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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Groner, Anton: Zur Entstehungsgeschichte der Sixtinischen Wandfresken, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0134
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Abhandlungen

Zur Entstehungsgeschichte der
Sixtinischen Wandfresken.

(Mit 4 Abbildungen.)

IL

|o kommen wir denn zu der not-
wendigen Annahme, daß die durch
den Vertrag vom 27. Oktober 1481
den 4 Malern übertragenen zehn
Historien nicht die letzten, sondern die ersten
in der Ausführung des Zyklus waren. Diese
Annahme paßt auch viel besser in die ganze
Konstellation. Am 27. Oktober 1481 ver-
pflichteten sich nach Steinmann die 4 Künstler,
bis 15. März 1482 die letzten 10 Historien-
bilder fertig zu machen und dies bei einer un-
geheuren Geldbuße für den Fall, daß sie die
vorgeschriebene Zeit nicht einhalten. Nun fällt
es ihnen aber garnicht ein, den Termin zu
beachten oder auch nur die übernommenen
Historien überhaupt auszuführen. Am Ende
des Jahres 1482, wo sie nach der im Kontrakt
vorgesehenen Zeit hätten mindestens 2 Dutzend
Fresken fertig haben können, lassen sie endlich
den Papst ganz im Stich, der nun für die 2
noch übrigen Bilder noch einen neuen Künstler
berufen muß.

Steinmanns Ansicht, daß der Papst die
Künstler deswegen mit einer so hohen Geld-
buße für den Fall einer Termin Versäumnis
bedrohte, weil er schon im Frühjahr 1482 alle
Fastengottesdienste und die Feiern der Stillen
Woche in der neuen Kapelle halten wollte,
wäre verfehlt, auch wenn es sich wirklich um
die letzten 10 Fresken handelte. Denn im
Jahre 1482 war Ostern am 7. April, Palmsonntag
am 31. März, Aschermittwoch am 20. Februar,
während die Maler ja erst am 15. März fertig
sein sollten. Wenn sie nun auch zu diesem
Termin fertig geworden wären, hätte die
Kapelle sicherlich selbst in der Karwoche und
an Ostern noch nicht benutzt werden können.
Bei unserer Auffassung dagegen läßt sich das
Drängen des Papstes ganz wohl verstehen.
Freilich verstrickt uns die Annahme, daß es
sich im Vertrag vom 27. Oktober 1481 um
die ersten 10 Historien handelt, in scheinbar
unlösliche Widersprüche. Denn das Schriftstück
spricht klar und unzweideutig von „istoriae iam
factae in dicta capella per eosdem depictores".
Den Schlüssel zu des Rätsels Lösung dürfen

wir wohl hinter der auffallenden Tatsache ver-
muten, daß Dolci vier Künstlern zehn Histo-
rien überträgt. Da die zehn Bilder die ersten
in der Ausführung waren, muß es doch sehr
wundernehmen, daß den 4 Malern nicht 4 oder
8 oder 12 oder alle IG aufgetragen werden.
Wie kommt Dolci dazu, während doch 10
Bilder noch gemalt werden mußten, jedem
Künstler 2'/o Fresken zuzuweisen? Dürfen wir
einen solchen Akt selbstherrlicher Willkür
voraussetzen? Ganz bestimmt nicht. Das zeigt
am deutlichsten der Vertrag selber. Darin steht
klipp und klar: 1. Die Maler Rosselli, Botti-
celli, Ghirlandajo und Perugino übernehmen
gemeinsam die 10 bezeichneten Historien.
2. Wie sich die 4 Unternehmer untereinander
und mit ihren Gehilfen in die Arbeit teilen
wollen, ist ihre Sache. 3. Sie verpflichten sich,
die Aufgabe nach bestem Gewissen und Können
zu erledigen. 4. Das Honorar wird nachher
durch eine Jury festgesetzt. 5. Die Unternehmer
versprechen, bis 15. März 1482 fertig zu sein
und sie garantieren freiwillig (sponte sibi
imposuerunt, — also nicht der Papst droht)
mit der riesigen Summe von 50 Goldgulden für
jeden, der den Vertrag nicht einhält, so zwar, daß
jeder einzelne für sich und jeden anderen
Kontraktbrüchigen mit seinem gegenwärtigen
und künftigen Vermögen haftet. Das alles er-
klärt sich nur dann, wenn das Anerbieten nicht
vom Papst ausging, sondern von den 4 Künst-
lern, vielleicht im Gegensatz zu den Wünschen
des Papstes, welchem die rechtzeitige Vollendung
der Malereien sehr am Herzen lag und der am
Ende, um sicher zu gehen, willens war, noch
weitere Künstler zu berufen. Wie kamen aber
die 4 Unternehmer dazu, einen Kontrakt auf
10 Fresken zu schließen? Die Erklärung gibt
ein Blick auf folgendes Schema unmittelbar:

Auffindung Mosis, Geburt Christi,

Perugino. Perugino.

Beschneidung des Moses- Taufe Christi (Johannes -

söhnleins, Perugino. taufe), Perugino.

Wüstenaufenthalt Mosis, Wüstenaufenthalt Christi,

Botticelli. Botticelli.

Durchzug durchs Rote Berufung der ersten

Meer, Ghirlandajo. Jünger, Ghirlandajo.

Gesetzgebung auf Sinai. Bergpredigt und Heilung

Rosselli. des Aussätzigen, Rosselli

Aarons Berufung zum Schlüsselübergabe an

Hohenpriester, Botticelli. Petrus, Perugino.

Abschied Mosis,Signorelli. Abendmahl, Rosselli

Kampf um Mosis Leich- Auferstehung Christi,

nam, Signorelli. Ghirlandajo.
 
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