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haben oder verdienen, erschien, warf man ihm in Sänger-
kreisen vor, es sei nicht volkstümlich, weil es in der Mo-
dulation und Stimmführung über den Silcherschen Stil und
die vermeintliche Grundbedingung äußerster Leichtigkeit und
Bequemlichkeit hinausgeht. Das ist eine falsche Ansicht.
Wo nichts verlangt wird, sinkt das Niveau und das Volk
muß künstlerisch erzogen werden, es will das auch. Volks-
tümlichkeit heißt darum nicht Verzicht auf Bildung und
Kunst, sondern nur Rücksicht auf das Leistungsvermögen
und die Neigungen des Volkes. Was aber das Volk will
und kann, das erfährt man ziemlich sicher aus der wirk-
lichen Volksmusik. Nun darf man das Wesen der Volks-
musik nicht mit dem erschöpfen wollen, was sich unter
diesem Namen gerade heute und bei uns bietet. Die Berg-
leute in Wales, die sich mit Kanons vergnügen, die italieni-
schen Straßensänger, die mit fugierten und dramatischen
Chören aufwarten, gehören auch zum Volk, und die Tat-
sache, daß während des 16. Jahrhunderts in deutschen Klein-
städten und Dörfern Lassosche und Senflsche Gesänge
heimisch waren, die heute unseren großstädtischen Vereinen
zu schaffen machen, läßt sich nicht aus der Geschichte der
Volksmusik streichen. Die Volksmusik ist nach Zeiten und
Ländern eine sehr variable Größe; immerhin zeigt sie einige
ständige Merkmale, die man — frei nach Winckelmann —
auf die Formel: »Einfalt und Charakter« bringen kann.
Namentlich an den Charakter seiner Musik stellt das Volk
auf die Dauer strenge Ansprüche, nur das Beste bleibt:
von den vielen Liedern, die im deutschen Roman und in
der französischen Korrespondenz des 17. Jahrhunderts als
allgemein bekannt zitiert werden, fehlt heute jede Spur
und wer immer das Schwabenalter überschritten hat, ent-
sinnt sich zahlreicher Favoritstücke, die einst in aller
Mund, heute beiseite geworfen sind. Viel schwankender
haben oder verdienen, erschien, warf man ihm in Sänger-
kreisen vor, es sei nicht volkstümlich, weil es in der Mo-
dulation und Stimmführung über den Silcherschen Stil und
die vermeintliche Grundbedingung äußerster Leichtigkeit und
Bequemlichkeit hinausgeht. Das ist eine falsche Ansicht.
Wo nichts verlangt wird, sinkt das Niveau und das Volk
muß künstlerisch erzogen werden, es will das auch. Volks-
tümlichkeit heißt darum nicht Verzicht auf Bildung und
Kunst, sondern nur Rücksicht auf das Leistungsvermögen
und die Neigungen des Volkes. Was aber das Volk will
und kann, das erfährt man ziemlich sicher aus der wirk-
lichen Volksmusik. Nun darf man das Wesen der Volks-
musik nicht mit dem erschöpfen wollen, was sich unter
diesem Namen gerade heute und bei uns bietet. Die Berg-
leute in Wales, die sich mit Kanons vergnügen, die italieni-
schen Straßensänger, die mit fugierten und dramatischen
Chören aufwarten, gehören auch zum Volk, und die Tat-
sache, daß während des 16. Jahrhunderts in deutschen Klein-
städten und Dörfern Lassosche und Senflsche Gesänge
heimisch waren, die heute unseren großstädtischen Vereinen
zu schaffen machen, läßt sich nicht aus der Geschichte der
Volksmusik streichen. Die Volksmusik ist nach Zeiten und
Ländern eine sehr variable Größe; immerhin zeigt sie einige
ständige Merkmale, die man — frei nach Winckelmann —
auf die Formel: »Einfalt und Charakter« bringen kann.
Namentlich an den Charakter seiner Musik stellt das Volk
auf die Dauer strenge Ansprüche, nur das Beste bleibt:
von den vielen Liedern, die im deutschen Roman und in
der französischen Korrespondenz des 17. Jahrhunderts als
allgemein bekannt zitiert werden, fehlt heute jede Spur
und wer immer das Schwabenalter überschritten hat, ent-
sinnt sich zahlreicher Favoritstücke, die einst in aller
Mund, heute beiseite geworfen sind. Viel schwankender