DEUTSCHE NACHKRIEGS-FORSCHUNGSANSTALT
PARTEI DER PARTEIGEGNER
Die Aufhebung des Lizenzzwanges für politische
Gruppierungen hat eine Menge Gründer auf den
Plan gerufen, welche alle durch Parteiwesen — und
was damit zusammenhängt — an die Macht ge-
langen möchten. Man kann keine Zeitung auf-
schlagen, ohne durch Namen wie Feitenhansl, Hedler
oder Meißner daran erinnert zu werden, daß man
in unserer Demokratie ganz ungeniert auf einen
nationalistischen „Umbruch" — also auf das
Ende ebendieser Demokratie — hinarbeiten darf.
Die „Bayerische Heimat- und Königspartei" ist wie-
der erstanden, der Volksbund „Treu-Bayern"
schmiedet ähnliche Pläne und in Hessen hat einer
eine „Untergrundbewegung gegen den Egoismus"
ins Leben gerufen. Von vielen Gründungen erfährt
man überhaupt nichts, als die Bezeichnungen, unter
denen sie sich registrieren lassen, — und diese sind
meist absichtlich irreführend . . .
Nein, so konnte das nicht weitergehen. Es gibt schon
wieder viel zu viele Parteien bei uns. Um dem Par-
teiunwesen endlich ein Ende zu bereiten, hat sich
dieser Tage in München als 57. die längst erwartete
„Partei der Parteigegner" konstituiert.
Das Ziel dieser Nichtpartei besteht darin, durch
schärfste Kampfansage an sämtliche existierenden
Parteien den Parteihader aus unserem politischen
Leben auszuschalten. Gerade diejenigen, die nicht
den geringsten Wunsch haben, die Macht an sich zu
reißen, müssen schließlich im Interesse des Gesamt-
wohles an die Macht kommen, damit Herrschsucht
und Machthunger aufhören können. Die Bewegung
der Bewegungsgegner ist als großes, umfassendes
Sammelbecken gedacht, in dem alle, die in kein
Sammelbecken hineinwollen, Platz finden. Jeglicher
Propaganda abhold, werden die Mitglieder durch
intensive und aufopfernde Tätigkeit das Volk dar-
über aufklären, wie schädlich parteigelenktes, 'pro-
pagandistisches Trommelfeuer auf den Charakter
und die Meinungsbildung des einzelnen wirkt.
„Was uns not tut, ist die Politik der Unpolitischen",
erklärte einem Pressevertreter gegenüber der mit
beachtlicher Mehrheit einstimmig gewählte Vor-
stand, Dr. Finsterhell, der als Rechtsanwalt in aller
Stille einen weit über die Grenzen seiner engeren
Heimat hinausreichenden, internationalen Ruf ge-
nießt. „Vor allem werden wir für die Rechte der
Rechtlosen eintreten. Die Lasten der Unbelasteten
müssen verringert werden auf Kosten der Belasteten,
aus deren Belangen jedoch alles Belanglose fern-
zuhalten ist. Wir fordern eine sofortige Senkung
der Steuern auf steuerfreies Einkommen. Auch der
Besitz der Besitzlosen schreit nach einer gerechteren
Verteilung, namentlich im Hinblick auf die bei uns
heimisch gewordenen Heimatlosen, deren endgültige
Ziffer nunmehr feststeht und ständig steigt. Im
übrigen wird es unser Bestreben sein, in allen Din-
gen Maß zu halten, weshalb wir auch den Maßkrug
als Parteisymbol erwählt haben . . ."
„Glauben Sie, daß Ihre Partei in absehbarer Zeit ge-
nügend Anhänger gewinnen wird, um in den Land-
tag einziehen zu können?" fragte der Reporter.
„Das hängt ganz davon ab, welchen Erfolg unser
Werbefeldzug in den Schichten der bisher Erfolg-
losen haben wird. Wir hoffen, daß wir die Stummen
im Lande dazu bewegen werden, ihre Stimmen weit-
hin schallen zu lassen, so daß alle, die vom Partei-
leben die Nase voll haben, zu uns strömen. Einmal
im Parlament vertreten, werden wir einen teilweisen
Anspruch auf Totalität freiwillig erheben müssen,
denn eist, wenn es keine anderen Parteien mehr
gibt, werden wir imstande sein, das Ideal der Partei-
losigkeit so anziehend zu gestalten, daß jeder aus
Uberzeugung und Begeisterung unserer Partei bei-
tritt." W. F. K.
