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14. Vom Ludlacher.

Ludolachra mag ein Ludlacher1) heissen. Es ist ein, nach
Gestalt und Wesen gar sonderbares Meerwunder, wie Aristoteles
bemerkt. Es hat vier Fittiche oder Flügel, zwei am Kopf und zwei
am Rücken. Mit den vier Flügeln fliegt es äusserst schnell von
einem Ort zum anderen, wohin es grade will. Dies Thier ist für
mich das Ebenbild jedes behenden und verständigen Menschen.
Auch er hat zwei Flügel am Kopfe oder vielmehr an der Seele,
diese zwei Flügel sind die Vernunft und der, von der Vernunft
geleitete Willen. Die andern beiden Flügel hat er am Rücken, das
sind die gewöhnlichen Seelenkräfte, die der Mensch mit den anderen
Thieren gemeinsam besitzt, das Gesicht, das Gehör und alle anderen
Sinne. Diese beiden Flügel bedeuten das Erkennen und das Be-
gehren. Mit diesen vier Flügeln fliegt der verständige Mensch in
die Ferne und die Nähe.

15. Vom Meermönch.

Monachus marinus heisst ein Meermönch2). Dies Meerwunder
ist unten wie ein Fisch und oben wie ein Mensch gestaltet, sein
Haupt sieht aus wie das eines eben geschoreneu Mönchs. Oben
auf dem Kopf hat es eine Platte, wie Stephanus zuerst hatte,
über den Ohren geht ein schwarzer Streifen um den Kopf, grade
wie der Haarstreifen bei den wirklichen Mönchen. Dies Meerwumder
hat die Gewohnheit, die Leute am Meeresstrande an sich zu locken,
vor ihnen im Meer sich zu tummeln und nahe herbei zu kommen.
Wenn es dann bemerkt, dass die Leute sein Spielen gern sehen,
so freut es sich und spielt um so mehr im Wasser herum, bis ihm
ein Mensch so nahe kommt, dass es ihn erwischen kann. Dann
zieht es ihn unter das Wasser herab und frisst ihn auf. Sein Ge-
sicht ist dem des Menschen nicht besonders ähnlich, denn es hat
eine Nase wie ein Fisch, und Maul und Nase stehen nahe bei ein-
ander. Diesem Thiere gleichen die Gleissner, die andere Leute
mit audächtigen Geberden an sich locken und sie in den Winkeln
zur Bosheit und zum ewigen Tode verführen. Ich fürchte, dass zu
unserer Zeit es nur Einen dieser Art giebt, von dem allerdings die
Welt leider allerorts voll ist.

*) Unbestimmbar.

-) Pelagius monachus Cuv., Mönchsrobbe, Seemönch?
 
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