Mehrzweckgebäude
223
Auf einer Pfanne war an der Oberseite der
„Nase“ die Jahreszahl 1886 eingeritzt
(Abb. 162b). Zu einem primären Pfannen-
dach paßt der beiderseitige Steilgiebel, der
auf der Straßenseite durch ein ausgemauertes
Fachwerk recht repräsentativ erscheint,
während die zum Haus gewandte Giebelseite
nur mit einer schlichten, aufgenagelten
Verbretterung geschlossen wurde.
Abb. 162b: Dachpfanne des Hofgebäudes mit
Queraufschluß, eingeritzte Jahreszahl 1886
Wie ein Blick in das Innere des Gebäudes
zeigt, täuscht die äußerlich gleichmäßig
erscheinende Balkenlage über die innere
Raumgestaltung hinweg; durchlaufende
Balken liegen nämlich nur in einzelnen
Abschnitten des Gebäudes vor. Der mittlere
Teil weist eine seinerzeit neuartige Zimme-
rung auf, die darin besteht, daß firstparallele
Wechsel eingefügt wurden, von denen aus die
Balken nur als kurze Stichbalken bis auf das
Wandrähm laufen; auf den Stichbalkenköpfen
stehen die zugeordneten Sparren. Auf diese
Weise ist es möglich gewesen, trotz der
dichten Sparrenstellung, die beim Ziegeldach
erforderlich ist, im Inneren doch einige oben
offene, das heißt nicht von Balken über-
spannte Räume zu schaffen, wie sie für
Scheunenräume notwendig sind. Es handelt
sich um die mittlere Durchfahrt sowie um
einen Teil des rechts davon gelegenen Fachs,
das von der Durchfahrt durch eine zwar
ausgemauerte, aber ohne Sockel bis zum
Boden reichende Fachwerkwand abgetrennt
und durch eine Fußgängertür von der Hofsei-
te her zu betreten ist. Hier haben wir also
eine typische Scheunendurchfahrt vor uns,
der allerdings nur eine recht kleine Banse
zugeordnet war. Es ist anzunehmen, daß der
große Hof einst eine weitere, größere Ban-
senscheune besessen hat. Der rechts vom
Scheunenteil gelegene, heute stark umge-
baute Abschnitt hat zwar keine Speicher-
räume besessen; statt dessen lag hier ein
schon recht großer Schweinestall, der mit
seiner Nähe zum Haupthaus und mit einem
Futtergang den zur Zeit der Erbauung einge-
tretenen Aufschwung der Schweinezucht
widerspiegelt.
Am straßenseitigen Ende des Gebäudes
befindet sich an beiden Traufseiten je ein
großes Tor. Dieser Teil hat in jüngster Zeit
vorübergehend als Jungviehstall gedient.
Davor soll hier Torf und Heu gelagert worden
sein; eine andersartige Nutzung ist den
Eigentümern nicht bekannt. Dennoch muß es
sich auch hier ursprünglich noch um den
Schafstall gehandelt haben. Beweisend dafür
sind vor allem die durchgehende Balkenlage
über diesem Raumteil mit der Möglichkeit
der balkenlastigen Futter- und Einstreu-
stapelung und der wärmeisolierenden Wir-
kung, weiter die besondere Fußgängertür
neben dem vorderen Tor und der in diesem
Gebäudeabschnitt vorhandenen Ziegelsockel
der Außenwände, der sich auch an der inne-
ren Querwand fortsetzt, sowie schließlich die
charakteristische Eintiefung des Stallbodens.
Obgleich dieses Gebäude nur wenig älter
als 100 Jahre ist, hat es doch eine sehr
bewegte Geschichte, die für die individuelle
Entwicklung dieser einen Hofstelle, aber
auch für die allgemeine Entwicklung der
ländlichen Wirtschaft aufschlußreich und
charakteristisch ist. Leider war der Erhal-
tungszustand recht schlecht. Der Antrag auf
Abrißgenehmigung wurde bewilligt, und
bei der Drucklegung dieser Zeilen ist das
Gebäude bereits verschwunden. Allerdings
wurde das Fachwerk so gut wie möglich
geborgen und soll wieder aufgebaut werden.
Dennoch ist ein weiterer Zeuge unserer Ver-
gangenheit vielleicht für immer verstummt,
da die überwiegende Zahl der für unsere
Analyse notwendigen Befunde bei einer
erneuten Abzimmerung nicht mehr nach-
vollziehbar sein werden. Möge es gelingen,
auch einmal ein solches Gebäude in seiner
ganzen Geschichtlichkeit für die Zukunft zu
erhalten, damit auch spätere Generationen
noch die Möglichkeit haben, den Spuren des
Lebens und Arbeitens der Menschen einer
versunkenen Epoche nachzuforschen!
