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Sl AAPL-BRIEFKASTEN

Finanzrevolution? Nein, einen „Bund der Steuer nicht-
zahler gibt es noch nicht, dürfte auch mit der von Ihnen
gewünschten Zielsetzung — Austritt aus dem Staats-
verband, Unantastbarkeit des Einkommens als Privat-
eigentum, regelmäßige Zahlungen der Finanzämter an
die Bevölkerung, Abschaffung des Beamtenüberhangs
private Privat-Ausgaben-Lenkung u. a. — nicht so schnell
zugelassen werden. Schon der .Bund der Steuerzahler",
der die ausgepowerten Massen der immer noch Zahlen
den umschließt, ist auf dem Wege, die stärkste Partei
Westdeutschlands zu werden, obwohl er nur kleine Er-
leichterungen anstrebt.

Krisenhilfe! a) Dinghartinger Kirchenspatzen: Schaut, daß
ihr beim Rundfunk zu tun bekommt! b) Theaterverein
Oberodelsbach: Ihnen zu helfen ist der Rundfunk ver-
pflichtet! c) Gramola-Nadel-Schleiferei: als Kulturunter-
nehmen können Sie die Hilfe des Rundfunks in An-
spruch nehmen, d) Taubstummer Hofsänger: als Landes-
kind muß Ihnen der einheimische Rundfunk Gelegen-
heit zum Auftreten geben, e) 74jährige Soubrette: ver-
langen Sie beim Funk ein Sonderhonorar! f) Angehender
Lyriker: Sie müssen vom Funk engagiert werden,
g) Schmelzkäse: als Kulturprodukt müssen ihm Mitte!
aus dem Kulturfond des Funks gegeben werden. Zum
Schmelz der Stimmen, zum Schmelz der Farben soll auch
der Schmelz des Käses kommen dürfen!

Mit 65 Jahren zu jung? Ja, liebe Frau Z., das hätten
Sie vor fünfundvierzig Jahren überlegen sollen, als Sie
als 20jähriges Mädchen einen 36jährigen Beamten hei-
rateten! Jetzt ist Ihr Mann tot und der bayerische Staat
hat den genialen Einfall, Ihnen die Pension zu kürzen,
weil Sie „mehr als fünfzehn Jahre jünger waren als
Ihr Mann!" Leider kann die Witwenverbrennung nach
altindischem Muster noch nicht eingeführt werden, was
zweifellos die beste Lösung der Frage „Pension für
jüngere Witwen" darstellen würde

Ernst oder Scherz? Es ist ganz Ernst: In Memmingen
hat ein Flüchtlingsehepaar, das mit drei Kindern in
einem Lastwagenanhänger schlief, die drei Kinder ins
Rathaus gesetzt. Die Eltern sind weggefahren, um sol-
cherart für die Kinder eine menschenwürdige Behausung
zu erzwingen. Die Polizei aber war der Situation ge-
wachsen und hat — Strafanzeige wegen Kindesausset-
zung gestellt! Das erinnert ein wenig an die Geschichte
von dem Mann, der im Zweifel ist: soll er seine Frau
erschießen oder den Liebhaber, mit dem er sie erwischte.
Er tat keines von beiden, sondern verkaufte das an der
Geschichte ebenfalls beteiligte Kanapee.

Filmerfolg. Doch, doch, der von Goebbels mit großer
Inbrunst hergestellte Durchhalte-Film „Kolberg", der die
Bevölkerung des Ostens stärken sollte, hat in Zürich
wo er zur Zeit läuft, großen Erfolg. Auf welche Weise
er dorthin kam, ist ungewiß: vielleicht wurde er auf
ähnlichem Wege exportiert wie seinerzeit die „Entartete
Kunst", die in Deutschland verboten und in der Schweiz
ge- und verkauft wurde

Ertappter Ehemann. Wenn Sie auf dem Rockrevers Ihres
Gatten ein Büschel schwarzer Haare gefunden haben, so
gibt es dafür drei Erklärungen. Nummer 1: Eine schwarze
Dame hat sich an Ihres Gatten Brust gekuschelt. Num-
mer 2: Ihr Mann war beim Friseur. Nummer 3: Sie
haben seinen Rock zuletzt gereinigt, als Sie noch schwar-
zes Haar hatten.

Neue Idee? Keineswegs. Der Wunsch des Herrn Staats-
präsidenten von Südbaden, Wohleb, daß die Bürger-
meister bei Amtshandlungen wieder silberne Amtsketten
trügen, ist keineswegs dem glücklichen Gefühl des Wohl-
standes unserer Gegenwart entsprossen. Er stützt sich
vielmehr höchst zeitgemäß auf eine „Landesherrliche Ver-
fügung aus dem Jahr 1857" — Woraus man sieht:
Landesherr bleibt Landesherr.

Mietausfall. Wie, die Drei-Zimmer-Wohnung in Ihrer
Villa steht seit Wochen leer, w^il der Ausschuß des
Wohnungsamtes, der sie vergeben könnte, noch immer
nicht zusammengetreten ist, und jetzt bangen Sie für
Ihre Miete? Aber da sind Sie doch kein Einzelfall: das
Wohnungsamt ist so überlastet mit der Abweisung Woh-
nungssuchender, daß es keine Zeit hat, die paar vorhan-
denen Wohnungen auch noch zu vergeben. Also Geduld:
Verwaltung des Nichts ist teuer und zeitraubend.

