Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NEUZEITLICHE BERUFE:

Wohnungsinhaber

Wenn der Wohnungsinhaber über den Korridor
schreitet, zittern die Untermieter hinter ihren
schlechtschließenden Türen. Herr über Blitz und
Donner, Gashahn und Badewanne, gleicht er Jupiter,
dem obersten der Götter, dessen Rechte er auch für
sich in Anspruch nimmt gemäß dem jedem Latein-
schüler vertrauten Spruch „Quod licet Jovi — non
licet bovi". Der Ochse, dem nicht das gleiche erlaubt
ist wie dem Jupiter, ist in diesem Falle —■ unnötig
fast, es zu erwähnen — der Untermieter! Dem Woh-
nungsinhaber ist alles erlaubt, vor allem Dinge,
deren Bezahlung er auf die Untermieter umlegen
kann. Er braucht Strom wann und Gas soviel er will,
er steht um elf Uhr auf und läßt sich den Laut-
sprecher ins Bad nachdröhnen, er verlangt mit Ge-
brüll Ruhe für sein Mittagsschläfchen und saugt
abends Staub, wenn die andern müde sind, er hängt
Wäsche auf in allen „gemeinsam benützten Räu-
men", pfeift, singt, spielt Trompete und Grammo-
phon, jagt sich mit Freundinnen herzlich lachend
und kreischend durch die Wohnung, geht laut fort
und kehrt dröhnend heim, schraubt Sicherungen aus
und kleine Birnen ein, hat seine Zimmertüren offen,
wenn du vorbeigehst, und geschlossen, wenn du ihn
sprechen willst. Er ist, dank der Fürsorge der Vor-
sehung und des Wohnungsamtes ein Mensch höhe-
rer Ordnung, ein Obertan, der von seinen Unter-
tanen mehr als den Zehnten glaubt eintreiben zci
dürfen und der sie unermüdlich daran erinnert, daß
der Mensch ein „Gemeinschaftswesen" ist, für den
es nicht gut wäre, daß es allein sei.
Beim Einzug in eine Wohnung muß der Untermieter
nachweisen, daß er berufstätig ist. Berufstätig im
Sinne eines Wohnungsinhabers ist man jedoch nur
bei fester Arbeitszeit von 8—12 und 14—18. Heim-
oder geistige Arbeit gleich welcher Art erkennt er-
nicht an. Ihm geht es nicht um deine Bedeutung für
den geistigen Wiederaufbau oder das Kulturschaf-
fen deines Volkes, sondern um deine möglichst
lange und genau festgelegte Abwesenheit von der
Wohnung. Plötzliches Auftauchen würde ihn nervös
machen und könnte zu schweren Schädigungen sei-
ner Laune führen. Er ist überhaupt äußerst fein-
empfindend, er kann keinerlei lärmende Gewohn-
heiten bei andern ertragen; schon das Kratzen dei-
ner Füllfeder vermag ihn zu stören, besonders wenn
er annehmen darf, daß du zur Benützung dieser
Feder eine elektrische Lampe eingeschaltet hast.
Solltest du einmal Gäste bekommen, was du freilich
besser unterließest, so reiche ihnen vor der Woh-
nungstür Messer oder Schabeisen und kratze ihnen
von den Schuhen, was sich nur irgendwie auch unter
Heranziehung des Sohlenleders, abkratzen läßt. Der
Hausherr sieht es gern, wenn die Gäste auf Strumpf-
socken durch die Wohnung gehen, doch darf er
natürlich dadurch nicht auf die Vermutung gebracht
werden, daß andersgeschlechtliche Gäste sich seiner
Kenntnisnahme ihres Aufenthaltes bei dir entziehen
wollen. Sehr häufig wird der Wohnungsinhaber
kleine Komplexe haben, die es zu achten gilt. Manch-
mal wird er nachts aus dem Schlaf fahren und ge-
peinigt werden von der Vorstellung, du habest die
zweihundert Meter vom Haus entfernte Gartentür
offengelassen. Beeile dich dann, auf seine Frage hin
aufzustehen und der Ordnung halber durch den
Garten zu jagen, um nach dem Rechten zu sehen.
Oder er legt, stets wenn du auswärts bist, die
Sicherheitskette von innen vor. Dann warte still
draußen auf das Grauen des Morgens, das ohnehin
dir die Tür gelegentlich öffnen wird. Manchmal auch
quält ihn die Angst, du könntest seinen Spüllumpen,
seine Klosettbürste oder seinen Badewannenfetzen
benutzen. Dann wird er aus seinen Zimmern schießen

E. M. Lang

DIE NEUTRALEN:
wir hindern sie daran, sich gegenseitig zu zerfleischen

und mit Bürsten und Lumpen beladen zurückkehren,
um sie unter dem Flügel des Musikzimmers zu
bergen in der Annahme, es sei dein sehnlichster,
wenn auch verbrecherischer Wunsch gewesen, ge-
rade jetzt mit diesen Lumpen die Reinigung irgend-
einer Schüssel vorzunehmen. Achte solche Kom-
plexe und denke, welche Unbequemlichkeit es für
ihn bedeutet, diese Lumpen vor deinem Zugriff in
Sicherheit zu bringen. Nimm daher für die Bade-
wanne lieber des Wohnungsinhabers Waschlappen,
doch achte darauf, daß du den schon angefeuchteten
und nach Möglichkeit nur den von ihm fürs Gesicht
gebrauchten erwischest.

