Wei. Denn das Ch'i-Pün chinesischer Bilder ist so geartet, daß, wenn
man es auch übersehen wollte, es sich dennoch bemerkbar machen
würde. Ganz unabsichtlich offenbart es sich in der Art, wie der Pinsel-
strich herauökommt. Wenn das richtige Auge ihn erfaßt, dann ist es so
wie bei Chung Tzu-ch'i, der von dem Zitherspiel des Pai Pa tief er-
griffen war*). Der Beschauer hat die Gedanken des Meisters voll er-
kannt und kann sie nie wieder verlieren. Dessen Selbst offenbart sich
in vollkommener Hüllenlosigkeit hindurchscheinend. Wenn der Künstler
das erreicht, dann erst ist er ein vollkommener Künstler. Ebenso der
Betrachter: erst wenn er so weit gelangt ist, besitzt er vollkommene
Einsicht. Kurzum: die chinesischen Bilder entfernen sich von der
konkreten Gestalt; sie sind schlicht, einfach und karg. Nur für
den oberflächlichen Betrachter scheinen sie eintönig zu sein, dringt
aber man bis zu dem Grundelement der Kunst vor, so gewinnen sie
tiefen Gehalt und Leuchtkraft.
Jetzt wird in Berlin eine Ausstellung moderner chinesischer Ge-
mälde von (meist) noch lebenden Künstlern veranstaltet. Von deut-
scher Seite aus bestand der Wunsch, rein chinesische Werke zu sehen,
und zwar solche, die das charakteristische Element chinesischer Malerei
zum Ausdruck bringen. Wir haben uns deshalb an die Maler in den
verschiedenen Provinzen Chinas gewandt, um eine Auslese charak-
teristischer Bilder zusammenzubringen. Das Ziel war dabei gerade
*) Aus dem Altertum ist die Geschichte eines Mannes (Chung Tzu-ch'i)
überliefert, der bei einer Bootsfahrt das Spiel einer Zither vernahm, das
ihn nicht nur wunderbar ergriff, sondern aus dem heraus er vollkommen
klar in allen Einzelheiten die Gedanken und Empfindungen des Spielenden
verstand. Er suchte den Spieler auf und fand in ihm den Meister Pai Pa.
Eine enge Freundschaft verknüpfte hinfort die beiden. Als Pai Pa eines
Tages den Freund nicht mehr unter den Lebenden fand, zerbrach er seine
Zither auf dessen Grab mit den Worten: Nun gibt es keinen mehr, der mein
Spiel versteht.
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man es auch übersehen wollte, es sich dennoch bemerkbar machen
würde. Ganz unabsichtlich offenbart es sich in der Art, wie der Pinsel-
strich herauökommt. Wenn das richtige Auge ihn erfaßt, dann ist es so
wie bei Chung Tzu-ch'i, der von dem Zitherspiel des Pai Pa tief er-
griffen war*). Der Beschauer hat die Gedanken des Meisters voll er-
kannt und kann sie nie wieder verlieren. Dessen Selbst offenbart sich
in vollkommener Hüllenlosigkeit hindurchscheinend. Wenn der Künstler
das erreicht, dann erst ist er ein vollkommener Künstler. Ebenso der
Betrachter: erst wenn er so weit gelangt ist, besitzt er vollkommene
Einsicht. Kurzum: die chinesischen Bilder entfernen sich von der
konkreten Gestalt; sie sind schlicht, einfach und karg. Nur für
den oberflächlichen Betrachter scheinen sie eintönig zu sein, dringt
aber man bis zu dem Grundelement der Kunst vor, so gewinnen sie
tiefen Gehalt und Leuchtkraft.
Jetzt wird in Berlin eine Ausstellung moderner chinesischer Ge-
mälde von (meist) noch lebenden Künstlern veranstaltet. Von deut-
scher Seite aus bestand der Wunsch, rein chinesische Werke zu sehen,
und zwar solche, die das charakteristische Element chinesischer Malerei
zum Ausdruck bringen. Wir haben uns deshalb an die Maler in den
verschiedenen Provinzen Chinas gewandt, um eine Auslese charak-
teristischer Bilder zusammenzubringen. Das Ziel war dabei gerade
*) Aus dem Altertum ist die Geschichte eines Mannes (Chung Tzu-ch'i)
überliefert, der bei einer Bootsfahrt das Spiel einer Zither vernahm, das
ihn nicht nur wunderbar ergriff, sondern aus dem heraus er vollkommen
klar in allen Einzelheiten die Gedanken und Empfindungen des Spielenden
verstand. Er suchte den Spieler auf und fand in ihm den Meister Pai Pa.
Eine enge Freundschaft verknüpfte hinfort die beiden. Als Pai Pa eines
Tages den Freund nicht mehr unter den Lebenden fand, zerbrach er seine
Zither auf dessen Grab mit den Worten: Nun gibt es keinen mehr, der mein
Spiel versteht.
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