DIE KERAMIK
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auch von auswärts importierte geschmückte Gefäße (aus Süddeutschland, der
Lausitz) können vorkommen, aber weitaus die größte Mehrzahl der Tongefäße
Skandinaviens, Schleswig-Holsteins, Mecklenburgs sind völlig schmucklos
und bieten, in schroffem Gegensatz zu den liebevoll, verschwenderisch, oft
humorvoll verzierten Gefäßen der späten Steinzeit ein Bild trostloser Nüchtern-
heit. Dieser Verzicht auf die charakteristisch einheimische, geradlinige Gefäß-
verzierung im Norden ist um so auffallender, als in einzelnen Gruppen des west-
lichen und mittleren Europas die Formen der Neolithik sich fortsetzen. Das ist
besonders in der frühbronzezeitlichen Keramik der britischen Grabhügel
(barrows) der Fall, wo die mit den Glockenbechern verwandten Zonenbecher
mit ihren wagerechten Ornamentstreifen sich halten, und es ist gleichfalls
die Nachwirkung der Glockenbecherverzierung, die sich in der Bronzezeit
Frankreichs und am Rhein (Adlerberg-Stufe) feststellen läßt. Das Nach-
leben einer weiteren neolithischen Gruppe, die der Hinkelsteinformen im
Winkelbandmuster der süddeutschen Bronzezeit, wurde schon im 2. Kapitel er-
wähnt. Man bringt das Erscheinen dieses Ornaments an den Tongefäßen der
frühen Hügelgräberzeit Bayerns mit dem Verbleiben der bandkeramischen Be-
völkerung, die im Rheingebiet durch die Träger der Glockenbecher-Adlerberger
Kultur vertrieben wurde, in Zusammenhang1; trifft diese Auffassung zu, so
enthält sie eine willkommene Bestätigung für die späte Datierung Hinkelsteins
in der Steinzeit, zu der wir auf Grund der stilistischen Betrachtung gezwungen
waren. Auch sonst sind diese keramischen Gruppen der frühen Metallzeit von
größter Bedeutung für eine nachträgliche Kontrolle in bezug auf die relative
Datierung der neolithischen Formgruppen. Über das Nachleben des Rössener
Stils in Schussenried, der Stichbandformen in Jordansmühl, wurde schon
gesprochen; wenn sich andererseits in den rein bronzezeitlichen Pile-Leubin-
ger (Thüringen) und Aunjetitzer Gruppen (Böhmen, Thüringen, Schlesien
usw.) Zusammenhänge mit der Schnur-, der Bernburger Keramik, den Kugel-
amphoren nachweisen lassen2, so folgt daraus, daß die genannten neolithischen
Gruppen als spät-, in ihren jüngsten Erscheinungen sogar als spätest-neolithi-
sche zu betrachten sind.
