Schimmeldiwog.
2m Alfenbachtal liegen die Dörfer Ober- und Anterschön-
mattenwag. 2lber das sind falsche Namen und jeder, der sich im
Odenwald auskennt, weiß, daß es richtiger „Schimmeldiwog"
heißen muh. Diesen Namen haben die Gelehrten falsch ins Hoch-
deutsche übertragen, weil sie die folgende Geschichte nicht ge-
kannt haben:
Vor undenklicher Zeit kam ein Reiter übers Gebirg auf
einem schneeweißen Roh. 2luf der Höhe hielt er, um 2lusschau
zu halten. 2lber die Sicht hinunter auf die Sohle des Tales war
durch dichten Nebel versperrt. So ritt er denn bergab. Als er
aber dort, wo heute das Dorf Korsica liegt und saftige Wiesen
sich dehnen, aus dem Wald hervorkam, sah er nichts als Was-
ser, über dem der Nebel braute. Ängstlich hielt das Roh, aber
der Reiter suchte es zu beruhigen und gab ihm schließlich mit
dem Rufe „Schimmele wog's" die Sporen, dah es ins Wasser
sprengte. Glücklich durchschwammen Roh und Reiter die Flut
und erreichten den gegenüberliegenden Bergrand. Das Was-
ser aber, das den Talgrund bedeckt hatte, floh bald ab, und der
Reiter gründete dort, wo er das Lal überquert hatte, eine
Siedelung, die ihren Namen von dem Zuruf an sein Pferd
erhielt.
Die Leute haben diese Geschichte aus dem Gedächtnis ver-
loren und sagen nun verstümmelt „Schimmeldiwog".
Der Rodensteiner.
Mitten im Odenwald. zum Kreis Eberbach gehörend, liegt
die zerfallene, efeuumrankte Burg Rodenstein. Hier hausten
vor Zeiten die krastvvllen, tapferen Ritter gleichen Namens.
Besonders der letzte seines Stammes machte viel von sich reden.
Er war ein wilder Kumpan, bewundert als 2äger, gefürchtet
als Kriegsmann. Selten nur war er zu Hause. Sein Weib bat
ihn flehentlich, dem wilden und rohen Leben zu entsagen; aber
er stieh sie zornig von sich. Darüber grämte sich die Berlassene
so sehr, dah sie dahinsiechte und starb. 2etzt kannte er vollends
keine Schranken mehr.
Es währte aber nicht lange. so fiel der Ritter im Kampfe.
Er wurde in die Heimat zurückgebracht, wo ihn seine Knechte
in der Nähe der Burg Rodenstein bestatteten. Nun folgte rasch
die Strafe des Himmels. Der Verstorbene durfte nach seinem
74
2m Alfenbachtal liegen die Dörfer Ober- und Anterschön-
mattenwag. 2lber das sind falsche Namen und jeder, der sich im
Odenwald auskennt, weiß, daß es richtiger „Schimmeldiwog"
heißen muh. Diesen Namen haben die Gelehrten falsch ins Hoch-
deutsche übertragen, weil sie die folgende Geschichte nicht ge-
kannt haben:
Vor undenklicher Zeit kam ein Reiter übers Gebirg auf
einem schneeweißen Roh. 2luf der Höhe hielt er, um 2lusschau
zu halten. 2lber die Sicht hinunter auf die Sohle des Tales war
durch dichten Nebel versperrt. So ritt er denn bergab. Als er
aber dort, wo heute das Dorf Korsica liegt und saftige Wiesen
sich dehnen, aus dem Wald hervorkam, sah er nichts als Was-
ser, über dem der Nebel braute. Ängstlich hielt das Roh, aber
der Reiter suchte es zu beruhigen und gab ihm schließlich mit
dem Rufe „Schimmele wog's" die Sporen, dah es ins Wasser
sprengte. Glücklich durchschwammen Roh und Reiter die Flut
und erreichten den gegenüberliegenden Bergrand. Das Was-
ser aber, das den Talgrund bedeckt hatte, floh bald ab, und der
Reiter gründete dort, wo er das Lal überquert hatte, eine
Siedelung, die ihren Namen von dem Zuruf an sein Pferd
erhielt.
Die Leute haben diese Geschichte aus dem Gedächtnis ver-
loren und sagen nun verstümmelt „Schimmeldiwog".
Der Rodensteiner.
Mitten im Odenwald. zum Kreis Eberbach gehörend, liegt
die zerfallene, efeuumrankte Burg Rodenstein. Hier hausten
vor Zeiten die krastvvllen, tapferen Ritter gleichen Namens.
Besonders der letzte seines Stammes machte viel von sich reden.
Er war ein wilder Kumpan, bewundert als 2äger, gefürchtet
als Kriegsmann. Selten nur war er zu Hause. Sein Weib bat
ihn flehentlich, dem wilden und rohen Leben zu entsagen; aber
er stieh sie zornig von sich. Darüber grämte sich die Berlassene
so sehr, dah sie dahinsiechte und starb. 2etzt kannte er vollends
keine Schranken mehr.
Es währte aber nicht lange. so fiel der Ritter im Kampfe.
Er wurde in die Heimat zurückgebracht, wo ihn seine Knechte
in der Nähe der Burg Rodenstein bestatteten. Nun folgte rasch
die Strafe des Himmels. Der Verstorbene durfte nach seinem
74