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Werner, Anton von
Ansprachen und Reden des Direktors A. von Werner an die Studirenden der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste zu Berlin und Verzeichniss der Lehrer, Beamten und Schüler derselben seit 1875 — 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.70876#0028

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Meine Herren, wir betrauern in diesem Jahre das Hin-
scheiden eines hervorragenden Künstlers, welcher lange Jahre
die Kompositionsübungen an der Hochschule geleitet hat
und ich darf es mir nicht versagen, seinem Andenken von
dieser Stelle aus einige Worte zu widmen.
Professor Pfannschmidt war der letzte hervorragende
Vertreter der Cornelius’schen Schule und Kunst- und Lebens-
anschauung unter uns, der begeisterte Vertreter einer Kunst-
richtung, welche vor einigen Dezennien als die Grösse und
der Stolz der deutschen Kunst gefeiert wurde, welche aber
von der jüngeren Generation und der Kunstrichtung von heute
nicht mehr verstanden wird. Vielleicht leider, denn sie ver-
einigte in ihren Bestrebungen, vom rein künstlerischen Stand-
punkte aus betrachtet und ihre religiöse Strömung ganz bei
Seite lassend, eine Reihe von vorzüglichen Eigenschaften,
welche auch heute noch beachtenswerth oder gar massgebend
sein sollten. Aber die Zeit, in welcher wir leben, ist eine
andere, als die, in welcher die Cornelius, Overbeck, Veit,
Schnorr, Schwind und andere Meister, abgewandt und
zurückgezogen von dem sie umgebenden Leben, — sich den
vom wirklichen Leben weitab liegenden Schöpfungen ihrer
Phantasie oder ihren künstlerischen Grübelein historischer,
religiöser oder romantischer Art hingeben konnten.
Vielleicht ist es der Einfluss der Naturwissenschaften
und die durch sie erfolgte Umgestaltung unseres Daseins,
welcher auch die Blicke des Künstlers mehr denn je hin-
lenkt auf die Erkenntniss der Natur, auf das rastlose Suchen
nach neuen Darstellungsformen. Jedenfalls ist die moderne
Kunst ein Resultat unserer rastlos drängenden, jeden Tag
auf allen Gebieten etwas Neues gebärenden Zeit und man
soll sie darum nicht schelten. Aber die Frage muss offen
bleiben, und wird vielleicht erst später beantwortet wer-
den, ob jene Meister der vergangenen Zeit in ihrem stillen
von der Aussenwelt abgeschlossenen Schaffen nicht doch
für unsere Kunst bedeutungsvoller waren, als all das rast-

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