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Oettingen, Wolfgang von; Königliche Akademie der Künste zu Berlin [Mitarb.]
Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin 1696-1900: Rede zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaiser und Königs am 27. Januar 1900 in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste — Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.70907#0018
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sprengte den patriarchalischen Zuschnitt des alten Staates;
schon weit früher als die politische Revolution vollzog sich
eine Revolution in der Auffassung des Verhältnisses zwischen
Regierung und Volk im Hinblick auf dessen Erziehung und
persönliche Selbstbestimmung. Wie man die Befreiung des
deutschen Handels von innerdeutschen Zollgrenzen verlangte
und endlich auch erhielt, so trachtete man danach, dass der
Staat mit grösserer Liberalität als bis dahin Bildungsstätten
und geistige Förderungsmittel aller Art den Steuerzahlern zur
Verfügung stellte. Auch die Pflege der Kunst durch den
Staat nahm dadurch einen anderen Charakter an. Die Akademie
als der offizielle Gerichtshof für den guten Geschmack in ganz
Preussen musste schlechterdings unmöglich werden, sobald es
ein Publikum gab, das sich gründlich und vielseitig unter-
richtete, reiste, Vieles sah und selbständigen Geschmack ent-
wickelte, und sobald Künstler voll Selbstvertrauen auf den
Gedanken kamen, dass ihre Leistungen nicht allein nach dem
Urtheil der Herren in Berlin geschätzt werden könnten. Damit
war die neue Rolle des Staates dem Kunstwesen gegenüber
gegeben: er hatte zur elementaren und zu der höheren Aus-
bildung der Künstler und Kunsthandwerker gute Schulen, und
zwar nicht nur in Berlin, zu halten, dem Publikum in öffent-
lichen Museen den verlangten ästhetischen Bildungsstoff und
die Gelegenheit zum Kunstgenuss zu bieten und durch Ver-
wendung möglichst beträchtlicher Mittel für architektonisch
bedeutende Bauten, für monumentale Sculptur, für die malerische
Ausschmückung passender Räume den Privatleuten ein Beispiel
und eine Anregung zu geben, überhaupt also die Anerkennung
der Kunst als eines nothwendigen Kulturelementes durch ihre
Unterstützung und Befreiung grossartig zu bethätigen.
 
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