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Schulz, Hugo [Bearb.]; Conradus <de Megenberg> [Bearb.]
Das Buch der Natur: die erste Naturgeschichte in deutscher Sprache — Greifswald, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.2070#0334
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Nein! Die Kräuter erhalten wunderbare Eigenschaften durch den
Einfluss der Gestirne, der auf ihre äussere Gestaltung grade so
einwirkt, wie ein geistiger oder von körperlichem Ursprung her-
rührender Eindruck auf den Spiegel Deiner Yernunft, der Dich
von einem Orte zum anderen treibt. Genau so wirkt die Kraft der
Gestirne auf die Geartung der Kräuter. Manchmal kommen hier-
bei auch noch die starken Einflüsse der heiligen Worte mit in
Betracht, mit denen man Gott anruft und die Kräuter und edelen
Gesteine beschwört und segnet, ebenso, wie man das Weihwasser
einsegnet. Wolltest Du hier den Einwand machen, dass dabei der
Einfluss des bösen Geistes walte, so ist Das ein Irrthum, voraus-
gesetzt, dass Du es nicht in böser Absicht thätest. Du kannst ja
jedes Ding zum Guten wie zum Bösen betreiben. Sage mir doch,
ob der Vogel sündigt, der lateinisch Merops, deutsch Baumläufer
genannt wird und in hohlen Bäumen nistet. Wenn man ihm den
Zugang zu seiner Brut mit einem Holzkeil versperrt, so holt er ein
Kraut herbei und hält es an den Keil, der dann wieder herausfährt.
Dies Kraut heisst lateinisch Herba meropis, das heisst Baumläufer-
kraut und wird in den Büchern der Zauberer Thora genannt. Es
wäre nicht gut, wenn dies Kraut allgemeiner bekannt wäre, weil
man Schlösser mit ihm öffnen kann. Und doch sündigte Niemand
bei seinem Gebrauche, der in Leibesgefangenschaft sässe. Auch
andere Kräuter besitzen wunderbare Eigenschaften, wie die Betonie
und das Eisenkraut, das lateinisch Verbena heisst. Ich will aber
ihre Heimlichkeit nicht jedem Strassenläufer preisgeben, denn es
wäre unrecht gehandelt, wollte man heilige Dinge vor die Hunde
und Edelsteine den Schweinen vor die Püsse werfen. Das wäre
sicher unbillig. Ich weiss es recht wohl, dass gute Kinder selten
ihr Brot von Hunden und anderen Käubern unangetastet behalten,

Y ■

^1. Tom Wermuth.

Absinthium heisst Wermuth.1) Es ist ein sehr bitteres Kraut
und der menschlichen Natur höchst nützlich und förderlich, wie
Platearius und andere grosse Meister lehren. Der Saft de*
Krautes, für sich oder mit Wein genossen, ist für viele Dinge gut.
Er wirkt gegen die Würmer im Leibe, die Yerschoppung von Leber
und Milz und gegen das Kopfweh, das von schädlichen Dünsten
und Dämpfen herrührt. Er ist ferner gut gegen die fallende Krank-

*) Artemisia absinthium L.
 
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