H
R Kriesch
Großstadt bei Nacht oder Einer der auszog, das Gruseln zu lernen
Der Zeichner der „Neuen Frankfurter Illustrier-
ten" verbrachte unlängst eine schlaflose Nacht, um
seinen Lesern die Gelegenheit zu bieten, nach
Lektüre seiner Erlebnisse eine Reihe ähnlich ge-
störter Übernachtungen auszukosten. Er zog aus,
bewaffnet mit seinem Skizzenbuch, und registrierte
die Ereignisse.
Der Autor dieser Zeilen verbrachte die nämliche
Nacht schlaflos in der gleichen Großstadt (aller-
dings aus anderen, weniger professionellen Grün-
den). Er folgte dem Zeichner auf dem Fuß und
registrierte gleichfalls dieselben Ereignisse. Hier
das Resultat. Der Zeichner sah: „Nächtliche Jagd
auf einen Schatten: Halt! Stehenbleiben! Schein-
werfer leuchten auf, Schüsse fallen, Pfiffe einer
Signalpfeife . . . Entkommen."
Der Autor sah: „Feuchtfröhliche Jagd auf einen
Zechkumpanen: Halt! Stehenbleiben! Eine Taschen-
lampe blitzt auf. Einer zieht eine selbstfabrizierte
Knallerbse aus der Tasche. Päng. Der andre pfeift
die ,Kaprifischer'. Laut, aber falsch. Erwischen sie
ihn noch? Nein. Besoffene haben Glück. Die Haus-
-tür fällt ins Schloß. Prost, Bruderherz, ich bin
blau und müde. Nach Hause — entkommen."
Der Zeichner hörte: „Ein Schrei durch die Nacht:
„Von diesen blutrünstigen Filmen bist du so begeistert, aber wenn ich da-
heim deinen blöden Köter nur mal angucke, willste dich gleich scheiden lassen."
ein plötzlich erleuchtetes Fenster. Eine Frau beugt
sich weit heraus und ruft um Hilfe. Was ist
passiert? Einbruch? Feuer? Ein Ehedrama? Nie-
mand erfährt es. Plötzlich wird das Fenster
dunkel. Passanten starren noch Sekunden hinauf
und gehen dann weiter."
Der Autor hörte: „Einen Liebesschrei durch die
Nacht. Eine Dame im Nachthemd beugt sich weit
heraus und ruft ,Hilfe — ist das Leben schön'.
Was passiert ist, bleibt den Lesern überlassen, sich
auszumalen. Mit Einbruch und Feuer hat es jeden-
falls nur indirekt zu tun. Natürlich wird es
dunkel, nachdem sie das Fenster schließt. Passan-
ten, die nach oben hätten starren können, sind
leider nicht vorhanden, weil sie um diese Zeit
schon schlafen."
Der Zeichner bemerkte: „Dunkle Geschäfte in
dunkler Nacht: ein Lastwagen fährt vor einer
Toreinfahrt vor. Sechs Männer laden in großer
Hast Kisten ab. Keiner spricht ein Wort, nur
schnell, schnell, schnell und möglichst lautlos.
Wenige Minuten später liegt der Toreingang
menschenleer und verlassen. Der Wagen ist in der
Dunkelheit verschwunden."
Der Autor bemerkte: „Geschäfte in dunkler Nacht,
aber bei heller Lampenbeleuchtung. Ein Lastwagen
der Firma Pampelmuß & Söhne fährt vor der
Toreinfahrt des Hauptzollamtes vor. Sechs Männer
laden große Kisten mit Exporterzeugnissen von
Pampelmuß & Söhnen ab. Es wird wenig ge-
sprochen, aber viel geflucht. Die Arbeiter sind
hundemüde und beeilen sich daher. In wenigen
Minuten ist alles erledigt. Der Wagen fährt in
die Garage."
Der Zeichner beobachtete: „Gegen Morgen wird
der Schriftsteller in seinem Arbeitszimmer müde.
Bevor er sich hinlegt, blickt er noch einmal aus
dem Fenster und sieht dem monoton summenden
Flugzeug nach, das mit blinkenden Positions-
lampen den Flugplatz anfliegt."
Der Autor beobachtete: „Sich selbst. Denn niemand
anders als er kehrt gegen Morgen nach der durch-
bummelten Nacht in das Arbeitszimmer, das ihm
zugleich als Wohnzimmer und Küche dient, zurück.
(Wohin sollte er auch sonst gehen? Vielleicht in
das Atelier des Zeichners, der ihn unweigerlich für
Thomas Mann halten würde?) Tatsächlich blickt
er auch aus dem Fenster, ehe er schwankend auf
seine Bettstatt sinkt, aber nicht, um dem ,mono-
tonen Gesumm des Flugzeugs' zu lauschen, son-
dern . .. aber das ist schließlich Privatsache."
Moral der beiderseitigen Erlebnisse: selbst Vorfälle
in einer „Großstadt bei Nacht" können sehr relativ
beurteilt werden. Es kommt immer nur auf den
Standort (oder auf das Honorar) an. Pius Pätt
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Weltbürger und Nationalisten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 10, S. 113.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg