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steinlegung statt, naclidem — wie die Leitzkauer Chronik mit
naiyer Uebertreibung sagt — ein Fundament von 24 Fufs
(Hölie?) dafür aufgeführt worden war. 1) Dieser Bau ist, wie
die erhaltenen Bautheile mit Sicherheit lehren, über der Erde
fast ganz aus Backsteinen liergestellt worden, weil inzwischen
der Ziegeleibetrieb in Brandenburg Eingang gefunden hatte.

Die Niederländer, welche in der Mitte des XII. Jalvr-
hunderts auf das energische Betreiben weltlicher wie geistlicher
Fürsten nicht blofs in Holstein und die ostelbisclien Gegenden,
sondern auch in Sachsen vom Südrande des HarzeS bis zur
Unstrut und Saale einwanderten, 2) sind es gewesen, denen
diese wichtige Technik verdankt wird. In Brandenburg erliielt
eine solche Kolonie das Land zwisclien der Havel und dem
Harlunger Berge angewiesen und gründete das Dorf Lucke-
berg mit der noch heute wohl erhaltenen Kirclie St. Nikolaus.
Wegen ilirer starken Mauern, soliden Technik und eigenartigen
Apsisbildung (die Conchamauer setzt aufsen mehrere Male ab)
ist diese Kirche eine der ältesten Ziegelkirchen, die wir be-
sitzen. Urkundlich wird sie zwar erst, 1173 erwähnt, sie ist
aher unzweifelhaft älter, Aveil die betreffende Urkunde sich
nicht auf eine Stiftung oder Sclienkung bezieht, sondern nur
eine Bestätigung des dem Domkapitel bereits gehörigen Grund-
besitzes formulirt: sie ist siclier sclion um 1150, also vor
Jaczos Ueberfall entstanden; vgl. S. 118, Absclmitt 3.

Fiir den gerade damals durch eine seltene Konstellation
von Personen und Yerhältnissen stattgefundenen Aufschwung in
der Mark ist nichts lehrreicher als die Betraehtung des Mafs-
stabes in der Kathedrale zu Havelberg; sie ist 214 Fufs lang
und 85V2 Fufs breit, das Mittelschiff besitzt 30 Fufs Span-
nung. Ihre Bauzeit stelit unumstöfslich fest auf 1137 — 1170.
Selbstverständlich konnte Brandenburgs Dom 1165 niclit viel
dahinter zurückbleiben; daher wurde er als zweithürmige kreuz-
förmige Basilika von 213 Fnfs Länge und 73 Fufs Breite
angelegt und sein Mittelschiff erhielt die gleiche Spannung von
30 Fnls. Um rascli vorwärts zn kommen, befleifsigte man sich
der gröfsten Sparsamkeit in den Kunstformen, selbst in den
Bautheilen, denn Krypta und Xebenapsiden fehlten. Erst im
Anfange des XIII. Jahrhunderts hat man nach dem Muster des
ITavelberger Domes zunächst an der Xordseite des Langehores
zwei Doppelkapellen angebaut, 3) welche in gothischer Zeit um
1300 sowolil oben wie unten zu je einer vereinigt wurden.
Dennoch hat der erste Bau lange gedauert, wie aus mehreren
Urkunden deutlich erhellt. 4) Erst im Jahre 1187 sclieint der
Bau vollendet gewesen zu sein, weif erstlich in diesem Jahre
Markgraf Otto II. das Dorf Reinoldsdorf (Plötzin) selienkt
und von den Einnahmen desselben ein Drittel für die Be-
leuchtung und andere Zwecke der Yerwaltung festlegt 5) und
weil zweitens aus dem folgenden Jahre — 1188 — zwei Ur-
kunden des Papstes Clemens III. da sind, welche dem Kapitel
wie dem Bistliume alle Besitzungen und Gerechtsame be-
stätigen. Bei dem hohen Preise solcher Erlasse in Bom hat
man sie ganz allgemein nur in sehr wichtigen Fällen z. B. bei
gröfseren Schenkungen, Einweihungen von Kathedralen und
dergl. beantragt und erhalten. Die feierliche Einweihung hat
aber, wie ich bereits Band I S. 11 hervorgehoben, sogar erst
1194 stattgefunden, weil damals und seitdem dauernd zu dem
frülieren Patrone Petrus auch Paulus gestellt wurde. 6) Spätere

1) Eiedel D., 287. Die Wasserstandsverhältnisse sowie der sumpfige
Boden werden die Fundamentirungs-Arbeiten sehr erschwert und einen groisen
Material-Verbrauch herbeigefiihrt haben, aber von einer solclien Tiefgriindung
kann keine Kede sein.

2) Der Name Niederländer hat damals nicht nur Holländer, sondern auch

Plamländer umfafst, denn Bischof Wichmann von Naumburg sagt in einer Ur-
kunde 1152: Ilollandini qui et Flamingi nuneupantur. Vergl. Lepsius, Bischöfe
von Naumburg 252. *

3) Beweisstücke dafür die beiden Piscinen in der unteren Kapelle.