Einkaufssorgen. Sie wissen kein passendes Weihnachts-
geschenk für Ihren Freund? Aber Sie haben doch noch
das marmorne Tintenzeug, das voriges Jahr die Runde
in Ihrem Freundeskreis machte. Statt damit nach dem
Spender zu zielen, packen Sie es reizend in Sternchen-
papier und schicken es auf die alljährliche Weihnachts-
reise. Freilich kann's bis nächstes Jahr dauern, bis Sie
es wieder haben.

C. Sturtzkopf

Europa: Nur keine Aufregung, das dauert noch ein Weilchen.

DIE BORUSSOBAVAREI

Die Borussobavarei ist eine europäische Bundes-
republik, bemerkenswert dadurch, daß sie nur aus
drei Himmelsrichtungen besteht: Dem Norden,
Westen und Süden. So etwas ist in der Tat noch
nie dagewesen.

Dieser Staat hat auch verschiedene Grenzen: Im
Norden wird die Demokratie zu Wasser, im Süden
befinden sich Gebirge von — Alpen, im Westen
stehen wir auch einer grenzenlosen — Serie von
Grenzberichtigungen gegenüber, und visavis ist
dann ein eiserner Vorhang, der das ganze Theater
harmonisch abschließt.

Das Volk, das in diesem Staate lebt, ist ein einig
Volk von Brüdern, aber manchmal ist es auch nicht
ganz so schlimm. Die Bevölkerung besteht aus
Preußen, Bayern und Nebenvölkern, die sich alle
gegenseitig herzlich lieben und sich nicht zu lassen
wüßten, wenn der liebe, liebe Bruderstamm plötz-
lich von der Bildfläche verschwände.
Es gibt auch am schönen Rheine eine Hauptstadt,
in welcher die Regierung wirkt, und von welcher
eine Jungfrau unweit davon auf einem Felsen
singt: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten."
Die genannte Jungfrau ist kein demokratiefeind-
liches Faschistenweib, sondern eine Rundfunkhöre-
rin, welche nicht mehr in der Lage ist, Sinn und
Wortlaut der offiziellen Radioreden zu verstehen
Denn mit der Sprache in diesem Lande hat es neuer-
dings seine Schwierigkeiten, weil nämlich die Re-
gierung aus lauter Föderalisten besteht, die ihre
Heimatliebe und Bodenständigkeit dadurch doku-
mentieren wollen, daß die Herren in allen An-
sprachen ihren zuständigen Dialekt zu imitieren
versuchen, so daß offiziell überhaupt niemand mehr
richtig deutsch spricht — außer Thomas Mann, dem
transatlantischen Zeigefinger.

Die oben erwähnten Föderalisten sind Leute, die
nicht wissen, was sie wollen sollen — und das dann
inkonseguent in die Tat umsetzen.
Es gibt auch einen Präsidenten, der aber so wenig
zu sagen hat, daß er eigentlich nur pro forma Prä-
sident heußt.

über dem Präsidenten stehen drei hohe Kommis-
sare, die nicht alles geschehen lassen, über diesen
steht Gott, der aber alles geschehen läßt
Der Staat hat eine Fahne, über die keine Witze
gemacht werden dürfen, er hat eine Verfassung,

über die keine Witze gemacht werden dürfen, und
er hat ein Parlament, über das auch keine Witze
gemacht werden dürfen.

über alles zu weinen, ist noch nicht verboten.
Obwohl es jetzt — zufolge Presseberichten — in
diesem Lande aufwärts geht, hat es doch noch viel
zu leiden. Am schwersten wohl unter seiner eige-
nen Filmproduktion.

Die Borussobavarei hat auch ein liebes Zwillings-
brüderchen, nämlich die UdSSR = Union der sächsi-
schen und sonstigen Sowjetrepubliken.
Keiner weiß, wie die beiden Geschwister sich aus-
wachsen werden. Hoffen wir also das Beste, lieber
Leser, und machen wir uns keineswegs auf das
Schlimmste gefaßt. G. W. ßorfh

KLEINES LIEBESLIED

Du bist nun schon seit langen Jahren,
Wenn ich dich brauche, immer da.
Was ich gedacht —■ du hast's zuerst erfahren
In Nächten, da wir ganz alleine waren,
Geliebte kleine Erika.

In guten und in schlechten Tagen —
Ich hab' dich nie versetzt, was auch geschah.
Was andre Männer nur symbolisch sagen:
„Ich möchte dich auf meinen Händen tragen" —
Ich tat es wirklich, Erika.

Welch Glück, daß wir uns einst gefunden!
Wir waren uns einander nah
In vielen, vielen wunderbaren Stunden,
Durch meiner Hände festen Druck verbunden,
Geliebte kleine Erika.

Und ging ich aus mit Josefine--

Du warst es, die dies schweigend Ubersah,
Obwohl nur du es bist, mit der ich Geld verdiene.
Du meine treue Reiseschreibmaschine,
Geliebte kleine Erika. Rudoli Ernst

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internationaler Klasse

293
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nur keine Aufregung, das dauert noch ein Weilchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Europa: Nur keine Aufregung, das dauert noch ein Weilchen."

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Sturtzkopf, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 25, S. 293.

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