B429: Das alte Schwert
Dialog mit Frau Venus über eine Dame, die den Sprecher wegen
seines Alters zurückweist, mit eingeschobenem Lob der Geliebten
(ohne narrativen Rahmen)
Verfasser: Meister Altswert
Datierung: früheste Überlieferung vor 1410 (He10)
Überlieferung:
He3 155v–160r; 285 V.
He9 28r–33v; 286 V.
He10 1r–5v; 286 V.
Edition:
Holland/Keller 1850, 1–10 (krit.); Meyer 1889, 32 (Korrekturen zu Holland/Keller)
Literatur:
Meyer, K. 1889; Blank 1970, 176–179; Glier 1971, 216–225; Glier 2VL 1 (1978), 319f.; Janota 2004, 343f.; Kiening 2Killy 1 (2008), 113
Beschreibung der Überlieferung:
Überliefert im Konvoi mit drei anderen Texten einer kleinen Autorsammlung, in der Reihenfolge B429, B430, B431, B223. Nur am Ende des vorliegenden Textes wird der Autorname genannt, die anderen Texte werden aufgrund von Stil und Überlieferungsgemeinschaft zugewiesen. Die Altswert-Autorsammlung ist in He10 als ursprünglich selbständiger Faszikel überliefert. In He9 eröffnet sie die Minnereden-Sammlung, in He3 folgt sie auf die Großformen B232 und B439, welche die Hs. eröffnen, sowie auf zwei Texte Hermanns von Sachsenheim (B465 und B226). Folgende signifikante Varianzen sind festzustellen (Zählung nach der Ausgabe, deren Zeilen neu durchnummeriert wurden): He10 5 Gein der zarte statt He3 5 Gen der kuschen (gleichlautend in He9); He10 39 Du solt lop minne und ere statt He3 39 Du solt nyemant vneren (gleichlautend in He9); He10 91 Su treit von lop das recht riz statt He3 91 Sie treit von recht das loberis (gleichlautend in He9); He10 134 gralich statt He3 / He9 134 götlich; He10 248 Gepaleret wip (gleichlautend in He9) statt He3 248 Tepullirt wip. In He3 fehlt V. 3.
Überschrift:
dietz ist daz alte swert (He10)
Inhalt:
(Zitate nach Holland/Keller 1850, deren Zeilen neu durchnummeriert wurden) . A Exposition (1–10): Der Sprecher beklagt sein Liebesleid und wendet sich in zwei Apostrophen an die personifizierten Tugenden Stätikeit und Truwe, damit sie ihm in seinem Minnedienst Rat und Hilfe leisten. Nur die geliebte Dame könne ihm Trost spenden.
B Gespräch mit Venus (11–238): Der Sprecher wendet sich in einer weiteren Apostrophe an Frau Venus und bittet sie um Rat. Er wolle ihr ergeben dienen. ♦ Venus wünscht eine Bestätigung seiner Bereitschaft, ihr zu folgen. ♦ Der Sprecher versichert mit einem Eid, dass er ihr Gebot halten werde. ♦ Venus zählt nun die klassischen Minneregeln auf, an die er sich halten solle (26–59 Tugendkatalog; mehrfach eingeleitet mit Du solt): Beständigkeit, Treue, Ehre, Scham, gut über andere reden, Demut, gesellig, dienstbereit und leidensfähig sein, Geduld, Freigebigkeit, heimliche Minne. Wenn der Sprecher sich daran halte – so verspricht es Frau Venus – werde ihm ehrenhafter Minnelohn zuteil. Frau Venus preist anschließend die Tugenden der auch ihr gut bekannten Dame (Keuschheit, Schamhaftigkeit, Gerechtigkeit) und fragt den Sprecher, was er (70: du tumber kneht) denn über diese Dame zu klagen habe. ♦ Der Sprecher antwortet zunächst mit einem umfassenden Lob seiner Geliebten (72–108): Er habe sie zur Geliebten erwählt, denn sie sei Dornstrauch blühender Rosen und gleiche einem Falken; ihr Anblick mache ihn glücklich; alle sagten nur das Beste von ihr; ihre liebenswerten Worte übertönten alles, was von Seiteninstrumenten und aus Mündern erklingen könne, usw. ♦ Frau Venus unterbricht unwirsch die Rede des Sprechers (114: Du wenest mich licht tœren) und sagt, er solle seine Klage vorbringen. ♦ Der Sprecher gibt nun an, weswegen die geliebte Dame seinen Dienst ablehne: Nach ihren Aussage sei er bereits in den ›mittleren Jahren‹ (122f.: daz ich mittel jare zil | Uff mir habe) und mit Sorgen beladen, mithin zu alt für den Minnedienst. Gegenüber Frau Venus