4) Kiedel VIII, 108 und 113.

5) Daraus geht sicher hervor, dafs der Dom schon benutzt. wurde.

0) Winter a. a. O. 144 hat das Datum 1194 gleichfalls angenommen und
durch die Analogie mit Leitzkau treffend unterstützt.

Auszeichnungen, Begabungen uncl Stiftungen übergehend, wieder-
hole icli nocli zum Jalire 1235 1) die feierliclxe Einweihung -—
nicht der Krypta, wie ich irrthümlich S. 12 angenommen,
— sondern eines Altares in der eben erwähnten nördlich
vom Langchore belegenen zweigeschossigen, sogenannten „bunten
Kapelle“ durch den Bischof Gernand. 2) Indessen ist diese
Aenderung des Lokales unerheblich, iveil die Krypta, welche
wie in Leitzkau und Jerichow nachträglich liinzugefügt wurde,
sicher aus derselben Zeit stammt, sogar nocli etwas älter sein
kann, um 1230. Für die damals errichteten backsteinernen
Wandpfeiler, die grofsen vvie die kleinen, vergl. Blatt VII,
Fig. 13 und 14, stehen die aus Sandstein gearbeiteten Vor-
hilder als gekuppelte Säulenbündel in dem Tonsorium des
Kreuzganges von Liebfrauen in Magdeburg.
Der nebenstehende Holzschnitt stellt eine Art
dar, eine andere Variante liat Kothe in seinem
Aufsatze liber diese Kirche mitgetheilt. 3) Auch
in der Krypta von St. Pancratius zu Ballen-
städt, wo Albrecht der Bär mit seiner Frau begraben liegt, ist
dieselbe Pfeilerform als Freipfeiler verwendet ivorden. 4)

Der nocli vorliandene Unterbau der damals (1230) er-
ricliteten Apsis beweist, dafs sie schon polygonal gestaltet war
wie die Chorkapellen der Harlunger Bergkirche und der
Clior A'on Güldenstern. Vergl. Band II, Blatt LXV. In-
dessen ist. aucli dieser ziveite im gothischen Uebergangsstile
erbaute Chorbau später so schadhaft geworden, dafs er noch-
mals 1377 in gothischem Stile mit Strebepfeilern, dreitheiligen
Fenstern und Wandnischen erneuert werden mufste. Aber
sclion früher hatte man 1295 —1310 die Gewölbe der Krypta
und der bunten Kapelle ebenfalls erneuert, die der Ersteren
mit Umstellung der Säulen und die der Letzteren bei Zu-
sammenziehung der früher geschiedenen Kapellen in eine einzige.
Von den im Jahre 1859 besprochenen Kapitellen der Krypta
liabe ich das auf Seite 13 in der Fufsnote hervorgehobene,
mit merkwürdigen Reliefs geschmückte Säulenkapitell 186.1 in
den Märkischen Forschungen Band A TI S. 183 ff. wegen seiner
hohen kulturgeschichtlichen Bedeutung eingehend erörtert.

Meine Auffassung der ältesten Baugeschichte des Domes
liat in neuster Zeit der Stadtbaumeister Stiehl in dem XXVI.
his XXVII. Jahresberichte des liistorischen Vereines zu Bran-
denburg bekämpft, indem er nachzuweisen sucht, dafs der
Dom von 1165 —1194 oder gar his 1208 als Granitbau be-
standen liabe. Erst dann sei er durch den jetzigen Backstein-
bau ersetzt worden. Seine Auslegung' der Urkunden ist eine
so willkürliche und künstlich gewundene, dafs ich auf eine
eingehende Replik an dieser Stelle verzichten kann und auf
die schlichte sachgemäfse Verwerthung jener Documente, wie
sie Winter in seinem trefflichen Werke über die Prämon-
stratenser S. 143 gegeben hat, verweise. Alles am Dome, so-
wolil die gesammte Struktur ivie die geretteten Bauformen
widerspricht Stielils Auffassung. Stammte der Dom — wie
er will — aus dem Anfange des XIII. Jahrhunderts, so
wäre er sicher geivölbt worden und zwar im gebundenen
Systeme wie Arendsee, Diesdorf, Lehnin u. a, Er hat aber
seine Balkendecken bis in das XIV. Jahrliundert bewahrt,
seiue schlichten Vierungs- und Arkadenpfeiler enthehren jeden
Kennzeichens einer beabsichtigten Ueberwölbung, und dafs er
kein Nothdurftsbau sein sollte oder gar gewesen ist, das be-
weisen seine oben hervorgeliobenen stattlichen Mafse.

2. Die Marienkirche auf dem Harlunger Berge.

Zu ilirer Beschreibung und Datirung bemerke ich zusätz-
lich, dafs das innere Systern mit dem durchgreifenden Umbau

1) Riedel D., 275. 2) Wernicke im Bär 1877, 65.

3) Zeitsehr. f. Bauwesen XLV, Blatt 0.

4) Zeitschr. f. Bauwesen XXXIX, Blatt 62, Fig. D.

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