Da in diesen Wochen alle verfügbaren Augen aul
das Herren-Doppel unter dem Eiffelturm gerichtet
sind (ungeachtet des Bibelwortes, daß wir nicht rich-
ten sollen), benutzen wir diese günstige Gelegen-
heit, uns unbeobachtet wo anders umzuschauen.
Denn neben dem breiten Boulevard des allgemeinen
Interesses laufen die kleinen Seitengassen der Rand-
geschehnisse einher und stecken voller Geheimnisse
und Merkwürdigkeiten. Und keiner weiß, ob nicht
so ein verborgenes Winkelchen morgen im Schein-
werferkegel der großen Welt steht. Ein Mord, eine
Mißgeburt, ein lärmender Streit können unbekannte
und unbedeutende Plätze zu geschichtlichen Punk-
ten erheben. (Serajewo, Braunau, Marienborn! —
bitte sich zu bedienen.)
Brügge — ein mittelalterliches ilandrisches Städt-
chen — hat derartige Aussichten. Allerdings freund-
liche, positive. Es soll nach einem Beschluß der
Kukodeura (Kultur-Kommission des Europarates)
das kontinentale Kulturzentrum werden. Gewisser-
maßen eine Brügge der Verständigung. Bleibt nur
zu bedenken, ob man einen Kulturknotenpunkt
überhaupt aul dem Papier „ernennen" kann. Wir
haben ähnliches auch mal versucht: Bayreuth, die
Hauptstadt der Bewagnung — Nürnberg, die Stadt
des deutschen Mundwerks — Stuttgart, die Stadt
der Aushangs-Deutschen usw. usw. Es hat nicht ge-
klappt. Heute ist München die Stadt der Auslands-
deutschen, Frankfurt die Stadt der Kartei-Tage und
Berlin die Haupt-Stadt der Begegnung zwischen
West und Ost. Trotzdem: Wir haben nichts gegen
Brügge und können der europäischen Kultur nur
zurufen: Brügge, wie du, wenn du stirbst, wünschen
wirst, gebrüggt zu haben!
In einem wirklichen Zentrum abendländischen Gei-
stes, in Athen, kam es anläßlich eines Fußballspiele
zu hochpolitischen Tumulten. Zu Füßen der Akro-
polis ballten sich je elf Italiener und Türken um das
runde Leder und schössen mit der Zähigkeit griechi-
scher Partisanen aufs drahtige Tor des sportlichen
Gegners. Die gastgebenden Athener aber nahmen
Partei. Für die Römer. Und da sie seit Jahren im
Einnehmen feindseliger Stellungen geübt sind, eine
solche ein. Die türkische Regierung mußte prote-
stieren. Das Spiel Italien—Türkei endete vorerst
mit 1:0 für die Griechen. Ein Novum in der Ge-
schichte des rasenden Sports.
0:0 steht dagegen der Kampf der ägyptischen Frauen
gegen ihre Männer um die Gleichberechtigung. Die
Töchter des Nils härmen sich (was aber auch gar
nichts mit Herms Niel zu tun hat) ob ihrer Unfrei-
heit und wollen sicli emanzipieren. Eine Pyramide
von Vorurteilen ist dabei abzutragen. Aber schon
wurden Fortschritte erzielt. Das Lenken von Taxen
wurde den Nofretetes in Kairo inzwischen erlaubt.
Verboten sind dagegen die Briefmarken, die Don
Juan, Alfons' des Dreizehnten dritter Sohn, mit sei-
Millionärs-Hayrat
Die Hayworth gab ihr Yes-Word
und wurde Rita Khan.
Und Rita khan sich freuen,
er ist ein reicher Mann.
Doch auch der liebe Ali
ist seelig offenbar
und indisch ihr ergehen.
Fürwahr: Ein glückhaft Paar!
Und kommen erst die Folgen
aus tausendeiner Nacht,
wird er zum Ali Papa
und Seno-Rita lacht...
Die lieben Magazine
hab'n ihre Sensation
an dieser asozialen
christlichen Union.
So gibt es doch noch Märchen
in dieser tristen Welt:
Ein Ali-Kintopp-Pärchen
aus Busen, Kitsch und Geld. H. H.
nem Kopibild heimlich in Spanien herausgibt. Ein
philate-listiger Leckerbissen der Monarchisten, der
dem Caudillo am Rande die Zähne zeigt. Franco
will diese Frankierung verhindern, aber die spani-
schen Postschweden lecken lieber heimlich ihren
Don Juan von hinten, als dem Generalissimus die
spanischen Reiter-Stiefeln. Sie löken quasi gegen
den Stachel.
