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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Schafställe der Nordheide — Hameln: Niemeyer, Heft 10.1994

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Mehrzweckgebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.51141#0216
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Mehrzweckgebäude

Auf der anderen Seite scheint ursprünglich
eine niedrige, kübbungsartige Raumanord-
nung vorhanden gewesen zu sein, bei der es
sich vermutlich um Schweineställe gehandelt
hat. Wir haben also eine sehr ähnliche Anord-
nung der Räumlichkeiten wie in der Pfarr-
scheune von Ramelsloh vor uns, allerdings in
ihren Größenverhältnissen den bäuerlichen
Bedürfnissen angepaßt, indem der Scheunen-
teil des Todtglüsinger Halbhofes größer, der
Speicherteil jedoch wesentlich kleiner war.
Es ist darauf hinzuweisen, daß im Gesamtbe-
reich der ehemaligen Vogtei Tostedt ein sol-
ches Gebäude nicht noch einmal aufzufinden
war. Sicherlich war die Schnuckenhaltung in
der Nordheide seinerzeit wohl beinahe noch
obligatorisch, doch dürfte ein Halbhof in
einem relativ großen, enggeschlossenen Dorf
wie Todtglüsingen keine allzugroße Herde
unterhalten haben. Immerhin weiß man aus
der Familienüberlieferung, daß der Hof noch
Ende des 19. Jahrhunderts ca. 100 Schafe hielt,
die von einem körperlich behinderten Bruder
des Bauern gehütet wurden. Vermutlich besaß
der Hof wie die übrigen Höfe des Dorfes einen
Außenschafstall in der Glüsinger Allmende.
Ein besonderer Hofschafstall mußte nicht vor-
handen sein, da wird der entsprechende Teil
der langgestreckten Scheune als Winterquar-
tier für die Schnucken ausgereicht haben wird.
Warum nun gerade auf diesem Hof ein solches
Kombinationsgebäude erbaut worden ist,
ergibt sich vielleicht aus der Hofgeschichte.
Nach der Familienüberlieferung wurde der
Halbhof Nr.7 im 18. Jahrhundert innerhalb
des Ortes Todtglüsingen umgesiedelt, wobei
er etwas mehr an den Ortsrand verlegt wurde.
Der Gebäudebestand des Hofes läßt heute
noch ein ziemlich einheitliches Alter erken-
nen. Das Haupthaus ebenso wie ein großes
Backhaus dürften nach ihren Baumerkmalen
aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts stammen. Des weiteren zeigte
ein von alten Fotos her noch gut erkenn-
bares Häuslingshaus entsprechende Merk-
male. Gleichen Alters ist wohl auch das
Stall-Speicher-Scheunengebäude, wofür die
Balkeneinhälsung und Kopfbandverstrebung
wie auch die ursprüngliche Wandausfüllung
mit Lehmgeflecht sprechen.
Eine bautechnische Besonderheit, die ge-
wisse Rückschlüsse auf die Herkunft des

Baugedankens eines derartigen Kombi-
nationsgebäudes zuläßt, muß zum besseren
Verständnis noch erwähnt werden. Es han-
delt sich um eine doppelte Vernagelung der
Riegel, ein zimmermannstechnisches Merk-
mal, das in den Landkreisen Verden und
Rotenburg sehr weit verbreitet war, das
jedoch im Landkreis Harburg als extreme
Ausnahmeerscheinung anzusehen ist. Im
Gesamtbereich der Samtgemeinde Tostedt
sind lediglich zwei weitere Gebäude mit
doppelter Riegelvernagelung bekannt gewor-
den, nämlich ein Bauernhaus in Tostedt, das
nach einem erhaltenen Türriegel im Jahre
1778 erbaut worden ist, sowie die Innen-
riegelkette zwischen den Ständern des
Riepshofer Kübbungsschafstalles, der laut
eingeschnitttener Jahreszahl 1779 erbaut
wurde und der mit seiner Horizontalver-
bohlung der Kübbungswände als eine auf
Fremdeinflüsse zurückgehende örtliche
Ausnahmeerscheinung angesehen werden
muß. Es ist daher nicht unwahrscheinlich,
daß auch das quererschlossene Gebäude in
Todtglüsingen auf einen aus dem Raum
Verden / Rotenburg zugewanderten Hand-
werker verweist.
In der Tat ist ja das Gebiet des Landkreises
Rotenburg, besonders der ehemals Bremische
Teil, als eine „Hochburg“ der quererschlos-
senen Nebengebäude anzusehen. Die ältesten
dortigen Scheunen bestehen allerdings nur
aus einer mittleren Querdurchfahrt, der sich
beiderseits die Bansenräume anschließen.
Doch findet man auf vielen Höfen der Region
jüngere Nebengebäude, die sich durch eine
größere Länge auszeichnen. Meistens liegen
diese Gebäude parallel zum Haupthaus vor
dessen großer Tür, reichen bis an die Dorf-
straße heran und begrenzen die Hoffläche
seitlich zu den Nachbarhöfen oder zu den
landwirtschaftlichen Flächen. Fast immer
finden sich zumindest zwei, manchmal sogar
drei große Tore auf der hofseitigen Trauf-
seite, denen entsprechende rückwärtige
Ausfahrten zugeordnet sind. Ähnlich wie die
Einzelfälle in Ramelsloh und in Todtglü-
singen weisen die quererschlossenen Neben-
gebäude im Landkreis Rotenburg Räumlich-
keiten unterschiedlicher Funktion auf, wobei
in erster Linie Bansenräume vorgefunden
werden, daneben Schweineställe, speicher-
artige Räume und schließlich Raumteile,
 
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