Sind in der Tat Übergänge von der nord- und mitteldeutschen neolithischen
Keramik zu der Aunjetitzer vorhanden, so überrascht die Tatsache noch mehr,
daß die sehr charakteristischen Gefäße dieser in der früheren Bronzezeit weit
verbreiteten Gruppe wie die nordischen Ornament los sind. Durch ihre eigen-
artige scharfkantige Profilierung, hervorgerufen durch das Zusammenstößen
von konkav und konvex geschwungenen Teilen der Gefäßwand, unterscheiden
sich die schönen Aunjetitzer Gefäße aber stark von den nüchternen, weich pro-
filierten nordischen (Taf. IX, i). In der richtigen Erkenntnis, daß diese Form-
gebung der natürlichen, keramischen widerspricht, hat man ihre Erklärung in
der Nachahmung von Metallgefäßen gesucht. Das mag füi gewisse Gefäßformen
der späteren Bronzezeit und beginnenden Eisenzeit zutreffen, wo sogar die den
1. K. Schumacher im X. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 1917. S. 14.
2. Ebendort S. 13.
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auch von auswärts importierte geschmückte Gefäße (aus Süddeutschland, der
Lausitz) können vorkommen, aber weitaus die größte Mehrzahl der Tongefäße
Skandinaviens, Schleswig-Holsteins, Mecklenburgs sind völlig schmucklos
und bieten, in schroffem Gegensatz zu den liebevoll, verschwenderisch, oft
humorvoll verzierten Gefäßen der späten Steinzeit ein Bild trostloser Nüchtern-
heit. Dieser Verzicht auf die charakteristisch einheimische, geradlinige Gefäß-
verzierung im Norden ist um so auffallender, als in einzelnen Gruppen des west-
lichen und mittleren Europas die Formen der Neolithik sich fortsetzen. Das ist
besonders in der frühbronzezeitlichen Keramik der britischen Grabhügel
(barrows) der Fall, wo die mit den Glockenbechern verwandten Zonenbecher
mit ihren wagerechten Ornamentstreifen sich halten, und es ist gleichfalls
die Nachwirkung der Glockenbecherverzierung, die sich in der Bronzezeit
Frankreichs und am Rhein (Adlerberg-Stufe) feststellen läßt. Das Nach-
leben einer weiteren neolithischen Gruppe, die der Hinkelsteinformen im
Winkelbandmuster der süddeutschen Bronzezeit, wurde schon im 2. Kapitel er-
wähnt. Man bringt das Erscheinen dieses Ornaments an den Tongefäßen der
frühen Hügelgräberzeit Bayerns mit dem Verbleiben der bandkeramischen Be-
völkerung, die im Rheingebiet durch die Träger der Glockenbecher-Adlerberger
Kultur vertrieben wurde, in Zusammenhang1; trifft diese Auffassung zu, so
enthält sie eine willkommene Bestätigung für die späte Datierung Hinkelsteins
in der Steinzeit, zu der wir auf Grund der stilistischen Betrachtung gezwungen
waren. Auch sonst sind diese keramischen Gruppen der frühen Metallzeit von
größter Bedeutung für eine nachträgliche Kontrolle in bezug auf die relative
Datierung der neolithischen Formgruppen. Über das Nachleben des Rössener
Stils in Schussenried, der Stichbandformen in Jordansmühl, wurde schon
gesprochen; wenn sich andererseits in den rein bronzezeitlichen Pile-Leubin-
ger (Thüringen) und Aunjetitzer Gruppen (Böhmen, Thüringen, Schlesien
usw.) Zusammenhänge mit der Schnur-, der Bernburger Keramik, den Kugel-
amphoren nachweisen lassen2, so folgt daraus, daß die genannten neolithischen
Gruppen als spät-, in ihren jüngsten Erscheinungen sogar als spätest-neolithi-
sche zu betrachten sind.
Sind in der Tat Übergänge von der nord- und mitteldeutschen neolithischen
Keramik zu der Aunjetitzer vorhanden, so überrascht die Tatsache noch mehr,
daß die sehr charakteristischen Gefäße dieser in der früheren Bronzezeit weit
verbreiteten Gruppe wie die nordischen Ornament los sind. Durch ihre eigen-
artige scharfkantige Profilierung, hervorgerufen durch das Zusammenstößen
von konkav und konvex geschwungenen Teilen der Gefäßwand, unterscheiden
sich die schönen Aunjetitzer Gefäße aber stark von den nüchternen, weich pro-
filierten nordischen (Taf. IX, i). In der richtigen Erkenntnis, daß diese Form-
gebung der natürlichen, keramischen widerspricht, hat man ihre Erklärung in
der Nachahmung von Metallgefäßen gesucht. Das mag füi gewisse Gefäßformen
der späteren Bronzezeit und beginnenden Eisenzeit zutreffen, wo sogar die den
1. K. Schumacher im X. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 1917. S. 14.
2. Ebendort S. 13.