Aufgestachelt — teils von unwürdigen Zuständen,
teils von Provokateuren —streiken inzwischen viele
Arbeiter in aller Welt. Die Lokomotivführer in Eng-
land, die Landarbeiter in Italien und die Bergleute
in Bolivien. Hier gab es in den Patino-Zinn-Berg-
werken Tote. Die standhaften Zinnsoldaten der
Regierung wollen dem roten Zinnober ein Ende
machen. Aber noch wird gekämpft. Ein amerika-
nischer Ingenieur wurde ermordet, was die Span-
nungen zwischen Bolivien und den USA verschärlt.
Zinn-Stoff für Verwicklungen. (Siehe oben!)
Zur Abwicklung von Zündstoff dagegen räumen die
Amerikaner jetzt Süd-Korea. Die Besatzung wird
aufgehoben. Andere Länder — andere Sitten. Die
schöne Sitte, Schulden zurückzuzahlen, ist daiür ab-
gekommen. Die Sowjetunion steht aus Pacht- und
Leihlieferungen bei den Vereinigten Staaten noch
mit 11 Milliarden Dollar in der Kreide, mit denen
während des Krieges der schwächliche Partner „aul-
gepumpt" wurde. Wahrlich: Ein „teurer" Freund!
Der USA-Finanzminisler wird die sogenannte drei-
fache Buchführung eintühren müssen: Soll — Haben
— Hütt' ich ...
Hätte ich Zeit, würde ich jetzt nach Caux fahren,
um an der Konferenz für „moralische Aufrüstung"
teilzunehmen, die die Produktion geistiger Wallen
im Kampf um den Weltfrieden ins Gigantische stei-
gern will. Sie wollen den totalen Frieden. Er hat
versprochen, selbst anwesend zu sein (in caux gnito
natürlich).
Auch der schwarzbärtige Negus (Hundhammer abes-
siniensis) ist friedlich geworden und baut einen
neuen Kaiser-Palast in Addis Abeba. Zur Teilnahme
an den Bauarbeiten meldeten sich bereits über 300)
Deutsche. Heil Selassie! Aber sie lassen sie nicht.
Negustibus non disputan-dumm!
Und aus allen diesen und manch anderen Gründen,
Brüder in Christo, proklamierte der Papst das „Hei-
lige Jahr 1950". Die Zeit bis dahin wird uns schnell
vergehen. Es passiert ja so viel anno 49. Es ist sozusa-
gen das „eilige" Jahr. Man kann kaum Schritt halten.
Bele Bachem: GASTMAHL
149
das Herren-Doppel unter dem Eiffelturm gerichtet
sind (ungeachtet des Bibelwortes, daß wir nicht rich-
ten sollen), benutzen wir diese günstige Gelegen-
heit, uns unbeobachtet wo anders umzuschauen.
Denn neben dem breiten Boulevard des allgemeinen
Interesses laufen die kleinen Seitengassen der Rand-
geschehnisse einher und stecken voller Geheimnisse
und Merkwürdigkeiten. Und keiner weiß, ob nicht
so ein verborgenes Winkelchen morgen im Schein-
werferkegel der großen Welt steht. Ein Mord, eine
Mißgeburt, ein lärmender Streit können unbekannte
und unbedeutende Plätze zu geschichtlichen Punk-
ten erheben. (Serajewo, Braunau, Marienborn! —
bitte sich zu bedienen.)
Brügge — ein mittelalterliches ilandrisches Städt-
chen — hat derartige Aussichten. Allerdings freund-
liche, positive. Es soll nach einem Beschluß der
Kukodeura (Kultur-Kommission des Europarates)
das kontinentale Kulturzentrum werden. Gewisser-
maßen eine Brügge der Verständigung. Bleibt nur
zu bedenken, ob man einen Kulturknotenpunkt
überhaupt aul dem Papier „ernennen" kann. Wir
haben ähnliches auch mal versucht: Bayreuth, die
Hauptstadt der Bewagnung — Nürnberg, die Stadt
des deutschen Mundwerks — Stuttgart, die Stadt
der Aushangs-Deutschen usw. usw. Es hat nicht ge-
klappt. Heute ist München die Stadt der Auslands-
deutschen, Frankfurt die Stadt der Kartei-Tage und
Berlin die Haupt-Stadt der Begegnung zwischen
West und Ost. Trotzdem: Wir haben nichts gegen
Brügge und können der europäischen Kultur nur
zurufen: Brügge, wie du, wenn du stirbst, wünschen
wirst, gebrüggt zu haben!
