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„Ich hab' diesen Herrn krank im Gebirge gefunden!"

Höhlenmenschen

Gott sei Dank — nachdem jetzt alle Welt die Atom-
bombe hat und auch sonst der in sechs Stunden
möglichen Vernichtung der Menschheit nichts We-
sentliches mehr im Wege steht, wird sich der alte
Traum der Naiurschwärmer — „zurück zum Höhlen-
menschen" — endlich restlos verwirklichen lassen!
Schon sind Kommissionen mit der gründlichen Un-
tersuchung berühmter interamerikanischer Höhlen-
gebiete betraut, schon wird erwogen, wie man die
Höhlen mit allem Komfort moderner Zivilisation
ausstatten kann und es läßt sich denken, daß fin-
dige Unternehmer bereitf an der Erfindung trag-
barer „Höhlenbars" und elektrischer Höhlen-Gramo-
las arbeiten, Eine reizende neue Mode wird sich
anbahnen: das Bärenfell, graziös von der linken
Schulter zur rechten Hüfte geschlungen, wird
Triumphe feiern und im persönlichen Umgang wird
endlich die stachelverzieite Keule wieder jene ein-
deutige Rolle spielen, die ihr so lange von Pistole
und Gummiknüttel, Pille und Phrase abgenommen
worden war. Sie wird vor allem beim unausbleib-
lichen „Höhlcnkoller" einzelner hysterischer In-
dividuen unersetzlich sein, auch in der zahnärzt-
lichen Praxis gute Dienste erweisen, gar nicht zu
reden von der Politik, die ja seit jeher Keulen-
schläge als Überzeugungsmittel besonders schätzt.
Da es wenig latsam sein wird, sich überhaupt noch
an der Eidoberfläche sehen zu lassen, werden zwi-
schen Tropfsteinen und Schlünden Höhlenstädtc
entstehen. Das Auto wird darin vom Roller ver-
drängt und statt des Fieseier Storchs wird der Senk-
Schrauber reiche Leute in den pompösesten Höhlen
über die Vertikale befördern. Aus ist derHö—h—en-
traum der Menschheit, nicht das überirdische, son-
dern das Unterirdische ist erstrebenswert und alle
Träume gehen stark in die Tiefe.
Das Höhlenkino wird zeitgemäß nur noch Grusel-
filme bringen. Schon werden Kopien der herr-

lichsten Monstrewerke dieser Art für die Höhle ver-
packt, damit durch die Tiefersiedlung die Vorfüh-
rung des herrlichen „Würgers" und des Christen-
verfolpungsmonumentalkitsches „Fabiola" keine
Unterbrechung erleide, überhaupt ist ja die Kunst
dem Höhlendranj unseres atomgeschüttelten Zeit-
alters am weitesten voraus. Die Sehnsucht nach
der Primitive ist hier längst vorgefühlt und hat die
Kritzeleien der Ur-Höhienmenschen weit über-
troffen.

Was will so ein alter Piofil-Ichthyosaurier gegen
einen Ficassoschen Stier! Erst an den Höhlenwän-
den wird sich die Abkehr von der Perspektive in
ihrer vollen Schönheit beweisen können. Natürlich
wird es Höhlen ganz verschiedener Art geben, die
für besondere Verwertung geradezu vorbestimmt
sind. Die Höhle, in der man nur gebückt stehen

Tüchtig, tüchtig!

Sie schloffen beim Gauleiter aus und ein,

sie hatten nicht nötig, Pg zu sein,

sie waren dagegen und waren dafür,

sie galten als harmlos wie Otto Gebühr

und machten sich selber ein X für ein U,

sie standen mit Benno von Arendt per Du,

sie lauschten voll Ehrfurcht auf Fritsches Geseich,

sie schlürften die schlauen Artikel im „Reich",

sie herzten und kosten und schmusten mit Hinkel

(die KddK hatte trauliche Winkel),

sie schlemmten mit Hoffmann, dem spitzweg-erpicht

sie riefen den „Doktor" an, um sichs zu richten,

sie hüpften wie Lämmchen durchs Paradies,

teils nossen sie nutz, teils nutzten sie nieß,

ihr Auge sah mehrfach den Himmel offen--

Sie sind vom Gesetz nicht betroffen. H. R.

kann, wird die Höhle der Untertanen werden,
Höhlen, aeneti von Zeit zu Zeit giftige Gase ent-
steigen und die Hirne vernebeln, werden der Hohen
Politik vorbehalten werden. Geräumige Höhlen mit
schallendem Echo werden den Nationalisten aller
Färbungen überlassen werden, während die Kom-
munisten sich auf die Sickerhöhlen stürzen werden,
jene Höhlen, deren durchlässige Wände die Infil-
tration der Nebenhöhlen gewährleisten.
So werden die Atombombe und ihre bakteriologi-
schen Schwestern dem rastlosen Menschengeist wie-
derum neue Möglichkeiten erschließen und das Bei-
einanderleben wiederum köstlich neu gestalten.
Wohnungsämter werden den Höhlenraum nach ge-
nauen Berechnungen erfassen, es wird politischen
und verfolgten Raum geben, Gesetze über die Be-
nutzung der einzelnen Höhlenwege zu bestimmten
Zeiten werden herauskommen und vorsorglich
werden die Kultusministerien sich die größeren
Höhleuplätze sichern, um dort Kirchen und Theater
zu errichten. Die Wissenschaft wird nachweisen, daß
der Aufenthalt an der Erdoberfläche ungesund ist
und daß nur Höhlenluft ein langes, frisches, arbeits-
reiches Leben dem einzelnen gewährleistet. Weise
wird so der Diang in die Tiefe gefördert, die Men-
schen streben nach dem Kern der Dinge, auch wenn
sie sich dort nur verkriechen wollen. Eigene Höhlen-
Gefängnisse aber werden jene Gerüchtemacher iso-
lieren und jene Staatsfeinde unschädlich machen,
die vielleicht den Kindein alte Märchen erzählen
möchten, in der.en die Rede geht „Es war einmal ein
großer Wald" oder „Es schien einmal eine helle
Sonne . ."

Dagegen werden die russischen Märchenerzähler
berichten, sie hätten die ersten Höhlen erfunden,
die amerikanischen: ihre Höhlen seien die gewal-
tigsten, und die deutschen werden darauf hinweisen,
daß nur die deutsche Frau es verstünde, eine Höhle
durch geschmackvolle Vorhänge und Bettvorleger
wahrhaft gemütlich zu machen. Kurzum — es ist eine
Lust, in Höhlen zu leben1 EM Horn

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Höhlenmenschen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Ich hab' diesen Herrn krank im Gebirge gefunden!"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Dubout, Albert
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 24, S. 283.

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