„GELD ALLEIN MACHT NICHT GLÜCKLICH"
Matrizen ersetzen Pressechef
Von Karl Jakob Hirsch
Was für eine Last ist es doch, Geld zu besitzen.
Selig sind die Armen .. . aber schlimm ist der
Fall erst, wenn eine „angestaubte Etiquette"
es verbietet, das Geld (das man nicht selbst
erarbeitet hat) mit sich herumzuschleppen.
Man halte das nicht für einen Witz. In dieser
problemvollen Zeit gibt es noch etwas, das der
Aufmerksamkeit der sich abmühenden Mensch-
heit entgeht.
Da meldet die United Press aus London, daß
die Prinzessin Elisabeth eine neue Hofdame
benötigt, da die jetzige krank geworden ist.
Schlimm, daß Krankheit und Tod so gar keinen
Respekt vor der Tradition haben ...
Die Nachricht besagt: „ . . eine der vielen Auf-
jgaben der neuen Hofdame wird sein, das Geld
jder Prinzessin zu tragen, denn Prinzessinnen
ihaben nicht die Erlaubnis, Geld in einem Porte-
monnaie mit sich herumzutragen ..."
Nein, wie wird die gequälte Menschheit auf-
atmen. Es wäre ja auch nicht auszudenken,
wenn eine Prinzessin... mit Geld beladen
durch die Straßen ziehen würde . . . Man denkt
überhaupt selten an die Tatsache, daß auch die
„von Gottes Gnaden" ihre Sorgen haben. Wenn
man sich vorstellen würde, daß eine Prinzessin
nach getätigtem Einkauf ein Portemonnaie aus
der Handtasche ziehen würde ... oh shoking.
Ein großer Teil, weitaus der größte Teil der
Menschheit, müht sich täglich acht bis zehn
Stunden ab, das Geld für die tägliche Nahrung
zusammenzuarbeiten. Und da gibt es Pro-
bleme .. die wirklich schwer sind. Ich erinnere
mich nicht, daß ich je Mühe hatte, einen Träger
für mein Portemonnaie zu benötigen. Aber
desto größere, das nötige Geld für mein Porte-
monnaie aufzutreiben.
Solche Nachricht, wie die oben erwähnte, be-
leuchtet blitzartig die prekäre Lage, in der sich
doch ein Teil (der allerkleinste) der Mensch-
heit befindet.
Wie .. . wenn eine Prinzessin etwa .. . geldlos
Einkäufe machen würde? Bestünde die Gefahr,
daß man ihr nichts verkaufen würde, wenn sie
kein Geld bei sich hätte und nur sagen würde:
„Schreiben Sie das bitte auf... ich bin die
Prinzessin X."
Auch die tief beruhigende Nachricht, daß der
mit Recht entthronte König Leopold von Bel-
gien nun sechs Millionen Franken jährliches
Gehalt bekommen wird, nur dafür, daß er. ..
nicht regiert, ist wirklich tröstlich. In dieser pro-
blemlosen Welt gibt es doch noch Probleme . . .
die sich „keineSchulweisheit erträumt."
Bonn. Wie zum Rücktritt des Bundespressechefs
Bourdin nachträglich bekannt wird, beabsichtigt die
Bundesregierung, ein völlig neues System für die
künftige Unterrichtung der Presse einzuführen. Ein
Vergleich der bisher ausgegebenen Kommuniques
und offiziellen Kommentare untereinander ergab,
daß insgesamt nur 847 verschiedene Worte dafür
benötigt wurden, um die jeweiligen Ansichten der
Bundesregierung zu allen politischen Ereignissen
des vergangenen Jahres zu verdolmetschen. In an-
erkennenswertem Entgegenkommen für die Presse
will man den in Bonn tätigen Journalisten die un-
nötige Arbeit der Niederschrift solcher Kommentare
ersparen. Es werden daher über die geläufigsten
Formulierungen der offiziellen Regierungssprecher
Matrizen angefertigt, die mit laufenden Nummern
versehen den Zeitungsarchiven jeweils für ein Jahr
im voraus zur Verfügung gestellt werden. Bei den
täglichen Pressekonferenzen werden dann zu den
vorgebrachten Fragen nur noch die dafür zutreffen-
den Matrizennummern genannt, deren Weitergabe
an die Heimatredaktionen Zeit und insbesondere
Telefongebühren erspart, aber auch die sofortige
Ausarbeitung von regierungsfreundlichen Leitarti-
keln gestattet. Die ersten zehn Matrizen, deren
stichwortartigen Text wir nachstehend wiedergeben,
werden aus einem Spezialedelstahl geprägt, weil
sie nach den bisherigen Erfahrungen vermutlich am
häufigsten in Anspruch genommen werden dürften:
Matrize 1: Die Rede des Ministers X wurde mißver-
standen. Er meinte nicht, was er sagte. Er sagte nur,
was er meinte, mit Rücksicht aut die Zuhörer sagen
zu müssen.
