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Budde, Thomas; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Helmstedter Landwehr: ein Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Grenzbefestigungen — Hameln: Niemeyer, Heft 16.1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.51147#0026
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den Gemeinden Walbeck und Schwanefeld folgend. Ob
diese Fortsetzung, von der, wie sich bei einer ersten Über-
prüfung im Gelände zeigte, offenbar kaum mehr etwas er-
halten ist, tatsächlich noch zur Landwehr gehört hat, ist
zumindest sehr fraglich. Sie ergibt jedenfalls keinen fortifi-
katorischen Sinn, ja würde sogar dazu verleitet haben, die
Landwehr an der Nordseite zu umgehen. Wahrscheinlich
ist hier nur die Bezeichnung alter Landgraben im Nachhin-
ein auf eine jüngere Grabenziehung übergegangen. Der
Graben diente übrigens vielleicht nicht allzu lang als
braunschweigisch-preußische Landesgrenze, zumal es des
öfteren Streitigkeiten über den Grenzverlauf in diesem Ge-
biet gegeben hat, woran heute noch der Forstname Streit-
holz erinnert.

3.3. Die schriftliche Überlieferung
Die schriftliche Überlieferung zur Helmstedter Landwehr ist
vergleichsweise günstig, zumal man bedenken muß, daß
Landwehren meist nur sehr beiläufig erwähnt werden.
Dies wäre bei der Helmstedter Landwehr im Grunde nicht
viel anders, gäbe es nicht die Verordnung des Abtes Ger-
hard von Werden und Helmstedt aus dem Jahre 1252, in
der zahlreiche rechtliche Regelungen in Bezug auf die
Landwehr zusammengefaßt sind.56 Diese Urkunde liegt al-
lerdings nur in Form zweier Abschriften in mittelnieder-
deutscher Übersetzung vor, die beide aus dem Jahre 1491
stammen. Die erste findet sich in einem Kopialbuch des
Ludgeriklosters und stammt von dem Mönch Henning Ha-
gen, dem Verfasser der bekannten Helmstedter Chronik;
bei der zweiten handelt es sich um eine Niederschrift des
Halberstädter Klerikers Johann Spangenberg, die einer Ur-
kunde des Ludgeriklosters vom 27. Juni 1491 hinzugefügt
ist. Da in letzterer Urkunde die alte Verordnung noch ein-
mal als rechtskräftig bestätigt wird, muß sie in dem dazwi-
schenliegenden Zeitraum von zweieinhalb Jahrhunderten
gültig gewesen sein, also praktisch während der gesamten
hauptsächlichen Nutzungszeit der Landwehr.
Die Verordnung von 1252 ist zwar keine Gründungsur-
kunde, doch geht aus gewissen Formulierungen hervor,
daß die Landwehr zu dieser Zeit gerade im Bau gewesen
sein muß. So wird beispielsweise erwähnt, daß die Bürger
bestimmte Bodenschätze nutzen dürften, falls solche in
dem Graben gefunden werden sollten, was darauf hindeu-
tet, daß der Graben noch in Arbeit gewesen ist. Sicher
handelt es sich bei dieser Verordnung um die erste schrift-
liche Niederlegung der Rechte und Pflichten aller Beteilig-
ten in Bezug auf die Landwehr. Dennoch muß es vorher
schon gewisse Regelungen gegeben haben, wie etwa aus
der Formulierung, die Hecke solle so geknickt werden, wie
es bereits bestimmt sei (,,...alze id begreppen hervor-
geht. Daraus ist zu schließen, daß 1252 ein gewisser Teil
der Anlage bereits vollständig fertiggestellt war. Für eine
Landwehr ist dies eine außerordentlich frühe Datierung.57
Als Initiator des Landwehrbaus erscheint in der Verord-
nung recht eindeutig der damalige Stadtherr, der Abt des
Reichsstifts Werden und seiner Tochtergründung, des Lud-
geriklosters vor Helmstedt. Außerdem beteiligt war Herzog