Hast du einen Topf in der Küche aufs Gas ge-
stellt, so geh taktvoll hinaus, damit der Wohnungs-
inhaber sich vom Inhalt dieses Topfes überzeugen
und berechnen kann, ob du dir diesen Inhalt noch
leisten kannst oder ob er dich durch neue Forde-
rungen für Grundgebühren, Feuerschütze u. dgl.
weiter hochnehmen müsse, um ungebührliche Aus-
schweifungen zu verhindern. Laß auch deine Post
stets so lang im Kasten, daß er sich über sie kurz
informieren und sie — je nach Laune — sofort oder
verspätet an dich aushändigen kann. Wobei Zah-

lungsanweisungen später, Rechnungen rascher an
dich gelangen werden.

Sehr gern sieht es der Wohnungsinhaber, wenn die
Aftermieter überhaupt viel auf Reisen sind. Selbst-
verständlich verlangt es der einfachste Anstand, daß
du ihm deine Rückkehr stets so rechtzeitig meldest,
daß er dein Zimmer wieder räumen kann. Er hat
ohnehin nur drin nachgesehen, ob die Nähtischchen,
die er dir als Ziergegenstände reinstellte, abge-
staubt, und der blinde Spiegelschrank, dessen
Schloß nicht geht, mit nennenswerten Neuerrungen-
schaften gefüllt ist. Die Miete schickst du, auch von
auswärts, pünktlich, das gilt auch in Krankheits-
fällen vom Sanatorium aus, das du stets sofort auf-
suchst. Solltest du dazwischen in deiner Heimatstadt
etwas zu tun haben, so übernachte im Hotel und
lasse von dort zu Hause nachschauen, ob du Post
bekommen hast. Der Hausherr legt keinen Wert
auf deine Gegenwart. Solltest d u jedoch Wert dar-
auf legen, dich in deiner Behausung öfter aufzuhal-
ten, so suche dir einen berufstätigen Hausherrn,
einen von 8—12 und von 2—6. Mit Leuten, die nicht
hauptberuflich Wohnungsinhaber sind, läßt sich
wesentlich besser auskommen. Elfi Horn

EUROPA NOVISSIMA

Willst du vom Ungeist der Zeit genesen.
Mußt du Europa Novissima lesen! (L. E.)

Beginn entscheidender Umwälzungen:

Was kommt nach 1953, dem am schwersten
belasteten Jahr des 20. Jahrhunderts?

Geheimagenten einer westlichen Macht, deren Ver-
bindungsfäden bis in den Kreml reichen, berichten,
daß man russischerseits mit einem darauffolgenden
Jahr 1954 rechnet. Diese Tatsache, nur wenigen Ein-
geweihten um Stalin bekannt, dürfte in gewissem
Zusammenhang stehen mit der im Westen vertre-
tenen, von den Sowjets natürlich längst ausgekund-
schafteten Anschauung, daß unser gegenwärtiges
Jahr 1949 in die Geschichte eingehen wird als das

Jahr zwischen 1948 und 1950. Die kabbalistische
Zielstrebigkeit des Ostens scheint hier eine An-
gleichung an abendländisches Gedankengut herbei-
führen zu wollen, während in Wirklichkeit dieses
Täuschungsmanöver — denn um ein solches handelt
es sich — dazu dient, die Welt über die Existenz des
kürzlich entdeckten 10. Planeten im Unklaren zu
lassen. Dieser Planet, der auf derselben Bahn um
die Sonne kreist wie unsere Erde, war für die
Menschheit bisher nicht sichtbar, da er sich ständig
hinter der Sonne verbarg. In jedem Moment seiner
Bewegung befand er sich an einem Punkte, der dem-
jenigen der Erde genau gegenüberlag, — mit dem
Riesenball des Helios dazwischen. Verschiedene
Unregelmäßigkeiten in der Ellipse, auf welcher sich

W. Eisner

SOMMERAUSFLUG

199
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Neutralen" "Sommerausflug"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur: W. Elsner

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Lang, Ernst Maria
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 17, S. 199.

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen