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Werner, Anton von
Ansprachen und Reden des Direktors A. von Werner an die Studirenden der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste zu Berlin und Verzeichniss der Lehrer, Beamten und Schüler derselben seit 1875 — 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.70876#0127
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und das stattliche Haus fehlte, aber die Jugend von damals
fühlte in der Brust ein mächtiges Dehnen und Sehnen, ein
Streben nach etwas zu Erringendem, für welches Gut und
Blut eingesetzt werden musste, nach etwas, was auf allen
Kommersen, Schützen-, Turner- und Sängerfesten gefeiert
und betoastet und besungen wurde: Deutschland und seine
Einigkeit! Es lag ein rosiger, goldiger Schimmer über dieser
Jugendzeit, der sich manchmal freilich zu Schwarz-Roth-Gold
verdichtete, was aber bei der Ehrlichkeit dieser Schwärmerei
Niemand sonderlich beschädigen konnte, denn diese Schwär-
merei quoll herauf aus der tiefinnersten, jugendreinen Volks-
seele. Und wie hatten wir Jungen recht, zu hoffen und wie
glücklich waren wir, ein Ideal zu haben, für welches wir uns
begeistern konnten! Denn mit dem Jahre 1860 hatte für
Deutschland eine neue Aera begonnen. Könm Wilhelm,
unser später allverehrter, jetzt verklärter Kaiser, hatte den
preussischen Thron bestiegen, und in Baden hatte der edle
Grossherzog Friedrich als süddeutscher Fürst seine Politik
in Wege geleitet, welche der jetzigen Gestaltung Deutschlands
vorgearbeitet haben. Da ich Ihnen in der PVlge doch zum
Theil persönliche Erinnerungen vorzutragen habe, so sei es
mir gestattet, Ihnen zu schildern, welcher Auffassung diese
neue Aera damals in der akademischen Jugend begegnete.
Ich hatte — ich weiss nicht, auf welche Veranlassung — zur
Feier der Thronbesteigung König Wilhelms ein Gedenkblatt
zu zeichnen, welches ich mit aller Unbeholfenheit eines
17jährigen Akademieschülers selbst lithographirte. Es zeigte
in der Mitte die Porträts des Königs Wilhelm und der
Königin Augusta, umgeben von den Vertretern des Wehr-,
Lehr- und Nährstandes. Unten befand sich in Kaspar
Scheuren’s damals beliebter Manier ein Durchblick durch
einen Halbbogen, in welchem man die Gestalt der Germania
auf der Erde hingestreckt sah, welche nach der deutschen
Kaiserkrone greift, im Hintergründe den Strassburger
Münster.

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