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Krebs, Carl; Königliche Akademie der Künste zu Berlin [Contr.]
Mozart: Rede zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaiser und Königs am 27. Januar 1906 in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste — Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.70863#0018
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16 —

verwendet hätte, werden zu Grundlagen pomphaft aufgeblähter
symphonischer Dichtungen gemacht; wer gerade genug Talent
hat, um ein mittelmäfsiges Lied zu schreiben, holt zu einer
langen Reihe von Musikdramen aus. Vollkommenes Gleich-
gewicht herrscht bei Mozart auch zwischen Ausdruck und
Ausdrucksmittel: zwei Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen
genügen ihm neben dem üblichen Chor der Streicher und
Holzbläser zur höchsten Kraftentfaltung, genügen ihm, uns
aufs tiefste zu erschüttern. Heute wird Mozarts Orchester ver-
vierfacht, ohne dafs eine äquivalente Steigerung des künst-
lerischen Eindrucks einträte, ja ohne dafs auch nur annähernd
die Wirkungen erreicht würden, die Mozart hervorbringt. Denn
das Orchester ist natürlich nicht Ursache, sondern nur Mittel
der Wirkung. Wie oft aber wird jetzt das Mittel zum Zweck
erhöht! Man hat vielfach die Empfindung, dafs es den
Komponisten weniger darauf ankomme, bedeutende Gedanken
auszudrücken, als darauf, ein recht grofses Orchester zusammen-
zubringen, das übrige, meinen sie, werde sich dann schon
finden. Leider findet es sich nicht immer. Endlich: das
Wesen jeder Kunst ist die Vereinfachung. Wie der Land-
schafter, der einen Baum darstellen will, nicht Blatt für Blatt
und Zweig für Zweig nachmalt, sondern alles Kleine und Ein-
zelne zu Gruppen zusammenfafst und in breiten Flächen
wiedergibt, so vermag der Tonkünstler eine Vielheit seelischer
Erscheinungen in eine einfache musikalische Form zu bannen.
In dieser Fähigkeit ist Mozart unerreicht grofs. Er versteht
es, ganze Stimmungs- oder Empfindungskomplexe zu einem
schlichten melodischen Umrifs zu verdichten, dem er durch
eine angemessene Harmonik Körper und Rundung gibt. Die
Kunst nun, einfache, kräftig geschnittene Melodien zu erfinden
und in der Harmonik haushälterisch zu sein, fehlt vielen der
heutigen Komponisten in bedenklichem Mafse, denn oft genug
 
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