Jede Frau kann schön sein!
VON EFF1 HORN
Immer wieder hört man die irrige Meinung, Häß-
lichkeit sei ein Geburtslehier! Ganz verkehrt: jede
Frau kann bildschön sein, solern sie sich nur genau
an jene in sämtlichen Zeitungen unermüdlich an-
gepriesenen höchst einfachen Richtlinien moderner
Kosmetik hält und lür das große Ziel, Greta Garbo,
Mona Lisa und Kleopatra in einem zu sein, ein paar
kleine Unannehmlichkeiten aul sich nimmt. Fassen
wir es kurz zusammen: Beim Erwachen atme man
tief und lang durch den Mund, schwinge die Arme,
springe aus dem Bett, mache zehn Minuten am
Fenster Kniebeugen und Rumpisenken, trinke etwas
Obstsalt, vermeide Fett und scharte Gewürze, wan-
dere zu Fuß im Morgentau ins Geschält (talls sich
diese Unterbrechung der Schönheitspflege nicht ver-
meiden läßt!) und sorge dort für 'Schlaf, Ruhe und
gute Verdauung. Wichtig ist, sich alle Aufregung
fernzuhalten, auch auf das Toben des Chefs nur
mit sparsamen Bewegungen zu antworten, sich nicht
zu überhasten und aus dem Gleichgewicht bringen
zu lassen. Dazwischen schalte man, wenn er den
Rücken dreht, tiefe Atemzüge am Fenster ein und
halte durch leichtes Gelenkspiel unterm Schreib-
maschinentisch die Knie geschmeidig.
Das wichtigste aber ist „Disziplin" für die Schön-
heit. Also vermeide man jedes Mienenspiel, ganz
gleich, ob man Freude, Schmerz oder Interesse ver-
spürt, und zwinge sein Gesicht zu völliger char-
manter Ausdruckslosigkeit, wobei besonders auf
Stirn, Mund und Schläfenpartien zu achten ist. Weg
mit den Lachfalten um den Mund, weg mit der
sorgenvoll hochgezogenen Stirn, Schluß mit dem
nachdenklich gesenkten Kinn: man halte sich grade,
strecke den Kopf vor zur Vermeidung des Doppel-
kinns und massiere während längerer, gar zürnen-
der Ansprachen des Vorgesetzten ganz behutsam
die Wangenpartien nach oben, damit kein gräm-
licher Zug um die Mundwinkel entstehe. Beim Mit-
tagessen sehe man auf gleichmäßige Bewegung der
Kieferseiten, sitze sehr gerade und vermeide wie-
derum sättigende Speisen zugunsten von preis-
werten Obst- und Rohkostplatten. Der Abend sei
leichter Bewegung und horizontaler Ruhelage ge-
widmet, wobei vor allem der Pflege der Gesäßrun-
dungen gedacht werden muß, durch stilles Hüft-
schwingen im Theaterfoyer oder vor dem Kino.
Nach längerem Sitzen versäume man nie, sofort im
Streckstand mit den Fingerspitzen mehrmals den
Boden zu berühren, was besonders auch beim Herab-
schreiten über eine Treppe ein ungewöhnlich durch-
greifendes Training bedeutet. Der wichtigste Teil
der Verschönerungsaulgabe aber ist der Nacht zu-
gedacht. Man lette die ganze Haut gründlich ein
und lege besonders dicke Salbe um Mund und
Augen, sowie aul die Lippen selber, schiebe sich ein
hartes Rollenpolster unter den Nacken, wickle das
Kinn lest in eine Kinnbinde, lege aul die Stirn
eine Sauerstollkompresse und bedecke das Haar mit
einem Netz.
über die Hände ziehe man alte, innen mit Talg
gelüllte Handschuhe, dann entspanne man einzeln
sämtliche Muskeln und lege sich mit vorgestrecktem
Kopt möglichst grad zurecht. Ein leises „Gute Nacht,
Liebling!" sei die einzige Bewegung, die kurz die
Fettmasse um den Mund verschiebe, es sei denn,
daß der Liebling es sich daraufhin nicht versagen
könnte, solch reizvoll gefettetes, dick gewickeltes
Frauenwesen stürmisch, doch mit gebotener Vorsicht
in die Arme zu schließen.
