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Hausmann, Raoul; Große Berliner Kunstausstellung <1921, Berlin>
Führer durch die Abteilung der Novembergruppe: Kunstausstellung Berlin 1921 — Berlin: Otto Elsner, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.47093#0011
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nur halbwegs zu unterscheiden. Die Kunst- und Kultur-
historiker reden nun von Stilbildungen oder voni Ende der
Kunst, ohne aber damit etwas Wesentliches auszusagen.
Im allgemeinen ist zu sagen, daß heute ein Porträt oder
die Wiedergabe einer Landschaft oder eines Vorganges viel
besser dem Photographen als dem Maler oder Bildhauer
übergeben werden sollte, da es dabei nur auf die „Aehn-
lichkeit" ankommt; in unserer Zeit hat das Gegenständliche
in der Kunst nur mehr den Sinn der Karikatur, der
lachenden oder ironischen Erhebung des Menschen über
ihm nicht mehr gemäße Zuständlichkeiten (also als
Cendenzkunst); der Gegenständlichkeit wird durch das
Aufzeigen des Nichtmehrübereinstimmens mit dem Sinn
des Geschehens dadurch wieder ein gewissermaßen heim-
licher Sinn verliehen, indem man durch das Hervorkehren
des Lächerlichen^des Sinnlosen oder des Abstoßenden, also
durch das Betonen von ethischen Mängeln, die nicht zur
eigentlichen Darstellung gehören und sich mit dem
Optischen nicht eigentlich decken, durch die Gestaltung
einer fehlerhaften Welt eben eine höhere Welt ahnen läßt,
von der der Darstellende, der Bildner ein Bewußtsein in
sich tragen muß. Aus diesem Grunde sehen wir heute
teilweise die Künstler zurückgreifen auf die geometrische
Raumdarstellung, auf die Darstellung von tierhaften Zügen
in menschlichen Physiognomien und auf Friseurköpfe oder
Modepuppen, In dem Zustand des Schwebens zwischen
zwei Welten, wenn wir mit der alten gebrochen haben, und
die neue noch nicht formen können, tritt die Satire, die
Groteske, die Karrikatur, der Clown und die Puppe auf:
und es ist der tiefe Sinn dieser Ausdrucksformen durch
das Aufzeigen der Marionettenhaftigkeit, der Mechani-
sierung des Lebens, durch die scheinbare und wirkliche Er-
starrung hindurch uns ein anderes Leben erraten und fühlen
 
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