rechtfertigt der Sprecher sein Alter mit seinen ritterlichen Aufgaben in fremden Ländern (Kämpfe, Krieg, Schutz von Witwen und Waisen). Wenn man deswegen abgelehnt werde, wäre es wohl besser, wenn man sich gleich dem Weintrinken zuwende und als Schwelger (137: schlund) lange Zeit jung und unversehrt bleibe. ♦ Die Worte des Sprechers veranlassen Frau Venus zur Klage: Wenn die Dame das getan habe und ihre hohe Würde hinter einem ›Affenkleid‹ (150) verborgen hätte, würde sie das sehr bekümmern. Doch glaube sie das nicht so recht, sie kenne die Dame und ihre Tugendhaftigkeit gut. Venus wendet sich nun mit einem Rat sowohl an den Sprecher als auch an die Dame (161–186), der auf das Argument hinausläuft, dass ältere erfahrene Männer als Liebende geeigneter seien als junge. Dazu führt sie drei Exempel an:
1. Der junge Hund: Ein Welpe gehorche einem Jäger noch nicht in gleicher Weise wie ein erfahrener Hund. Nur gelehrte Hunde folgten der richtigen Fährte; junge Hunde hingegen schlichen sich von der Lauer fort und liefen zu jeder Tür, wo man ihnen Gutes getan habe.
2. Der gezähmte Falke: Kein Falkner könne einfach so einen Reiher oder ein Huhn fangen. Vielmehr bedürfe er zur Jagd eines abgerichteten Greifvogels. Venus selbst zürne dem Wilden und halte sich lieber an das Zahme.
3. Das alte Schwert (wohl eine Anspielung auf den Namen des Verfasser; vgl. 286: Altswert): Helden zögen ein altes und bewährtes Schwert (189: gestanden swert) einem neuen und nur geringwertigen vor. Während die alten Schwerter schön klängen, gingen die neuen zu Bruch. Ein bewährtes Schwert sei Gold wert.
Frau Venus beschwichtigt den Sprecher: Sie glaube nicht, dass der Vorwurf des Sprechers auf die Dame zutreffe (198: Und ducht mich von ir fremde mer). Sollte die Dame den Sprecher nur wegen seines Alters abweisen, wie sollte es dann denen ergehen, die noch viel älter seien? Frau Venus verspricht, die Geliebte des Sprechers aufzusuchen, um ihr seine Worte und Klagen vorzubringen. Sollte sie sich nach den Geboten der Venus richten, würde sie dem Liebespaar den Segen ewiger Treue, Liebe und Freude spenden. ♦ Der Sprecher dankt der Frau Venus und versichert die Ernsthaftigkeit seines Minnedienstes (Bekenntnis zu ehrenhafter Minneerfüllung und zur Veredelung durch die Dame; brennendes Herz durch den ›Zunder‹ ihrer Minne; sie sei wie ein Karfunkel, der sein Herz durchleuchte; Minne als Leibeigenschaft). Als der Sprecher einen Minneschwur ablegt und die Venus bittet, seine Bürgin zu sein, verweist er sie auf ihr Buch, in dem sie nachlesen könne, dass er frei von Wankelmut sei (236f.: In dinem buoch hast du gelesen, | Daz ich wenken nit enkan).
C Lob der Geliebten mit Bitte um Erhörung (239–268): In zehn Dreireimen, in denen die Geliebte jeweils anders angesprochen wird, wendet sich der Sprecher nun unvermittelt an die Geliebte. Inhaltlich ist es eine Mischung aus Rat, Unterweisung, Klage, Lobpreis, Dienst- und Treueversicherung und Hoffnung auf körperliche Minneerfüllung (251f.: in din schoz, | Da laz mich werden din husgenoz).
D Schluss (269–286): Frau Venus verabschiedet sich und verspricht bei ihrem Leben, die Botschaft des Sprechers der geliebten Dame zu überbringen. Da er sich in seinen Prüfungen bewährt habe, solle er nun seinen Lohn erhalten. Entweder gehorche seine Dame den Bitten der Venus, oder sie müsse auf den Minneorden ganz verzichten. Statt einer Antwort des Sprechers fogt ein abrupter Schluss mit Autorsignatur: Aber dise rede was ir wert | Sie machte meister Altswert (285f.).
[Die Informationen stammen aus: Jacob Klingner/Ludger Lieb: Handbuch Minnereden. Berlin, Boston: de Gruyter 2013, Band 1. - Korrekturen, Aktualisierungen und Ergänzungen werden stillschweigend vorgenommen.]