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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Antike Denkmäler (Band 3) — Berlin, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.1792#0053
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Durchbohrungen abgesondert. Die Masse des Haars ist in einen
Schopf aufgebunden, so daß der Nacken ganz frei bleibt, und
durch ein sehr weiches, fein gefaltetes Tuch verhüllt. Die
Rander dieser Haube sind um einen Reif gewunden, an dem
man den schrägen Verlauf des umgewickelten Stoffes erkennt;
darüber ist ein Diadem befestigt, das auf dem oberen Rande
Metallschmuck, etwa Blüten, getragen hat und mit dem darunter
liegenden Reif durch besondere Metallzierate an drei Stellen ver-
bunden war, wie durch drei Löcher im Reif bewiesen wird. Drei
weitere Löcher zur Aufnahme von Metallschmuck befinden sich
in der Frisur über der Stirnmitte und beiderseits vor den Schläfen.
Die Ohrläppchen sind zur Anbringung von Gehängen durchbohrt,
und es ist anzunehmen, daß der Metallschmuck durch ein Halsge-
schmeide vervollständigt war, das ohne besondere Vorrichtungen
zur Befestigung um den rings freien Hals umgelegt werden
konnte.

Das Gewand ist dreifach. Der unterste lange Rock, der
ionische Chiton, hat weite genahte Halbärmel, von denen nur der
linke sichtbar ist; es ist im unteren
Teil glatt, im oberen gekräuselt
und läßt den Hals völlig frei, gegen
den es mit einem fast unmerklichen
flachen glatten Saum abgesetzt ist.
Die Kräusellinien verlaufen in
senkrechter Richtung, und zwar
abwechselnd in stärkeren und
schwächeren Linien. Über den
Chiton legt sich ein zweites reich
gefaltetes Gewand, dessen Erklärung
noch nicht in allen Einzelheiten
gelungen ist. Im oberen Teil zeigt
es die Form des ,,Mäntelchens'1,
wie sie für die archaischen Frauen-
figuren von der athenischen Akro-
polis und die ihnen gleichzeitigen
weiblichen Gestalten so charak-
teristisch ist (vgl. zuletzt A. v. Neto-
liczka, Jahreshefte des Üsterr.
Archäol. Instituts XV ioi2S.253ff.
und H. Schrader, Auswahl archa-
ischer Marmorskulpturen im Akro-
polismuseum S. 12). Wie das
„Mäntelchen" ist auch hier das
Obergewand auf dem rechten
Oberarm geknöpft, die feinen
Knöpfe ziehen die bekannten dünn

auslaufenden dreifachen Falten von beiden Seiten her(Abb.4). Es ver-
läuft unter der linken Brust und der linken Achsel, und der umge-
schlagene obere Rand schiebt sich dabei wie gewöhnlich in schrägen
welligen Falten zusammen in einer dem natürlichen Fall nicht ent-
sprechenden Form, die ganz auf die dekorative Wirkung berechnet ist.
Aber nach unten schließt das Gewand nicht wie sonst mit einem dem
oberen Rande ungefähr gleichlaufenden, in Treppenfalten gelegten
Saum, sondern an der Beugungsstelle des Unterkörpers ist eine zweite,
wagrecht und geradlinig verlaufende Überschlaglinie schlicht ange-
deutet, als ob das Gewand über eine unterwärtige Gürtung herab-
hinge, und darunter setzt es sich in parallelen Faltenzügen fort,
vor der Körpermitte ganz kurz, über die Knie und Unterschenkel
in zwei ungefähr symmetrischen langen Zipfeln mit gewellten Rän-
dern niederhängend; ein dritter Zipfel fallt seitwärts dicht am
Throne neben der rechten W7ade hinab bis zur Knöchelhöhe,
die Treppenfalten, die der Chiton an dieser Stelle bildet, verdeckend.
Die ununterbrochene Führung der Saumlinie beweist, daß dieser
Zipfel zum gleichen Gewand gehört wie die beiden vorn nieder-
gehenden, die kleinen Gewichtstücke an den Ecken stellen außer
Frage, daß es sich an allen drei Stellen um wirkliche Zipfel, nicht
um Knicke handelt, die etwa durch Faltung hergestellt wären.
Wie ein „Mäntelchen" beim Sitzen fallen mußte, zeigt das in der
Durchbildung des Zipfels sehr ähnliche Bruchstück von der athe-
nischen Akropolis, das bei Perrot-Chipiez VIII S. 619 Abb. 313