Matrize 2: Das Gehalt des Abgeordneten Y isf nicht
so hoch. Es ist um über zwei Mark niedriger und er-
gänzt sich lediglich um wenige hundert Mark für die
dienstliche Inanspruchnahme seines Taschentuches.
Matrize 3: Die Regierung erwägt, dem Parlament zu
empfehlen, durch einen Unterausschuß prüfen zu
lassen, inwieweit der Lastenausgleich noch beschleu-
nigt werden kann.
Matrize 4: Die Entscheidung war eine übereilte Maß-
nahme eines dafür nicht zuständigen Ministeriums,
die hiermit wieder aufgehoben wird.
Matrize 5: Die Kosten des Mahls gingen nicht zu
Lasten der Steuerzahler, sie wurden vom gastgeben-
den Lande getragen.
Matrize 6a: Erhöhte Importe aus Mitteln des Gegen-
wertfonds werden die inländischen Lebensmittel-
preise auf die Weltmarktnotierung senken und die
Wünsche der Gewerkschalten befriedigen.
Matrize 6b: Die Notlage der Bauernschaft machte es
erforderlich, die inländischen Lebensmittelpreise auf
die Weltmarktnotierung zu erhöhen.
Matrize 7: Die Flüchtlingsfrage ist ein europäisches
Problem.
Matrize 8a: Das Hauptaugenmerk gilt dem sozialen
Wohnungsbau, für den 1,2 Milliarden bereitgestellt
wurden, womit der Bau von 250 000 Wohnungen
noch im Laufe dieses Jahres gesichert ist.
Matrize 8b: Im Wohnungsbau konnten nur deshalb
keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden,
weil keine Mittel zur Verfügung standen. Die Nach-
richt von Milliardenbeträgen beruht auf einer irre-
führenden Indiskretion eines untergeordneten Refe-
renten, der inzwischen entlassen wurde. Peter Ping
KRIEG GEGEN TOTO
Nachdem der Totoismus immer weitere Bevöl-
kerungskreise erfaßt hat, wachsen die schwe-
ren moralischen Bedenken gegen die Toto-
Satelliten in allen jenen Kreisen, denen die
Moral anderer besonders am Herzen liegt. So
wird auch auf die schwere Gefahr hingewiesen,
die das Totofieber besonders für Säuglinge
heraufzubeschwören vermag. Es wird daher
angestrebt, das Alter für Totospieler auf fünf
Jahre hinaufzusetzen und Kleinstkinder von
den Wetten auszuschließen. Der Säuglings-
verein „Frische Windel" hat daraufhin sofort
protestiert und seine Mitglieder angewiesen,
die totosüchtigen Eltern künftig in keiner
Weise mehr durch kindliche Unschuld zu unter-
stützen und ihnen weder durch Lallen noch
durch kindliches Hinzeigen mit dem Fingerchen
weiterhin Tips zu geben. Sie sollten sich nicht
länger zum Glücksschweinchen erniedrigen
lassen und sich einer Erwachsenenseuche fern-
halten, wenn sie schon nicht selbständig dabei
mittun dürften. h.
„Jede Nacht kommst du mit einem anderen Paar Strümpfen heim!"
„Kunststück, wo doch seine Frau Verkäuferin bei Nylon ist."
52
Matrizen ersetzen Pressechef
Von Karl Jakob Hirsch
Was für eine Last ist es doch, Geld zu besitzen.