Dann lege man nochmals öl und Salbe nach
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PARTEI DER PARTEIGEGNER
Die Aufhebung des Lizenzzwanges für politische
Gruppierungen hat eine Menge Gründer auf den
Plan gerufen, welche alle durch Parteiwesen — und
was damit zusammenhängt — an die Macht ge-
langen möchten. Man kann keine Zeitung auf-
schlagen, ohne durch Namen wie Feitenhansl, Hedler
oder Meißner daran erinnert zu werden, daß man
in unserer Demokratie ganz ungeniert auf einen
nationalistischen „Umbruch" — also auf das
Ende ebendieser Demokratie — hinarbeiten darf.
Die „Bayerische Heimat- und Königspartei" ist wie-
der erstanden, der Volksbund „Treu-Bayern"
schmiedet ähnliche Pläne und in Hessen hat einer
eine „Untergrundbewegung gegen den Egoismus"
ins Leben gerufen. Von vielen Gründungen erfährt
man überhaupt nichts, als die Bezeichnungen, unter
denen sie sich registrieren lassen, — und diese sind
meist absichtlich irreführend . . .
Nein, so konnte das nicht weitergehen. Es gibt schon
wieder viel zu viele Parteien bei uns. Um dem Par-
teiunwesen endlich ein Ende zu bereiten, hat sich
dieser Tage in München als 57. die längst erwartete
„Partei der Parteigegner" konstituiert.
Das Ziel dieser Nichtpartei besteht darin, durch
schärfste Kampfansage an sämtliche existierenden
Parteien den Parteihader aus unserem politischen
Leben auszuschalten. Gerade diejenigen, die nicht
den geringsten Wunsch haben, die Macht an sich zu
reißen, müssen schließlich im Interesse des Gesamt-
wohles an die Macht kommen, damit Herrschsucht
und Machthunger aufhören können. Die Bewegung
der Bewegungsgegner ist als großes, umfassendes
Sammelbecken gedacht, in dem alle, die in kein
Sammelbecken hineinwollen, Platz finden. Jeglicher
Propaganda abhold, werden die Mitglieder durch
intensive und aufopfernde Tätigkeit das Volk dar-
über aufklären, wie schädlich parteigelenktes, 'pro-
pagandistisches Trommelfeuer auf den Charakter
und die Meinungsbildung des einzelnen wirkt.
„Was uns not tut, ist die Politik der Unpolitischen",
erklärte einem Pressevertreter gegenüber der mit
beachtlicher Mehrheit einstimmig gewählte Vor-
stand, Dr. Finsterhell, der als Rechtsanwalt in aller
Stille einen weit über die Grenzen seiner engeren
Heimat hinausreichenden, internationalen Ruf ge-
nießt. „Vor allem werden wir für die Rechte der
Rechtlosen eintreten. Die Lasten der Unbelasteten
müssen verringert werden auf Kosten der Belasteten,
aus deren Belangen jedoch alles Belanglose fern-
zuhalten ist. Wir fordern eine sofortige Senkung
der Steuern auf steuerfreies Einkommen. Auch der
Besitz der Besitzlosen schreit nach einer gerechteren
Verteilung, namentlich im Hinblick auf die bei uns
heimisch gewordenen Heimatlosen, deren endgültige
Ziffer nunmehr feststeht und ständig steigt. Im
übrigen wird es unser Bestreben sein, in allen Din-
gen Maß zu halten, weshalb wir auch den Maßkrug
als Parteisymbol erwählt haben . . ."
„Glauben Sie, daß Ihre Partei in absehbarer Zeit ge-
nügend Anhänger gewinnen wird, um in den Land-
tag einziehen zu können?" fragte der Reporter.
„Das hängt ganz davon ab, welchen Erfolg unser
Werbefeldzug in den Schichten der bisher Erfolg-
losen haben wird. Wir hoffen, daß wir die Stummen
im Lande dazu bewegen werden, ihre Stimmen weit-
hin schallen zu lassen, so daß alle, die vom Partei-
leben die Nase voll haben, zu uns strömen. Einmal
im Parlament vertreten, werden wir einen teilweisen
Anspruch auf Totalität freiwillig erheben müssen,
denn eist, wenn es keine anderen Parteien mehr
gibt, werden wir imstande sein, das Ideal der Partei-
losigkeit so anziehend zu gestalten, daß jeder aus
Uberzeugung und Begeisterung unserer Partei bei-
tritt." W. F. K.