Antike Denkmaler 1916-17.

abgebildet ist und in der Fältelung des Zipfels weitgehende Ähn-
lichkeit mit unserer Statue hat; da liegt nur ein Zipfel auf dem
rechten Knie, das Unke bleibt unbedeckt. Die gleichmäßigen Zip-
fel über beiden Knien begegnen nur bei einem Typus von Ter-
rakotten, der in Resten von mindestens 23 Exemplaren auf der
athenischen Akropolis gefunden ist (Winter, Typenkatalog I S.
49, 6); aber eine Erklärung ist auch hier nicht zu gewinnen.
Verkürzt erscheinen die beiden Zipfel bei der Athena aus dem
Westgiebel des Aphaiatempels von Aegina (Bulle, Der schöne
Mensch Taf. 114 links). Auch der weitere Verlauf des Gewandes
nach den Seiten hin ist noch nicht klar verständlich; neben dem
linken Knie hängt es kaum bis zur Mitte des Unterschenkels hinab,
und der Saum zieht sich in flachem Bogen nach der Oberfläche
des Sitzes hinüber, wo er unter dem vom linken Unterarm her-
abhängenden Teile des Chitonärmels verschwindet; rechts scheint
eine größere Stoffmasse zum Unterarm hinübergeführt zu sein und
sich hier mit dem unteren Ende des weiten Chitonärmels zu ver-
binden; an beiden Stellen ist das Gewand so angeordnet, daß
reichlicher Raum für die vorderen
Stützen der Thronlehnen frei-
blieb und mit Rücksicht darauf
auch die Einzeldurchbildung unter-
lassen werden konnte. Als drittes
Stück der Bekleidung kommt hinzu
ein Umschlagetuch. In großen
ruhigen Flächen umhüllt es weich
den Rücken und die Oberarme,
überall das Körperliche, Runde,
Lebende mehr heraushebend als
verdeckend; durch wenige, in siche-
rem Schwung geführte Falten ge-
teilt, lauft es mit den oberen
Zipfeln in der Armbeuge, mit den
unteren in einem langen Ende aus,
das schräg zurückweicht und sich
an die Nebenseiten des Thronsitzes
anpreßt, als sei es vom Windhauch
zurückgetrieben. Besonders fein ist
die Art, wie der umgeschlagene
obere Rand des Tuches den Nacken
und die Oberarme mit großer Linie
umzieht und halb frei läßt, so daß
der Umriß und die schwellende
Modellierung unverhüllt bleibt. Sie
findet sich ähnlich bei der beklei-
deten Gestalt von der Nebenseite
des ludovisischen Altaraufsatzes (Antike Denkmäler II Taf. 7).
An den Füßen trägt die Figur Sandalen, von denen nur die
dünnen Sohlen und die quer über die Zehen laufenden Bänder
plastisch ausgeführt sind (Abb. 5). Diese umfassen den auffallend
kurzen kleinen Zeh, wenn überhaupt, was bei dem schlechten Er-
haltungszustand gerade dieser Teile nicht sicher festzustellen ist,
so nur an der äußersten Spitze.

Die Spuren der Bemalung reichen nicht aus, um das Bild
durch eine Vorstellung von der ehemaligen Buntheit zu vervoll-
ständigen ; aber nach der Analogie der archaischen Frauenfiguren
von der athenischen Akropolis darf angenommen werden, daß
die Lippen und die Haare dunkelockerrot gefärbt waren; auch
die Augensterne und die Augenbrauen waren dunkelfarbig. Das
Diadem wird ein Anthemien- oder Mäandermuster getragen haben;
die Haube ist buntfarbig zu denken, wie das für die mitrae des
Polygnot durch Plinius, Nat. hist. XXXV 58 bezeugt ist. "Der
gekräuselte obere Teil des ionischen Chiton war tiefblau, grün
oder rot, das übrige Gewand trug sicherlich Bortenverzierungen
an den Säumen und auf dem glatten, zwischen den Knien nieder-
fallenden Streifen, außerdem einzelne leichte Streumuster über
die Fläche verteilt. Die Ränder der Sohlen und das Riemenwerk
der Sandalen hat man sich wohl rot getönt vorzustellen. Dazu
kam der Glanz des goldenen oder vergoldeten Metall seh mucks und
die Farben Wirkung des mindestens teilweise bunten Thrones.

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