Otto das Kind von Braunschweig, in dessen Beisein und
unter dessen Beitritt die Verordnung im herzoglichen
Stammsitz Königslutter erlassen wurde. Die Beteiligung
des Herzogs ist dadurch zu erklären, daß er als Stadt- und
Klostervogt Inhaber des Schutzrechtes gewesen ist.58 Zu-
dem fiel die Landwehr auch deshalb schon unter die her-
zoglichen Angelegenheiten, weil sie im Grenzgebiet des
Herzogtums Braunschweig zum Erzstift Magdeburg lag.
Was den Anlaß für die Errichtung der Landwehr, einem für
diese Zeit ja noch keineswegs üblichen Vorhaben, gegeben
hat, ist zwar nicht überliefert, doch werden die Motive des
Abtes einigermaßen klar, wenn man die jüngere Stadtge-
schichte betrachtet.59 In den 1230er Jahren hatten die Bür-
ger Helmstedts begonnen, eine neue Stadtbefestigung zu
errichten und dabei in einem ersten Ausdruck beginnen-
den Autonomiestrebens gegenüber dem Stadtherrn, ohne
dessen Erlaubnis einzuholen, einen Teil der Befestigung
durch den Bereich der Klosterimmunität gezogen. Aus
dem daraufhin entstandenen, fast ein Jahrzehnt andauern-
den Rechtsstreit ging zwar der Abt formal als Sieger her-
vor, da ihm von den Bürgern einige Zugeständnisse ge-
macht werden mußten, doch blieb die strittige Stadtmau-
erpartie bestehen. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzun-
gen verfolgte der Abt zwischenzeitig - im Jahre 1232 -
den Plan, gemeinsam mit dem Herzog eine Art Zwingburg
in der Stadt zu errichten, wozu es dann aus unbekannten
Gründen doch nicht gekommen ist. Vor diesem Hinter-
grund erscheint denkbar, daß die Errichtung der Land-
wehr, zu der die Bürger als Untertanen des Stadtherrn,
umsomehr unter Zustimmung des Stadtvogts, herangezo-
gen werden konnten, dem Abt ein Ersatz für die erlittene
Niederlage gewesen ist, und dies zur Wiederherstellung
seiner Autorität beitragen sollte. Freilich werden auch die
Bürger selbst einiges Interesse an der Landwehr gehabt ha-
ben, zumal die vom Lappwald her vorgetragenen Erobe-
rung und Zerstörung der Stadt durch das Heer Erzbischof
Ludolfs von Magdeburg im Jahre 1200“ noch in guter Er-
innerung gewesen sein wird. Noch größer war aber der
Nutzen für das ungeschützt vor der befestigten Stadt gele-
gene Ludgerikloster.
Über die Landwehr von 1252 erfahren wir aus der Ver-
ordnung des Abtes Gerhard zunächst einmal, daß sie ein
„lanthgraven unde hegghe twisschen der woltwarde unde
der Walbekewarde in unde uppe sunte Ludgers eghendoe-
me unde ertbodeme" gewesen sei. Die „woltwarde"
(Waldwarte) ist, wie sich aus späteren Erwähnungen er-
schließen läßt (s. u.), identisch mit der heutigen Magde-
burger Warte. Der andere Endpunkt der damaligen Land-
wehr ist dagegen nicht ganz sicher zu bestimmen, da nicht
klar ist, welche der beiden Walbecker Warten gemeint ist.
Jedenfalls hat es 1252 ganz offenbar nur eine Walbecker
Warte gegeben, die indes nicht mehr erhalten sein kann,
weil ja die beiden jetzt noch bestehenden Warten bau-
gleich sind und deshalb beide gemeinsam erst nach 1252
entstanden sein können. Der genannte Landgraben ist
zweifellos identisch mit dem heute noch im Gelände erhal-
tenen Hauptgraben der Landwehr. Man möchte den ge-
samten Hauptgrabenzug von der Magdeburger Warte bis
knapp 40 m nördlich der 2. Walbecker Warte, da er in al-
len gut erhaltenen Partien ziemlich gleichartig gestaltet ist,

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