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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0069
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gerührt, daß er seinen Adelsstolz vergaß und sich entschloß,
Käthchen zur Gemahlin zu nehmen. Bald fand auf der Strah-
lenburg bei Schriesheim die glänzende Hochzeit statt. Die
Freude war umso gröher, als es sich herausstellte, daß Käth-
chen nicht die Tochter des Waffenschmieds, sondern eine Kai-
serstochter war.

Noch heute wird auf der Strahlenburg ein Hollunderbusch
gezeigt, unter dem Käthchen oft sinnend und träumend gesessen
haben soll.

Die Karl Ludwigs-Eiche.

Nahe der alten Landstraße Heidelberg—Würzburg ist auf
Reichartshauser Gemarkung eine riesenhafte. selten schöne Eiche
angepflanzt. auffallend durch ihre ungewöhnliche Höhe, bewun-
dernswert aber durch ihren kerzengeraden Wuchs. Stolz ragt
ihr Haupt über den Wipfeln der umstehenden BSume in die
Luft, und die hölzernen Bänke zu ihren Fühen sind so recht ge-
eignet zur stillen Rast und zu fernem Naturgenießen. Da lesen
wir auf der oberen am Stamm angebrachten Lafel:

Karl-Ludwigs-Eiche
Mter etwa 250 Sahre
Höhe 62 Meter

Durchmesser in Brusthöhe 1.10 Meter
2nhalt 16 Festmeter.

Wir staunen über diese Ausmaße, aber bevor wir uns noch
recht überlegt haben, was sie besagen, ist unser Blick schon auf
die untere Inschrift gerichtet. die unsere Aufmerksamkeit noch
stärker auf sich zieht, weil sie die Entstehungsgeschichte des mäch-
tigen Baumes aufgrund alter Reichartshauser Äberlieferung
aufzeigt.

Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz (1632—1680) hatte
eine Iagd in den wildreichen Waldgründen des Zentwaldes ab-
gehalten. Müde geworden von der Anstrengung. machte er Rast
an dem Plahe, den die Eiche heute beschirmt. Als er eine
Erfrischung einnehmen wollte, fiel ihm plötzlich eine kleine, läng-
lichrunde Frucht in den Teller: eine Eichel. Verwundert be-
trachtete er sie eine Zeitlang; dabei kam ihm der Gedanke, sie
nicht wegzuwerfen, sondern in die Erde zu stecken. Rasch führte
er seinen Entschluß aus und sprach dazu die Worte: „Du sollst,
wenn du aufgehst, entweder kerzengerade oder sichelkrumm wer-
den." Der Fürst dachte wohl kaum daran. daß die kleine, un-
scheinbare Frucht dereinst zu einem so stattlichen, stolzen Wald-

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