In einem wirklichen Zentrum abendländischen Gei-
stes, in Athen, kam es anläßlich eines Fußballspiele
zu hochpolitischen Tumulten. Zu Füßen der Akro-
polis ballten sich je elf Italiener und Türken um das
runde Leder und schössen mit der Zähigkeit griechi-
scher Partisanen aufs drahtige Tor des sportlichen
Gegners. Die gastgebenden Athener aber nahmen
Partei. Für die Römer. Und da sie seit Jahren im
Einnehmen feindseliger Stellungen geübt sind, eine
solche ein. Die türkische Regierung mußte prote-
stieren. Das Spiel Italien—Türkei endete vorerst
mit 1:0 für die Griechen. Ein Novum in der Ge-
schichte des rasenden Sports.
0:0 steht dagegen der Kampf der ägyptischen Frauen
gegen ihre Männer um die Gleichberechtigung. Die
Töchter des Nils härmen sich (was aber auch gar
nichts mit Herms Niel zu tun hat) ob ihrer Unfrei-
heit und wollen sicli emanzipieren. Eine Pyramide
von Vorurteilen ist dabei abzutragen. Aber schon
wurden Fortschritte erzielt. Das Lenken von Taxen
wurde den Nofretetes in Kairo inzwischen erlaubt.
Verboten sind dagegen die Briefmarken, die Don
Juan, Alfons' des Dreizehnten dritter Sohn, mit sei-
Millionärs-Hayrat
Die Hayworth gab ihr Yes-Word
und wurde Rita Khan.
Und Rita khan sich freuen,
er ist ein reicher Mann.
Doch auch der liebe Ali
ist seelig offenbar
und indisch ihr ergehen.
Fürwahr: Ein glückhaft Paar!
Und kommen erst die Folgen
aus tausendeiner Nacht,
wird er zum Ali Papa
und Seno-Rita lacht...
Die lieben Magazine
hab'n ihre Sensation
an dieser asozialen
christlichen Union.
So gibt es doch noch Märchen
in dieser tristen Welt:
Ein Ali-Kintopp-Pärchen
aus Busen, Kitsch und Geld. H. H.
nem Kopibild heimlich in Spanien herausgibt. Ein
philate-listiger Leckerbissen der Monarchisten, der
dem Caudillo am Rande die Zähne zeigt. Franco
will diese Frankierung verhindern, aber die spani-
schen Postschweden lecken lieber heimlich ihren
Don Juan von hinten, als dem Generalissimus die
spanischen Reiter-Stiefeln. Sie löken quasi gegen
den Stachel.
Aufgestachelt — teils von unwürdigen Zuständen,
teils von Provokateuren —streiken inzwischen viele
Arbeiter in aller Welt. Die Lokomotivführer in Eng-
land, die Landarbeiter in Italien und die Bergleute
in Bolivien. Hier gab es in den Patino-Zinn-Berg-
werken Tote. Die standhaften Zinnsoldaten der
Regierung wollen dem roten Zinnober ein Ende
machen. Aber noch wird gekämpft. Ein amerika-
nischer Ingenieur wurde ermordet, was die Span-
nungen zwischen Bolivien und den USA verschärlt.
Zinn-Stoff für Verwicklungen. (Siehe oben!)
Zur Abwicklung von Zündstoff dagegen räumen die
Amerikaner jetzt Süd-Korea. Die Besatzung wird
aufgehoben. Andere Länder — andere Sitten. Die
schöne Sitte, Schulden zurückzuzahlen, ist daiür ab-
gekommen. Die Sowjetunion steht aus Pacht- und
Leihlieferungen bei den Vereinigten Staaten noch
mit 11 Milliarden Dollar in der Kreide, mit denen
während des Krieges der schwächliche Partner „aul-
gepumpt" wurde. Wahrlich: Ein „teurer" Freund!
Der USA-Finanzminisler wird die sogenannte drei-
fache Buchführung eintühren müssen: Soll — Haben
— Hütt' ich ...
Hätte ich Zeit, würde ich jetzt nach Caux fahren,
um an der Konferenz für „moralische Aufrüstung"
teilzunehmen, die die Produktion geistiger Wallen
im Kampf um den Weltfrieden ins Gigantische stei-
gern will. Sie wollen den totalen Frieden. Er hat
versprochen, selbst anwesend zu sein (in caux gnito
natürlich).
Auch der schwarzbärtige Negus (Hundhammer abes-
siniensis) ist friedlich geworden und baut einen
neuen Kaiser-Palast in Addis Abeba. Zur Teilnahme
an den Bauarbeiten meldeten sich bereits über 300)
Deutsche. Heil Selassie! Aber sie lassen sie nicht.
Negustibus non disputan-dumm!
Und aus allen diesen und manch anderen Gründen,
Brüder in Christo, proklamierte der Papst das „Hei-
lige Jahr 1950". Die Zeit bis dahin wird uns schnell
vergehen. Es passiert ja so viel anno 49. Es ist sozusa-
gen das „eilige" Jahr. Man kann kaum Schritt halten.
Bele Bachem: GASTMAHL
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Gastmahl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 13, S. 149.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg