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Abb. 23 Hl. Michael im Kampf mit dem Drachen, Figurengruppe
von 1724
Abb. 24 Figur des Kirchen- und Klosterstifters Bischof Bernward
um 1700, ursprünglich an der südlichen Fassade des Abts-
wohnhauses
hoch gestellten Flügel. Sein Antlitz zeigt klassische
Gesichtszüge.
Die Gestaltung dieser Skulpturengruppe steht der forma-
len Auffassung des Rokoko fern. In ihrer demonstrativen
Monumentalität und der im Detail etwas manieriert wir-
kenden Klassizität kann sie als Rückgriff auf die Zeit um
1600 bezeichnet werden. Die dramatische Schilderung
des Erzengels im Kampf mit dem Satan lässt sich auf die
kolossale Bronzefigur der Jesuitenkirche St. Michael in
München zurückführen, die 1588 nach einem Modell
von Hubert Gerhard gegossen wurde. Dieses Bildnis ver-
körpert in triumphaler Weise den von den Jesuiten und
den Wittelsbachern proklamierten Kampf gegen den
Unglauben.21 Noch bedeutender als Vorbild für die
Skulpturengruppe des Michaelisklosters ist die monu-
mentale Bronzeplastik des hl. Michael von Hans Reichle,
1603/06 für das Augsburger Zeughaus geschaffen. Die
heroische Geste und das antikisierende Gewand der Hil-
desheimer Michaelisfigur finden hier ihr Vorbild. Die
künstlerische Rückbesinnung auf die Zeit um 1600 und
ihre klassische Formensprache sind in der Mitte des
18. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich.2' Die wenigen
erhaltenen oder durch historische Fotografien überliefer-
ten Beispiele der Hildesheimer Barockplastik zeigen aller-
dings keine stilistischen Ähnlichkeiten mit der Skulptu-
rengruppe des Michaelisklosters. Dieses singuläre Werk
ist wohl eher einem süddeutschen als einem einheimi-
schen Künstler zuzuschreiben. Die bereits erwähnten
Verbindungen des Auftraggebers Abt Ludwig Hatteisen
nach Augsburg stützen diese Hypothese.
Bei der Sicherung der Portalruine in den 50er Jahren
erkannte man wohl den Wert der Michaelisfigur und
bemühte sich im Rahmen der damaligen Möglichkeiten
um ihre Erhaltung. Ästhetisch störend sind die damals
ausgeführten Ergänzungen mit grobkörniger Steinersatz-
masse, vor allem die formal unstimmige Rekonstruktion
der verlorenen Hände des Heiligen. Darüber hinaus sind
die Handhaltung und die Länge der Unterarme nicht
Abb. 23 Hl. Michael im Kampf mit dem Drachen, Figurengruppe
von 1724
Abb. 24 Figur des Kirchen- und Klosterstifters Bischof Bernward
um 1700, ursprünglich an der südlichen Fassade des Abts-
wohnhauses
hoch gestellten Flügel. Sein Antlitz zeigt klassische
Gesichtszüge.
Die Gestaltung dieser Skulpturengruppe steht der forma-
len Auffassung des Rokoko fern. In ihrer demonstrativen
Monumentalität und der im Detail etwas manieriert wir-
kenden Klassizität kann sie als Rückgriff auf die Zeit um
1600 bezeichnet werden. Die dramatische Schilderung
des Erzengels im Kampf mit dem Satan lässt sich auf die
kolossale Bronzefigur der Jesuitenkirche St. Michael in
München zurückführen, die 1588 nach einem Modell
von Hubert Gerhard gegossen wurde. Dieses Bildnis ver-
körpert in triumphaler Weise den von den Jesuiten und
den Wittelsbachern proklamierten Kampf gegen den
Unglauben.21 Noch bedeutender als Vorbild für die
Skulpturengruppe des Michaelisklosters ist die monu-
mentale Bronzeplastik des hl. Michael von Hans Reichle,
1603/06 für das Augsburger Zeughaus geschaffen. Die
heroische Geste und das antikisierende Gewand der Hil-
desheimer Michaelisfigur finden hier ihr Vorbild. Die
künstlerische Rückbesinnung auf die Zeit um 1600 und
ihre klassische Formensprache sind in der Mitte des
18. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich.2' Die wenigen
erhaltenen oder durch historische Fotografien überliefer-
ten Beispiele der Hildesheimer Barockplastik zeigen aller-
dings keine stilistischen Ähnlichkeiten mit der Skulptu-
rengruppe des Michaelisklosters. Dieses singuläre Werk
ist wohl eher einem süddeutschen als einem einheimi-
schen Künstler zuzuschreiben. Die bereits erwähnten
Verbindungen des Auftraggebers Abt Ludwig Hatteisen
nach Augsburg stützen diese Hypothese.
Bei der Sicherung der Portalruine in den 50er Jahren
erkannte man wohl den Wert der Michaelisfigur und
bemühte sich im Rahmen der damaligen Möglichkeiten
um ihre Erhaltung. Ästhetisch störend sind die damals
ausgeführten Ergänzungen mit grobkörniger Steinersatz-
masse, vor allem die formal unstimmige Rekonstruktion
der verlorenen Hände des Heiligen. Darüber hinaus sind
die Handhaltung und die Länge der Unterarme nicht