223
Auf einer Pfanne war an der Oberseite der
„Nase“ die Jahreszahl 1886 eingeritzt
(Abb. 162b). Zu einem primären Pfannen-
dach paßt der beiderseitige Steilgiebel, der
auf der Straßenseite durch ein ausgemauertes
Fachwerk recht repräsentativ erscheint,
während die zum Haus gewandte Giebelseite
nur mit einer schlichten, aufgenagelten
Verbretterung geschlossen wurde.
Abb. 162b: Dachpfanne des Hofgebäudes mit
Queraufschluß, eingeritzte Jahreszahl 1886
Wie ein Blick in das Innere des Gebäudes
zeigt, täuscht die äußerlich gleichmäßig
erscheinende Balkenlage über die innere
Raumgestaltung hinweg; durchlaufende
Balken liegen nämlich nur in einzelnen
Abschnitten des Gebäudes vor. Der mittlere
Teil weist eine seinerzeit neuartige Zimme-
rung auf, die darin besteht, daß firstparallele
Wechsel eingefügt wurden, von denen aus die
Balken nur als kurze Stichbalken bis auf das
Wandrähm laufen; auf den Stichbalkenköpfen
stehen die zugeordneten Sparren. Auf diese
Weise ist es möglich gewesen, trotz der
dichten Sparrenstellung, die beim Ziegeldach
erforderlich ist, im Inneren doch einige oben
offene, das heißt nicht von Balken über-
spannte Räume zu schaffen, wie sie für
Scheunenräume notwendig sind. Es handelt
sich um die mittlere Durchfahrt sowie um
einen Teil des rechts davon gelegenen Fachs,
das von der Durchfahrt durch eine zwar
ausgemauerte, aber ohne Sockel bis zum
Boden reichende Fachwerkwand abgetrennt
und durch eine Fußgängertür von der Hofsei-
te her zu betreten ist. Hier haben wir also
eine typische Scheunendurchfahrt vor uns,
der allerdings nur eine recht kleine Banse
zugeordnet war. Es ist anzunehmen, daß der
große Hof einst eine weitere, größere Ban-
senscheune besessen hat. Der rechts vom
Scheunenteil gelegene, heute stark umge-
baute Abschnitt hat zwar keine Speicher-
räume besessen; statt dessen lag hier ein
schon recht großer Schweinestall, der mit
seiner Nähe zum Haupthaus und mit einem
Futtergang den zur Zeit der Erbauung einge-
tretenen Aufschwung der Schweinezucht
widerspiegelt.
Am straßenseitigen Ende des Gebäudes
befindet sich an beiden Traufseiten je ein
großes Tor. Dieser Teil hat in jüngster Zeit
vorübergehend als Jungviehstall gedient.
Davor soll hier Torf und Heu gelagert worden
sein; eine andersartige Nutzung ist den
Eigentümern nicht bekannt. Dennoch muß es
sich auch hier ursprünglich noch um den
Schafstall gehandelt haben. Beweisend dafür
sind vor allem die durchgehende Balkenlage
über diesem Raumteil mit der Möglichkeit
der balkenlastigen Futter- und Einstreu-
stapelung und der wärmeisolierenden Wir-
kung, weiter die besondere Fußgängertür
neben dem vorderen Tor und der in diesem
Gebäudeabschnitt vorhandenen Ziegelsockel
der Außenwände, der sich auch an der inne-
ren Querwand fortsetzt, sowie schließlich die
charakteristische Eintiefung des Stallbodens.
Obgleich dieses Gebäude nur wenig älter
als 100 Jahre ist, hat es doch eine sehr
bewegte Geschichte, die für die individuelle
Entwicklung dieser einen Hofstelle, aber
auch für die allgemeine Entwicklung der
ländlichen Wirtschaft aufschlußreich und
charakteristisch ist. Leider war der Erhal-
tungszustand recht schlecht. Der Antrag auf
Abrißgenehmigung wurde bewilligt, und
bei der Drucklegung dieser Zeilen ist das
Gebäude bereits verschwunden. Allerdings
wurde das Fachwerk so gut wie möglich
geborgen und soll wieder aufgebaut werden.
Dennoch ist ein weiterer Zeuge unserer Ver-
gangenheit vielleicht für immer verstummt,
da die überwiegende Zahl der für unsere
Analyse notwendigen Befunde bei einer
erneuten Abzimmerung nicht mehr nach-
vollziehbar sein werden. Möge es gelingen,
auch einmal ein solches Gebäude in seiner
ganzen Geschichtlichkeit für die Zukunft zu
erhalten, damit auch spätere Generationen
noch die Möglichkeit haben, den Spuren des
Lebens und Arbeitens der Menschen einer
versunkenen Epoche nachzuforschen!