Selig sind die Armen .. . aber schlimm ist der
Fall erst, wenn eine „angestaubte Etiquette"
es verbietet, das Geld (das man nicht selbst
erarbeitet hat) mit sich herumzuschleppen.
Man halte das nicht für einen Witz. In dieser
problemvollen Zeit gibt es noch etwas, das der
Aufmerksamkeit der sich abmühenden Mensch-
heit entgeht.
Da meldet die United Press aus London, daß
die Prinzessin Elisabeth eine neue Hofdame
benötigt, da die jetzige krank geworden ist.
Schlimm, daß Krankheit und Tod so gar keinen
Respekt vor der Tradition haben ...
Die Nachricht besagt: „ . . eine der vielen Auf-
jgaben der neuen Hofdame wird sein, das Geld
jder Prinzessin zu tragen, denn Prinzessinnen
ihaben nicht die Erlaubnis, Geld in einem Porte-
monnaie mit sich herumzutragen ..."
Nein, wie wird die gequälte Menschheit auf-
atmen. Es wäre ja auch nicht auszudenken,
wenn eine Prinzessin... mit Geld beladen
durch die Straßen ziehen würde . . . Man denkt
überhaupt selten an die Tatsache, daß auch die
„von Gottes Gnaden" ihre Sorgen haben. Wenn
man sich vorstellen würde, daß eine Prinzessin
nach getätigtem Einkauf ein Portemonnaie aus
der Handtasche ziehen würde ... oh shoking.
Ein großer Teil, weitaus der größte Teil der
Menschheit, müht sich täglich acht bis zehn
Stunden ab, das Geld für die tägliche Nahrung
zusammenzuarbeiten. Und da gibt es Pro-
bleme .. die wirklich schwer sind. Ich erinnere
mich nicht, daß ich je Mühe hatte, einen Träger
für mein Portemonnaie zu benötigen. Aber
desto größere, das nötige Geld für mein Porte-
monnaie aufzutreiben.
Solche Nachricht, wie die oben erwähnte, be-
leuchtet blitzartig die prekäre Lage, in der sich
doch ein Teil (der allerkleinste) der Mensch-
heit befindet.
Wie .. . wenn eine Prinzessin etwa .. . geldlos
Einkäufe machen würde? Bestünde die Gefahr,
daß man ihr nichts verkaufen würde, wenn sie
kein Geld bei sich hätte und nur sagen würde:
„Schreiben Sie das bitte auf... ich bin die
Prinzessin X."
Auch die tief beruhigende Nachricht, daß der
mit Recht entthronte König Leopold von Bel-
gien nun sechs Millionen Franken jährliches
Gehalt bekommen wird, nur dafür, daß er. ..
nicht regiert, ist wirklich tröstlich. In dieser pro-
blemlosen Welt gibt es doch noch Probleme . . .
die sich „keineSchulweisheit erträumt."
Bonn. Wie zum Rücktritt des Bundespressechefs
Bourdin nachträglich bekannt wird, beabsichtigt die
Bundesregierung, ein völlig neues System für die
künftige Unterrichtung der Presse einzuführen. Ein
Vergleich der bisher ausgegebenen Kommuniques
und offiziellen Kommentare untereinander ergab,
daß insgesamt nur 847 verschiedene Worte dafür
benötigt wurden, um die jeweiligen Ansichten der
Bundesregierung zu allen politischen Ereignissen
des vergangenen Jahres zu verdolmetschen. In an-
erkennenswertem Entgegenkommen für die Presse
will man den in Bonn tätigen Journalisten die un-
nötige Arbeit der Niederschrift solcher Kommentare
ersparen. Es werden daher über die geläufigsten
Formulierungen der offiziellen Regierungssprecher
Matrizen angefertigt, die mit laufenden Nummern
versehen den Zeitungsarchiven jeweils für ein Jahr
im voraus zur Verfügung gestellt werden. Bei den
täglichen Pressekonferenzen werden dann zu den
vorgebrachten Fragen nur noch die dafür zutreffen-
den Matrizennummern genannt, deren Weitergabe
an die Heimatredaktionen Zeit und insbesondere
Telefongebühren erspart, aber auch die sofortige
Ausarbeitung von regierungsfreundlichen Leitarti-
keln gestattet. Die ersten zehn Matrizen, deren
stichwortartigen Text wir nachstehend wiedergeben,
werden aus einem Spezialedelstahl geprägt, weil
sie nach den bisherigen Erfahrungen vermutlich am
häufigsten in Anspruch genommen werden dürften:
Matrize 1: Die Rede des Ministers X wurde mißver-
standen. Er meinte nicht, was er sagte. Er sagte nur,
was er meinte, mit Rücksicht aut die Zuhörer sagen
zu müssen.
