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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0052
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Hundheim.

2ln der Eisenbahnstreöe Heidelberg—Eberbach liegt kurz
vor der Station Neckarhausen ein einsames Wirtshaus. „Zur
Burg Hundheim" heißt sein Schild in Erinnerung an eine Rit-
terburg, die dereinst in seiner Mhe lag. Wie ihr merkwürdiger
2lame entstanden ist, mag folgende Sage dartun:

Vor langer Zeit wohnte eine stolze, hochmütige Gräfin auf
der Burg Hundheim. Während ihr Gemahl an einer Fahrt in
fremden Landen teilnahm, gebar die untreue Ehefrau mehrere
Kinder. Sie brachte die zarten Geschöpflein, um ihre Schande
zu verbergen, in einem Korb an den Rsckar, wo die eisigen Flu-
ten sie rasch getötet hatten. Obwohl es finstere Racht war und
die abscheuliche Tat in aller Heimlichkeit vor sich gehen sollte,
wurde sie doch beobachtet. Wie wenn es hätte sein müssen,
kam ein Mann daher, dem ein eigenartiges Wimmern von wei-
tem schon aufgefallen war. Es war aber zu spät; er konnte nicht
mehr verhindern, was die Anmenschliche bereits vollbracht hatte.

Mcht lange darnach kam der Ritter aus der Ferne in die
Heimat zurück. Die furchtbare Geschichte, die man seiner Frau
nachsagte und die in aller Mund lebte, wurde auch ihm bald
hinterbracht. Sie kam ihm zunächst so ungeheuerlich vor, dah er
sie gar nicht glauben konnte. Als er aber immer wieder von
neuem darauf hingewiesen wurde, stellte er seine Frau zur Rede.
Sie war höchst entrüstet über diese Anschuldigungen und schimpfte
über die verleumderischen Menschen. 2lber je hartnückiger sie zu
leugnen suchte, desto heftiger drängte der Ritter zur wahrheits-
getreuen Darstellung. Die immer wieder gebrauchte 2Iusrede,
sie habe in jener Racht junge Hunde an den Neckar gebracht
und dort ertränkt, hatte er rasch als Lüge erkannt. Immer wei-
ter in die Enge getrieben, gestand die Mörderin. zitternd am
ganzen Leibe und todesbleich vor Schrecken, das furchtbare Ber-
brechen endlich ein.

2eht kannte der Ritter kein Erbarmen mehr; es schien ihm
auch keine Strafe zu hart, die abscheuliche Tat zu sühnen. Noch
am selben Tage ließ er die entmenschte Mutter beim sogenann-
ten „Roten Bild" zu Tode schleifen.

Anmerkung: Das „Rote Bild" war ehedem ein Grenzstein
zwischen der Schönauer und der Hirschhorner Gemarkung. Es
stand bei Michelbuch (unweit Darsberg). einem heute einge-
gangenen Odenwalddorf, an das nur noch das dortige Forsthaus
erinnert. An Stelle des alten Steins ist neuerdings ein hübsches
Muttergotteskreuz errichtet worden.

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