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167 -

Der große Patriot

„Könnte man nicht auch einmal für
das verlorene Vaterland ein Kalb
schlachten?“ Stresemann in Stuttgart.

Der große Patriot schloß seine Rede
am Kriegerdenkmal: „Vergessen wir nie,
deutsche Brüder, daß nur Einigkeit und Op-
fermut unser Vaterland retten können. Seien
wir bereit! Bereit zu jeder Stunde, Gut und
Blut zu opfern für unser geliebtes Deutsch-
land. Es lebe hoch, hoch, hoch!"

And weil es ein frommer Landmann war,
der diese Rede gehalten, zog er an der Spitze
des Kriegervereins in die Kirche des Dorfes,
und sie beteten gemeinsam für das Vaterland.
Danach bestieg der Redner seinen Iagdwagen
und kutschierte zurück auf sein Gut; denn er
war hungrig geworden, und man soll ein ge-
bratenes Spanferkel nicht warten lassen, weil
es sonst an Knusprigkeit einbüßt.

Er wischte sich gerade den Mund mit der
Serviette, als der Steuererheber eintrat und
den Zehenten forderte für das Land.

„Warum störst du mich?" fragte vorwurfs-
voll der Agrarier. „Eben wollte ich mein
Tischgebet halten."

„Lieber, das Reich hungert, und tiefe Ru-
nen der Sorge durchfurchen es. Opfere seiner
Rot und schlachte ihm ein Kalb."

„Wie? Du forderst ein Kalb von mir?"

„So dein Sohn zurückkehrt aus der Fremde,
besinnst du dich keinen Augenblick und öffnest
den Stall, den Leimgekehrten mit einein safti-
gen Braten zu empfangen. So deine Tochter
Lochzeit macht, lieferst du mit Freuden das
fetteste deiner Kälber ans Messer. Run
aber steht das arme, hungernde Vaterland
an deiner Tür und bittet: gib von deinen zehn
Kälbern eins."

„Bin ich blutsverwandt mit dem Reich wie
mit Sohn und Tochter?"

„Das Reich ist die Mutter, der du alles
verdankst. Zu treuen Länden überließ sie dir
Land, daß du es verwaltest für das Volk."

„Stimmt nicht, meine Ahnen saßen seit den
Kreuzzügen auf unserer Klitsche, und was
wir sind, sind wir durch uns selbst. Iinnler-
hin: das Vaterland über alles! Selbstver-
ständlich. Aber muß es gerade ein Kalb sein?"

Da lächelte der Steuererheber und sagte:
„Rein. Ich nehme auch eine Kuh, wenn es
dir lieber ist."

„Anversch-!" Der erzürnte Landmann

stand auf, und seine Augen blitzten. „Wärest
du nicht der Abgesandte des Landes, ich wiese
dir die Tür. So aber sage ich dir nur: ich
bin arm und habe kaum satt. Will mir das
Reich das Letzte nehmen?"

„Ich hörte deine Rede vorhin. Gut und
Blut wolltest du opfern."

„Gut und Blut. Liber kein Kalb. Wenn
ich dir von zehn eins gebe, habe ich nur noch
neun."

„Das ist richtig. Indessen wird sich deine
Zucht gar bald wieder vermehren."

„Ja. Aus dem Kalbe wird ein großes Rind.
Ahnst du, was jetzt eine Milchkuh kostet?
Soll ich den Wohlstand meiner Zukunft ver-
schenken?"

And der große Patriot ging mit langen
Schritten im Zimmer umher, trank einen
Kognak und sagte ein wenig milder: „Ich
werde dir einen Äammel geben." Er drückte
auf einen Knopf und befahl den Schäfer her
Der sagte, daß morgen die große Schur be-
ginnen solle.

„Das ist etwas anderes. Die Wolle brauche
ich selbst. Du mußt dich mit einem Lamm
begnügen. Das heißt" — er besann sich —

„Wer is denn die Dicke?"

„Ach, die war ncilich noch janz mager. Da hat se mit ihre paar Pfunde
spekuliert und nu sitzt se in ne Kilo-Lausse!"

•'0-^0—-o—o~-'0~-~o—

„aus einem Lamm wird einst ein Schaf, das
wieder Wolle trägt. Die Wolle aber kann
ich dir nicht geben.".

„So gib ein Schwein. Das trägtnicht Wolle."

„Unmöglich. Ein Pfund Schinken allein
geht schon in die Millionen. And man muß
ja auch etwas im Rauche haben. Nein. Aber
wenn du ein Ferkel nehmen willst —"

„Gewiß. Ich darf nichts ausschlagen."

„Nichts? So höre: die Ferkel saugen noch
an der Mutter, und es wäre lieblos, sie zu
trennen. Ich will dir einen feisten Lahn aus-
wählen, mit dem du zufrieden sein sollst."

And er begab sich sofort in den Lühner-
stall und kehrte nach kurzer Zeit zurück:
„MitdemLahn, das wurde nichts. DieLühner
waren dagegen. And ich konnte es nicht über
mich gewinnen, ihr Familienleben zu zerstören.
Aber ein Ei habe ich dir mitgebracht. Lier
ist es."

Da nahm der Steuererheber das Ei, neigte
das Laupt und ging wortlos aus der Tür.

And als das Vaterland das Ei des großen
Patrioten in die Pfanne schlug, da stank eS
zum Limmel.

Denn er hatte ein faules Ei geopfert.

Pan.

*

Dementi

Poincarö hat bisher noch nicht behauptet,
daß das japanische Erdbeben von Deutschland
hervorgerufen sei, obgleich gewisse Verdachts-
momente vorliegen. Er wird sich erst dann
dazu äußern, wenn die Arsachen zweifelsfrei
festgestellt sind. Zwar sind die Mauern von
Jericho seinerzeit durch Posaunenstöße ge-
fallen. Die Frage, ob das durchdringende
Geschrei der Deutschvölkischen eine ähnliche
Wirkung gehabt habe, kann nur durch eine
sachverständige Antersuchungskommission ge-
klärt werden.

Tempelfrevel

In China ist man einem ungeheuerlichen
Tempelfrevel auf die Spur gekommen. Im
Laupttempel von Peking, wo seit der Ab-
setzung der Mandschu-Dynastie nicht mehr
geopfert wurde, haben sich Spiel- und Opfer-
Höllen breit geinacht.

Welch ein Tiefstand der chinesischen Kultur!
In unseren Tempeln opfert man immer
noch der entschwundenen Dynastie, und man
würde dort höchstens Bankfilialen zulasse».

Punktum

*

Sanktionen

Reil dem, der dieses Wort erfand.

Das kann man friedlich baueben
Und kann dabei die starke Rand
So wundersam gebrauchen!

Ja, Mussolini, kühner Reld,

Das paßt für deinen Schnabel:

Kulisse für die tumbe Welt
Und Schleifstein für den Sabel.

Vor Korfu fpracbens feierlich
Der Panzer erzne Münder.

In ihrem Blute wälzen sich
Vier Große, sechzehn Kinder.

Sieg! Quaffelt wer vom Völkerbund,

Der doch neutral und ethisch?

£r überdenke den Befund
Gefälligst theoretisch.

Denn praktisch handelt man exakt
Nach anderen Sanktionen:

Wie jene war auch dieser flkt
„friedlich“, bloß mit Kanonen. p.
 
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