Matrize 2: Das Gehalt des Abgeordneten Y isf nicht
so hoch. Es ist um über zwei Mark niedriger und er-
gänzt sich lediglich um wenige hundert Mark für die
dienstliche Inanspruchnahme seines Taschentuches.
Matrize 3: Die Regierung erwägt, dem Parlament zu
empfehlen, durch einen Unterausschuß prüfen zu
lassen, inwieweit der Lastenausgleich noch beschleu-
nigt werden kann.
Matrize 4: Die Entscheidung war eine übereilte Maß-
nahme eines dafür nicht zuständigen Ministeriums,
die hiermit wieder aufgehoben wird.
Matrize 5: Die Kosten des Mahls gingen nicht zu
Lasten der Steuerzahler, sie wurden vom gastgeben-
den Lande getragen.
Matrize 6a: Erhöhte Importe aus Mitteln des Gegen-
wertfonds werden die inländischen Lebensmittel-
preise auf die Weltmarktnotierung senken und die
Wünsche der Gewerkschalten befriedigen.
Matrize 6b: Die Notlage der Bauernschaft machte es
erforderlich, die inländischen Lebensmittelpreise auf
die Weltmarktnotierung zu erhöhen.
Matrize 7: Die Flüchtlingsfrage ist ein europäisches
Problem.
Matrize 8a: Das Hauptaugenmerk gilt dem sozialen
Wohnungsbau, für den 1,2 Milliarden bereitgestellt
wurden, womit der Bau von 250 000 Wohnungen
noch im Laufe dieses Jahres gesichert ist.
Matrize 8b: Im Wohnungsbau konnten nur deshalb
keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden,
weil keine Mittel zur Verfügung standen. Die Nach-
richt von Milliardenbeträgen beruht auf einer irre-
führenden Indiskretion eines untergeordneten Refe-
renten, der inzwischen entlassen wurde. Peter Ping
KRIEG GEGEN TOTO
Nachdem der Totoismus immer weitere Bevöl-
kerungskreise erfaßt hat, wachsen die schwe-
ren moralischen Bedenken gegen die Toto-
Satelliten in allen jenen Kreisen, denen die
Moral anderer besonders am Herzen liegt. So
wird auch auf die schwere Gefahr hingewiesen,
die das Totofieber besonders für Säuglinge
heraufzubeschwören vermag. Es wird daher
angestrebt, das Alter für Totospieler auf fünf
Jahre hinaufzusetzen und Kleinstkinder von
den Wetten auszuschließen. Der Säuglings-
verein „Frische Windel" hat daraufhin sofort
protestiert und seine Mitglieder angewiesen,
die totosüchtigen Eltern künftig in keiner
Weise mehr durch kindliche Unschuld zu unter-
stützen und ihnen weder durch Lallen noch
durch kindliches Hinzeigen mit dem Fingerchen
weiterhin Tips zu geben. Sie sollten sich nicht
länger zum Glücksschweinchen erniedrigen
lassen und sich einer Erwachsenenseuche fern-
halten, wenn sie schon nicht selbständig dabei
mittun dürften. h.
„Jede Nacht kommst du mit einem anderen Paar Strümpfen heim!"
„Kunststück, wo doch seine Frau Verkäuferin bei Nylon ist."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Jede Nacht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Jede Nacht kommst du mit einem anderen Paar Strümpfen heim!" / "Kunststück, wo doch seine Frau Verkäuferin bei Nylon ist."
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 5.1950, Nr. 5, S. 52.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg