Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik (4.1949)

M, Frishman

VERLETZTES NATIONALGEFÜHL

SIMPL-BRIEFK ASTEN

„Seit 1814 haben wir die deutschen Armeen mit Hosen-
knöplen belieiert und du Waschlappen trägst so eine Zipper
machinery von der Anchor Slide Fastener Corporation."

Wohnungssuchender in M. Sie müssen sich
natürlich zuerst , genau über den Ihrer
Meinung nach leerstehenden Bau erkundi-
gen, e*he Sie darin eine Wohnung bean-
spruchen. Es könnte Ihnen sonst ergehen
wie einem Münchner Wohnungsermittler,
der durch empörte Hinweise auf ein völlig
unbelegtes Gebäude aut das „leerstehende
Haus Leopoldstraße 2" gehetzt wurde. Lei-
der war aber eine Einweisung Wohnungs-
suchender dorthin nicht möglich, da
schweißtriefende Ermittlungen schließlich
ergaben, daß es sich bei dem leerstehen-
den Bau um das bekannte „Siegestor"
handelte, das auch bei größter Wohnungs-
not kaum einen gemütlichen Familienauf-
enthalt gewähren dürfte.

Ist das die richtige Methode? Ober Kin
dererziehung gibt es viele verschiedene
Meinungen, schon Kind und Erzieher wer-
den oft entgegengesetzter Ansicht sein.
Oberlehrer Thomas Mann, der alle Deut-
schen als böse Kinder behandelt und sie
in einem Achttage-Lehrgang grundlegend
erforscht hat, erklärt in einem „Stars and
Stripes" gegebenen Interview: Zum
Schutze demokratischer Einrichtungen und
zur Verhütung des wiedererwachenden
militanten Nationalismus müsse West-
deutschland mindestens noch 15 Jahre be-
setzt bleiben. Dieses kluge Rezept wird
sicher , auch die weitgehende Demokrati-
sierung der Ostzone sichern und überdies
dem Dichter die Zuerkennung weiterer
Pieise für die nächsten anderthalb Jahr-
zehnte garantieren.

Schwierige Taufe! Warum wollen Sie Ihre
Tochter Rixerl nennen? Mit Recht hat der
Standesbeamte Sie auf die Liste der gän-
gigen Namen hingewiesen, auf der die
Hartmuts und die Kriemhilden, die Ulfs
und Helmtruden noch immer . ur Auswahl
stehen umi das Eindringen fremder oder
gar biblischer Namen zu verhindern trach-
ten. Aber nach den Unannehmlichkeiten mit
den Adolfs und Hermanns wird man all-
mählich schon etwas großzügiger werden
und keiner soll Sie einst hindern, Ihren
Sohn „Napoleon" zu taufen, besonders
wenn Sie, wie weiland ein schwäbischer
Theaterbesitzer, ihn dann gut deutsch „Na-
bele" rufen wollen.

Mein Mann ist heiser! Seien Sie glücklich:
Heiserkeit ist nicht, wie Sie annehmen,
eine Folge zu starken Rauchens oder
ständiger Erkältung, sondern — wie Sie
dem amerikanischen Eheroman in der
„Neuen Zeitung" entnehmen können —
ein typisches Zeichen stürmisch erwachen-
den männlichen Begehrens. Der Held die-
ser Erzählung nämlich wird als glücklicher
Besitzer einer überaus charmanten Frau
auch im harmlosesten Gespräch am Gar-
tenzaun, in der Garage oder am Familien-
tisch, mindestens aber viermal am Tage,
spontan heiser, worüber die Gattin jedes-
mal sehr glücklich ist!

Unergründliche Erkenntnisse. Geben Sie
sich keine Mühe mit dem Durchwühlen
astrologischer Wochenhoroskope im Ta-
schenformat — stürzen Sie sich hinein in
die hochrauschenden Wogen der Prophe-
zeiungen aus der Sternenwelt! Hat uns
doch die Pressefreiheit endlich auch jene
blühenden Sternstunden-Erzeugnisse wie-
dergeschenkt, die seit der Weimarer Repu-
blik über das Dritte Reich hinein ins vierte
alles vorausgesagt haben vom Endsieg bis
zum Dämon im Führer. Stoßen Sie sich
nicht an das greuliche Deutsch und die
Undurchsichtigkeit des Sterntratsches — Sie
Verstündens auch nicht, wenn ein Sprach-
genie mit germanistischer Ausbildung das
ganze geschrieben hätte, denn der Inhalt
n:iiß auf die Gehirnwindungen von Mars-
menschen zugeschnitten sein

Verspätete Reue. Wie konnten Sie aber
auch der kleinen Übelkeit wegen, die auf
den Genuß des selbstgesammelten Pilzge-
richtes folgte, Ihrer Frau gleich solch tief-
schürfende Geständnisse machen, daß nun-
mehr Ihre. Stellung als Familienoberhaupt
ins Wackeln geraten ist? Sie .nüssen die
Folgen ebenso tragen, wie jener voreilige
Mann, der in Berlin unter die Straßenbahn
geriet und dem helfenden Polizisten an-
gesichts seines vermeintlich herannahen-
den Todes gestand, mehrere Einbrüche und
Raubüberfälle verübt zu haben. Als er
daraufhin beruhigt in Ohnmacht fiel,
mußte er beim Erwachen betrübt fest-
stellen, daß er nur ganz geringfügig ver-
letzt und durchaus haftfähig war. Also:
Vorsicht mit Geständnissen in Todesangst!

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DER SIMPL erscheint jeden zweiten Donnerstag

Bezugspreis pro Monat DM 1.— zuzüglich 6 Pfg. Zustellgebühr. Unsere Zeitschrift darf in Lesemappen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verlages geführt werden. Verlag „Der SIMPL" (Freitag
Verlag), München 23, Werneckstraße 15a. Fernruf: 362072. Postscheckkonto: München, — Freitag-Verlag G.m.b.H. 91930. — Herausgeber u. allein verantwortl. Chefredakteur: Willi Ernst
Fieitag. — Redaktion: M. Schiimpf. — Sprechstunden: Dienstag u. Donnerstag v. 9 bis 12 Uhr. — Für unverlangt eingesandte Manuskripte u. Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen. Frei-
umschlag ist beizulegen. — Anzeigen nach Preisliste 1 vom \. 9. 1948. Anzeigen-Verwaltung: Neue Haasenstein <£ Vogler Gesellschaft für Wirtschaftswerbung m.b.H., München 1, Roman-Mayr-Haus
(Kaufingerstraße 1/2). Tel. 2558. — Klischees: Brend'amour, Simhart & Co., Graphische Kunstanstalt, München. — Satz und Druck: Süddeutscher Verlag G.m.b.H., München 2, Sendlinger Str. 80.—

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