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Werner, Anton von
Ansprachen und Reden des Direktors A. von Werner an die Studirenden der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste zu Berlin und Verzeichniss der Lehrer, Beamten und Schüler derselben seit 1875 — 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.70876#0049
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der Zeit darzustellen. Und doch wird sich wohl nicht be-
haupten lassen, dass Ruben’s Luxemburg - Gallerie oder
Schlüter’s Grosser Churfürst jenem Principe entgegenstrebten,
dass schon zu Phidias Zeiten vorhanden und anerkannt war.
Gewiss soll und muss die Kunst modern sein und es
wäre traurig, wenn wir nichts Anderes und Besseres auf
unserem Lebenswege vor uns hätten, als unser künstlerisches
Tagewerk nach einem vorliegenden und amtlich approbirten
Schema einzurichten, wie es etwa die Mönche vom Berge
Athos für ihren Madonnentypus haben.
Michel-Angelo, Raphael und Tizian waren zu ihrer Zeit,
trotz ihres laut ausgedrückten Bestrebens, auf Grund der
Antike weiterzubauen, gewiss ebenso modern, wie nur irgend
Jemand heutzutage, und ebenso Holbein und Dürer und
Rubens und Rembrandt, trotz des eminenten Unterschiedes
in ihrer künstlerischen Ausdrucksweise, und es würde auch
sicher keiner von ihnen den andern verketzert haben, weil
unter ihnen bezüglich des Dogma’s vom Schönheitsgedanken
wohl keine Meinungsverschiedenheit herrschen konnte. -—
Während nun die Architektur und die Bildhauerei in der
neueren Zeit keine äusserlich besonders auffallende Strömungen
oder Eigenartigkeiten aufweisen, sondern auf der soliden
Grundlage all dessen, was seit Jahrtausenden geschaffen
worden ist, fortarbeiten, zeigen sich in der modernen Malerei
Strömungen, welche schon deshalb beachtenswerth sind, weil
sie von der einen Seite ebenso sehr mit hellem Jubel als das
Neueste und einzig Wahre begrüsst und gefeiert, wie sie von
der anderen Seite angegriffen und verworfen werden.
Wenn die moderne Kunstakademie die Aufgabe hat,
ihre Schüler mit all jenem Wissen und Können auszustatten,
welches sie befähigt, im praktischen Leben wohl vorbereitet
ihre eigenen Wege zu gehen, so ist Ziel und Lehrplan der
Akademie damit klar und deutlich vorgezeichnet, denn die
überwältigende Fülle und Bedeutung des Materials, welches
die Kunstthätigkeit seit der klassischen Hellenenzeit bis heute

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