Jede Frau kann schön sein!
VON EFF1 HORN
Immer wieder hört man die irrige Meinung, Häß-
lichkeit sei ein Geburtslehier! Ganz verkehrt: jede
Frau kann bildschön sein, solern sie sich nur genau
an jene in sämtlichen Zeitungen unermüdlich an-
gepriesenen höchst einfachen Richtlinien moderner
Kosmetik hält und lür das große Ziel, Greta Garbo,
Mona Lisa und Kleopatra in einem zu sein, ein paar
kleine Unannehmlichkeiten aul sich nimmt. Fassen
wir es kurz zusammen: Beim Erwachen atme man
tief und lang durch den Mund, schwinge die Arme,
springe aus dem Bett, mache zehn Minuten am
Fenster Kniebeugen und Rumpisenken, trinke etwas
Obstsalt, vermeide Fett und scharte Gewürze, wan-
dere zu Fuß im Morgentau ins Geschält (talls sich
diese Unterbrechung der Schönheitspflege nicht ver-
meiden läßt!) und sorge dort für 'Schlaf, Ruhe und
gute Verdauung. Wichtig ist, sich alle Aufregung
fernzuhalten, auch auf das Toben des Chefs nur
mit sparsamen Bewegungen zu antworten, sich nicht
zu überhasten und aus dem Gleichgewicht bringen
zu lassen. Dazwischen schalte man, wenn er den
Rücken dreht, tiefe Atemzüge am Fenster ein und
halte durch leichtes Gelenkspiel unterm Schreib-
maschinentisch die Knie geschmeidig.
Das wichtigste aber ist „Disziplin" für die Schön-
heit. Also vermeide man jedes Mienenspiel, ganz
gleich, ob man Freude, Schmerz oder Interesse ver-
spürt, und zwinge sein Gesicht zu völliger char-
manter Ausdruckslosigkeit, wobei besonders auf
Stirn, Mund und Schläfenpartien zu achten ist. Weg
mit den Lachfalten um den Mund, weg mit der
sorgenvoll hochgezogenen Stirn, Schluß mit dem
nachdenklich gesenkten Kinn: man halte sich grade,
strecke den Kopf vor zur Vermeidung des Doppel-
kinns und massiere während längerer, gar zürnen-
der Ansprachen des Vorgesetzten ganz behutsam
die Wangenpartien nach oben, damit kein gräm-
licher Zug um die Mundwinkel entstehe. Beim Mit-
tagessen sehe man auf gleichmäßige Bewegung der
Kieferseiten, sitze sehr gerade und vermeide wie-
derum sättigende Speisen zugunsten von preis-
werten Obst- und Rohkostplatten. Der Abend sei
leichter Bewegung und horizontaler Ruhelage ge-
widmet, wobei vor allem der Pflege der Gesäßrun-
dungen gedacht werden muß, durch stilles Hüft-
schwingen im Theaterfoyer oder vor dem Kino.
Nach längerem Sitzen versäume man nie, sofort im
Streckstand mit den Fingerspitzen mehrmals den
Boden zu berühren, was besonders auch beim Herab-
schreiten über eine Treppe ein ungewöhnlich durch-
greifendes Training bedeutet. Der wichtigste Teil
der Verschönerungsaulgabe aber ist der Nacht zu-
gedacht. Man lette die ganze Haut gründlich ein
und lege besonders dicke Salbe um Mund und
Augen, sowie aul die Lippen selber, schiebe sich ein
hartes Rollenpolster unter den Nacken, wickle das
Kinn lest in eine Kinnbinde, lege aul die Stirn
eine Sauerstollkompresse und bedecke das Haar mit
einem Netz.
über die Hände ziehe man alte, innen mit Talg
gelüllte Handschuhe, dann entspanne man einzeln
sämtliche Muskeln und lege sich mit vorgestrecktem
Kopt möglichst grad zurecht. Ein leises „Gute Nacht,
Liebling!" sei die einzige Bewegung, die kurz die
Fettmasse um den Mund verschiebe, es sei denn,
daß der Liebling es sich daraufhin nicht versagen
könnte, solch reizvoll gefettetes, dick gewickeltes
Frauenwesen stürmisch, doch mit gebotener Vorsicht
in die Arme zu schließen.
Dann lege man nochmals öl und Salbe nach
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Deutsche Nachkriegs-Forschungsanstalt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 5.1950, Nr. 2, S. 22.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg