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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]
Antike Denkmäler (Band 3) — Berlin, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.1792#0041
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Tafel 35. RELIEF AUS TARENT.

Das auf Taf. 35 nach einer von F. Hanfstängl aufgenom-
menen Photographie abgebildete Relief befindet sich, durch den
Bairischen Verein der Kunstfreunde im Münchener Kunsthandel er-
worben, in der K. Glyptothek. Als Fundort wurde Tarent be-
zeichnet, und diese Angabe verdient, auch aus innern Gründen,
vollen Glauben. Kleine Abbildungen finden sich im Arch. Anzeiger,
1914, Sp. 455, und im Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst
1914/15, S. 156.

Wir haben es nur mit einem Bruchstück zu tun, einem einst
architektonisch verwendeten Fries, der offenbar zu den allzu spär-
lichen Resten tarentinischer Grabplastik gehört (vgl. R. Pagen-
stecher, Unteritalische Grabdenkmäler S. 16 ff., dazu vor allem eine
Anzahl schöner Fragmente im Besitz Paul Arndts, Kunstchronik
1913/14* S. 339, und andere in Baltimore, Furtwängler, Kleine
Schriften II, S. 495, 7). Das Material ist feiner, heller, gelblicher
Kalkstein. Die erhaltene Länge beträgt 5571 cm, die Höhe 25,
die größte Dicke oben t2*/*» unten 13 cm. Rechts ist der Stein
abgebrochen, links ist die alte Begrenzung, wenigstens zum Teil,
erhalten. Unten und oben zeigt er eine horizontale Flache, hinten
die glatt gearbeitete, senkrechte innere Anschlußfläche des einst
in größeren Zusammenhang eingefügten Bausteines. Die dafür her-
gerichteten, soeben genannten Flächen sind einfach geglättet; von
besonderer Bearbeitung ist auf der unteren eine eingeritzte Linie
zu sehen, die 7 cm von der rückseitigen Unterkante entfernt ver-
läuft, aber trotz der guten Erhaltung dieses Teiles nur ein kurzes
Stück weit — ungefähr unter dem Götterpaar — zu verfolgen ist
und irgendwie bei der Herstellung des Reliefs gedient haben wird,
vielleicht zur Bestimmung der Lage der Relieffläche (des Hinter-
grundes), mit der sie übereinstimmt. Während die genannte Unter-
fläche gut erhalten ist, hat die obere Fläche des Steines sehr gelitten,
außer durch Bestoßung durch Verwitterung, die dem ganzen Stein
hier ein löcheriges Aussehen gibt, in starkem Gegensatz zu der
offenbar einst besser geschütztenUnterfläche. In diese beiden horizon-
talen Flächen sind modern je zwei kleine Hakenlöcher eingearbeitet,
die jetzt zur Befestigung des Reliefs an der Wand dienen. Auch
die Rückseite ist einfach glatt gearbeitet, aber weniger sorgfaltig
als die wagerechten Lagerflächen. Unten sieht man an ihr auf eine
kurze Strecke einen etwa 3 cm breiten Randbeschlag, durch
schräge Hiebe mit einem kleinen Hohlmeißel hergestellt; er liegt
mit seiner ganzen Oberfläche etwas höher als der innere Spiegel
der Rückseite, und auch am oberen Rande erhebt sich ähnlich
ein etwa 5 cm breiter Streifen. Am linken Ende liegt dem senk-
rechten Rande entlang ein wirklich ganz genau glatt gearbeiteter,
4 cm breiter, etwas erhobener Anschlußstreifen, noch deutlich er-
kennbar, wenn auch mehrfach bestoßen. Man gewinnt daraus den
Eindruck, daß die ganze Rückseite mit sogenannter Anathyrosis,
aber nicht sehr sorgfaltig als Anschlußfläche gearbeitet war, und
daß nur der nach außen Hegende senkrechte Streifen so gut ge-
arbeitet war, daß hier genauer Fugenschluß erreicht werden konnte.
Der obere horizontale Streifen kann nie einen genauen Fugen-
schluß gebildet haben; es ist deshalb nicht verwunderlich, daß nun
auch die ganze obere Hälfte der Rückseite, ähnlich wie die obere
wagerechte Fläche, löcherig verwittert ist. Wir dürfen schließen,
daß beide dem Einfluß des Wassers ausgesetzt waren, daß es aber
in der Fuge nicht ganz bis nach unten drang und den unteren
Teil der rückwärtigen Fläche darum kaum zerfressen konnte.

Das untere lesbische Kyma griff in gleicher Profilierung auch
auf die linke Schmalseite über; es ist aber fast in seiner ganzen Aus-
dehnung (von einst 97, cm) zerstoßen, und nur ein 3 cm langes
Stückchen zeigt noch die alte Oberfläche, aber das genügt auch
zu der Feststellung, daß hier das Ornament nicht plastisch aus-
geführt war. Über diesem Kyma erscheint die Seitenfläche ein-
fach glatt, auf ihrem an die Rückseite anstoßenden Teil durch
horizontale Meißelhiebe, wie mit einem Randbeschlag (3 cm breit)
versehen; aber diesen sowohl wie die übrige glattere Seitenflache

Antike Dknkmaler 1914.

scheint eine dünne Stuckschicht (etwa J/4 mm dick) bedeckt zu
haben, von der kleine Reste noch sichtbar sind.

Von der seitlichen Einrahmung der Darstellung ist links nur
ein kurzes Stück erhalten, ein 13 mm breiter einfacher Streifen,
dessen Vorderfläche 3 mm hinter der vorderen Oberkante des
lesbischen Kyma zurück liegt und bei einer Ergänzung nach oben
mit der Vorderflache des den Perlstab oben tragenden Streifens
zusammenfallen würde. Man darf darnach annehmen, daß dieser
einrahmende Streifen keinerlei ornamentale Ausgestaltung zeigte.

Der Astragal verläuft nur seiner eigenen Einteilung gemäß,
ohne Bindung mit dem dorischen Blattkyma; über diesem lag ein
glattes, nicht plastisch verziertes Kyma lesbischer Form. Die zu
kleinen quadratischen Vertiefungen mit schmalen, einrahmenden,
erhobenen Rändchen umgestalteten Mittelrippen der dorischen
Blätter sind bis zu 4 mm tief, und ihre Schattenwirkung ist des-
halb sehr stark. Man könnte erwägen, ob diese Vertiefungen
etwa Bettungen für irgend eine Füllung waren; davon finde ich
keine Spur.

Versucht man die Stelle zu bestimmen, welche dieser Fries
an einem Bau eingenommen haben kann, so wird man vor allem
den sehr starken Eindruck des als Anlauf wirkenden ornamentierten
lesbischen Kymas berücksichtigen; ein hoch angebrachter Fries
scheint dadurch ausgeschlossen. Andrerseits ist das glatte obere
Kyma besonders geeignet, zu größeren architektonischen Formen
überzuleiten. Es ist darnach wahrscheinlich, daß der Fries unter
einem Naiskos wie einePredelle angebracht war. Die starke Verwitte-
rung der oberen wagerechten Flache, des Fußbodens der offenen
Nische, erklärt sich bei dieser Annahme gut. Links, wie auch
auf dem verlorenen rechten Ende, werden wir uns eine Säule
denken und gelangen so zu einer Vorstellung vom ganzen Grab-
monument, welche in zahlreichen Darstellungen apulischer Vasen
Parallelen findet, u. a. aber auch in dem sidonischen Sarkophag
der Klagefrauen.

Die Deutung im allgemeinen bietet keine Schwierigkeit. Die
beiden Danaiden, Hydrien in den Pithos entleerend, und die nur
noch zum Teil erhaltene, mit dem Kerberos zu ergänzende Herakles-
gestalt rechts, finden ihre unmittelbaren Parallelen auf apulischen
Unterweltsdarstellungen, letztere vor allem auf der Münchener Vase
(Furtwängler - Reichhold, Vasenmalerei Taf. 10), erstere auf der
Vase in Petersburg (Stephan!, Vasen-Sammlung der Ermitage
Nr. 426. Wiener Vorlegeblatter E, Taf. 6, 2). Das sitzende Paar
könnte man als Darstellung Verstorbener oder wahrscheinlicher
als die Unterweltsgötter ansehen. Persephone trägt, wie die
Danaide rechts, einen ärmellosen, tief gegürteten Chiton, aber,
im Gegensatz zu ihr, darunter noch einen zweiten Chiton mit
geknüpften Ärmeln, dazu den Mantel über Schoß, Rücken
und Hinterkopf. Die Seitenfläche ihres Stuhles ist ganz wenig
gegen die Fläche des Hintergrundes verschoben, das eine der
entfernteren Beine noch in ganz flachem Relief ausgedrückt. Der
Stuhl des Pluton zeigt nur die beiden, dem Beschauer näheren,
als Löwenfüßc gestalteten Beine. Wie an anderen Stellen (dem
linken Arm der Danaide rechts) erhalten oder (dem rechten Arm
der Danaide links, rechten Arm der Persephone) vorauszusetzen,
ist auch der erhobene Unterarm des Pluton ganz vom Grunde
gelöst gewesen, ebenso wie sein Zepter. Die Stelle, wo dieses
oben anstieß, ist als eine Bosse von etwa 14 mm im Geviert er-
halten; die Bekrönung des Zepters war also recht breit: auf den
Vasen ist ein Vogel dafür beliebt.

Das Relief, durchaus als Hochrelief gearbeitet, ist trotz seiner
tatsächlichen Kleinheit nicht kleinlich, und wirkt bei hellem Licht
auf größere Entfernung erstaunlich stark und klar. Die Arbeit
ist sicher und flüchtig; Verwendung des laufenden Bohrers ist
selbst da, wo man ihn erwarten könnte (tiefe 1-alten im Gewand
der Persephone z. B.), nicht nachweisbar, vielmehr hier, wie auch
an anderen Stellen (Ornament, Blattkyma), Spuren des Stichbohrers

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